„Macht hoch die Tür…“ (Text Georg Weissel, 1590 – 1635) Das war nicht nur der Text des zu Beginn der Feier gegen 11 Uhr von allen Anwesenden gemeinsam gesungenen Lieds.
Dass Tür und Tor und Herzen allen weit offen standen, das merkte der Besucher schon beim Betreten des Kirchengebäudes. Ein herzlicher Empfang und ein adventlich mit Christsternen und anderem liebevoll geschmückter großer Raum im Gartengeschoss der Kirche sorgten, kaum dass man die Eingangstür hinter sich gelassen hatte, für ein Ambiente zum Wohlfühlen. Wer, wie der Chronist, nach Tübingen den Schönbuch entlang gekommen war, am Kloster Bebenhausen vorbei, das wunderschön von der Morgensonne angestrahlt wurde, der kam wider die Jahreszeit eigentlich mit vorfrühlingshaften Gefühlen zur Feier, aberin der Kirche wurde es dann doch schnell höchst vorweihnachtlich. Für viele der Eingeladenen aus den Gemeinden Tübingen, Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen und Rottenburg war es sicher nicht einfach gewesen, zu kommen. Da sah man manche Gehhilfe, manchen Rollator, aber trotz aller Beschwernisse des Alters hatte man dabei sein wollen. Gemeinschaft erleben, mal nicht allein sein, das, was einem den Alltag gelegentlich schwer macht, in den Hintergrund treten lassen können. An der Stelle sei auch kurz erwähnt, weshalb es im Bezirk Tübingen zwei Seniorenfeiern gibt. Nicht etwa, weil sich hinter Rottenburg ein unüberwindbarer Graben zu den Gäugemeinden auftut und umgekehrt. Vielmehr ist es einfach so, dass manche es zwar noch zur Feier in Tübingen gesundheitlich schaffen. Aber mit einem gecharterten Bus nach Herrenberg fahren, das hat die Erfahrung gelehrt, da kann vielleicht noch die Hälfte der 55 SeniorenInnen, die an diesem Tag anwesend waren, an der Feier teilnehmen. Umgekehrt dürfte es für einen Teil der Senioren aus den Gäugemeinden entsprechend beschwerlich sein, nach Tübingen zu kommen.
Heinz und Christel Schneck, seit 10 Jahren als Seniorenbeauftragte für die Tübinger Gemeinden tätig, hatten wieder keine Mühe gescheut, damit es behaglich war. Ehefrau Christel, umsichtig, schaffend, hier gerade noch mal etwas gerade rücken, rasch noch ein fehlendes Tischkärtchen in wunderschöner Handschrift zaubern, dazwischen wieder mindestens drei Ankömmlinge herzlich begrüßen, sie an ihren Platz begleiten…Der Beobachter hatte das Gefühl, dass sie zur selben Zeit an mindestens drei Plätzen gleichzeitig sein kann. Ehemann Heinz überwachte, mit Glöckchen, um sich gelegentlich Gehör zu verschaffen, den Programmablauf (was nicht besagt, dass das seine einzige Tätigkeit war). Er machte den Vorschlag, erst einmal ein Schlückchen Sekt zu trinken und hörte niemanden nein sagen. Das Essen sei zwar noch nicht da, aber es werde kommen. Da war er sich ganz sicher, denn wenn jemand zuverlässig planen und organisieren kann, dann ist es das Ehepaar Schneck. Zuvor hatte Gemeindevorsteher Rolf-Dieter Kittel Worte zur Begrüßung gesprochen und im Gebet auch an die gedacht und sie in seine Fürbitten eingeschlossen, die altersbedingt nicht mehr kommen können. Und auch die nicht vergessen, die aus dem Seniorenkreis schon in die Ewigkeit gegangen sind. Nach dem Sekt würde es einfacher sein mit dem Singen, hatte H. Schneck gemeint. Recht hatte er, das zeigte sich, nachdem seine Ehefrau den Ton auf dem Klavier angegeben hatte. Die erste Strophe des Lieds war noch etwas holperig beim Singen, bis zur dritten hatte sich das gegeben. Es folgte noch ein Gedicht in Anlehnung an 1. Kor 13, in dem es um die Liebe geht. In der Advents- und Weihnachtszeit dekorieren, besonders gut kochen, sich sozial engagieren…aber nicht Jesus im Herzen haben, dann hat man nichts von Weihnachten verstanden. Liebe dekoriert vielleicht etwas weniger, aber küsst dafür auch mal den Ehemann. Sie neidet nicht anderer Luxus und schreit die Kinder nicht gestresst an. Liebe duldet, glaubt, hofft, ist uneigennützig und gibt niemals auf. Alles Irdische vergeht, aber das Geschenk der Liebe wird bleiben, so das Fazit.
