Weihnachtsfeier in der Gemeinde Gärtringen
Gegen 17 Uhr hatte sich das Kirchenschiff gefüllt. An langen, hübsch weihnachtlich geschmückten Tafeln saßen Alt und Jung gemütlich beieinander. "Richtige" Gärtringer und ehemalige, darunter auch ganz frisch erst ehemalige, die auch mit dabei sein wollten. Das zu Bethlehem geborene Kindlein hatte man gemeinsam besungen, als Gemeindevorsteher Werner Löhmann ans Mikrofon trat. Einigermaßen erleichtert, wie er sagte, weil es gab kein Textwort und keine sonstigen Vorgaben, an die sich gehalten werden musste. Derart befreit ging es an die Begrüßung. Große Freude herrschte darüber, dass so viele hatten kommen können. Aber gedacht wurde auch an die anderen, denen es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war, an der Feier teilzunehmen. "Die anderen feiern und man selbst ist allein.", das sprach Löhmann an. Am Vormittag war Apostel Martin Schnaufer zum Gottesdienst in Tübingen gewesen. Da hatte er, wie der Vorsteher berichtete, auch besonders an die gedacht, die an Weihnachten niemanden haben, zu dem sie gehen oder der sie besucht. Der Apostel erzählte von Stammapostel Streckeisen. Noch im vorigen Jahrtausend war das. Der wollte den Weihnachtsgottesdienst in Stuttgart leiten. Dazu reiste er am Tag zuvor mit dem Zug aus der Schweiz an. Viele Glaubensgeschwister wussten davon und viele luden ihn ein, den Heiligabend mit in ihrer Familie zu verbringen. Er lehnte alle Einladungen ab. Warum? Er wollte versuchen, sich in die Lage derjenigen zu versetzen, die an Heiligabend allein sind und verbrachte ihn ganz für sich in seinem Hotelzimmer.
Ehe zu viel Nachdenklichkeit aufkam, gab es noch eine Geschichte, vom Vorsteher vorgelesen: "Die etwas andere Weihnachtsgeschichte". Ein Zeitungsartikel, der das damalige Geschehen in Bethlehem in die Neuzeit transferiert. Ein Skandal. Baby in einem