Damit ging es auf 12 Uhr zu und der Caterer hatte inzwischen seine Dienste verrichtet: Das Essen angeliefert und ansprechend zum Servieren vorbereitet. Rinderbrühe mit Maultäschle, Kartoffel- und gemischter Salat sowie Kalbsbraten mit Spätzle gab es, und zwar von allem war reichlich. Nach dem Essen wurde ausgiebig miteinander geschwätzt. Manche nutzten die Sonnenstrahlen im Kirchgarten zum Träumen im Winter von Frühling und Sommer oder um sich mal die Beine zu vertreten. Den Mittagsschlaf dürfte niemand an diesem Tag vermisst haben.
Pünktlichst um 14 Uhr wieder die Glocke – Heinz Schenk wachte auf die Einhaltung des Programms. Es folgte eine Weihnachtskrippengeschichte der etwas anderen Art. Da waren nach und nach in einer Familie die Figurenklassiker, weil beschädigt, verschwunden oder aus sonstigen Gründen durch andere ersetzt worden. Die Heilige Familie und das Drumherum mal etwas anders: Donald Duck spielte den Josef, Dinos ersetzten Ochs und Esel, ein Engel fuhr Motorrad…Trotz allem Äußeren, das kann sein wie es will, eins ist gewiss, Advent kommt immer wieder!
Großes Getöse – Knecht Ruprecht und der Nikolaus waren von drauß` vom Walde mit einem Wagen voller Geschenke eingetroffen. Ersterer war nicht vollends textsicher mit seinem Gedicht, aber hatte zum Glück einen Spickzettel dabei. Und da sich in Tübingen nicht die Frage stellt, „ob gute oder böse Kind“, wie der Nikolaus wusste, bekam jeder etwas geschenkt und die Rute war überflüssig. Allerdings meinte der Heilige mit ziemlich weiblicher Stimme, er sei „a alter Kerle“ geworden, die weiten Reisen…er wolle nach ebbes Jungs schauen, das seine Nachfolge antreten könne.
Ein demaskierter Nikolaus wusste dann noch von etwas anderen Heiligen Drei Königen zu berichten. Einer war die Lebensfreude im Flickengewand, das sie über das Kind warf, weil die Menschen nichts mehr zu lachen haben. Als Zweiter kam eine absolut hektische Erscheinung, weil die Menschen einfach keine Zeit mehr haben. Sie schenkte dem Kind eine Sanduhr mit dem Rat, sich die Zeit zu nehmen, die nötig ist. Eine dritte Person kam mit einem völlig vernarbten Gesicht – die Liebe. Viel zu gut für diese Welt sei sie, daher habe sie viel zu leiden. Dieses Kind aber werde viel von seiner Zeit opfern, viel leiden, weil es die Liebe so verschwendet, prophezeite die erbärmliche Gestalt. Am Ende des Vortrags stand der Wunsch für ein glückliches neues Jahr – mit viel Liebe.
Dann kam, was schon der Nikolaus angekündigt hatte. Nach zehn Jahren wollte das Ehepaar Schneck sein Amt in andere Hände geben (In welche, wird sicher ein neuer Bericht). R.-D. Kittel oblag es zuerst, den beiden zu danken: „Wenn ihr was macht, dann macht ihr`s auch recht.“ Herzlichen Dank, viel Segen und noch viele schöne Jahre miteinander, so der Gemeindevorsteher. Werner Staiger, Gemeindeevangelist im Ruhestand, dankte im Namen aller Senioren. Eine „Schnecken-Ära“ ginge zu Ende war seine launige Formulierung. Reisen perfekt organisiert, Kaffeenachmittage und Adventsfeiern geplant, das „geht nicht mit der Hand in der Hosentasche.“ Rund 1.000 Arbeitsstunden (ohne Vor- und Nacharbeit) veranschlagte W. Staiger (mindestens). Einen Hotelgutschein für etwas Erholung am schwäbischen Meer gab es (die Schnecks sind Bodenseefans) und einen dicken Blumenstrauß dazu. „Genießt`s g`sund!“ hieß es zum Schluss. Heinz Schneck dankte für seine Frau und sich. Beide freuten sich darüber, dass ihre Arbeit so viele Unterstützer gehabt hatte. Es solle nahtlos so weitergehen lautete sein Wunsch.
Nach ausgiebigem Kaffeetrinken, Kuchen waren reichlich mitgebracht worden, ging es musikalisch weiter. Inzwischen war Reinhard Kluth gekommen, der Fachmann für die Musik. Vier Lieder am Stück mit Klavierbegleitung gesungen sorgten für Aufmunterung und verhinderten negative Auswirkungen des ausgefallenen Mittagsschlafs. Zwar rieselte nicht leise der Schnee, das gab der Tag nicht her, aber dennoch, in den Herzen wurde es warm. Und noch ein Gast kam – der stellvertretende Bezirksvorsteher im Ruhestand, Manfred Bayer, vergaß vorübergehend seinen sonstigen Unruhestand als Stadtführer im Raum Tübingen und war zu den Senioren gekommen. Er machte eine ausgiebige Begrüßungsrunde. Danach konnte er sicher sein, jede/n persönlich begrüßt zu haben, was ihm sehr wichtig war.
„Schluss mit lustig, jetzt wird gesungen!“, war laut und vernehmlich die Stimme des Manns am Klavier zu hören. Widerspruch sinnlos. Ein „Weihnachtslied-Marathon“ von „Alle Jahre wieder“ bis „O du fröhliche…“, dazwischen die im kalten Winter blühende Rose, das zu Bethlehem geborene Kindelein, die Hirten, die herbeikommen sollen und die stille, Heilige Nacht. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hatte im Sommer 2013 bei seiner Rede anlässlich der Feier „150 Jahre neuapostolische Kirche“ schon angemerkt, dass der kräftige Gemeindegesang in der Tübinger neuapostolischen Kirche beim Festgottesdienst, an dem er teilgenommen hatte, ihn beeindruckt habe...Sagen wir mal so, die Fenster im Gartengeschoss waren während der Adventsfeier geschlossen, sonst hätten die Nachbarn bei den kräftigen, lautstarken Gesängen vermutlich erschrocken gedacht, es sei schon Heiliger Abend und der Baum steht noch nicht…R. Kluth las noch die Entstehungsgeschichte des Weihnachtslieds schlechthin, das von der stillen, Heiligen Nacht, vor. Die Premiere seinerzeit in einem kleinen Dorf in Österreich am Heiligen Abend in der Kirche gab es nicht mit Orgel-, sondern völlig ungewöhnlich mit Gitarrenbegleitung. Ein Instrument, das die Dorfbewohner bis dahin noch nie gesehen hatten und es für eine Insektenfalle hielten. Und M. Bayer, inzwischen Fachmann für weihnachtliche Tübinger Bräuche, wusste noch zu aller Erheiterung auf Schwäbisch ein Gedicht in seiner bekannt verschmitzten Art vorzutragen.
Damit ging ein adventlicher Nachmittag im Kreis der Tübinger Senioren zu Ende. Und wer da keine Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest mitnehmen konnte…nein, die/den kann es nicht gegeben haben.
Herzlichen Dank an Christel und Heinz Schenk nicht nur für diesen Adventstag im Jahr 2013!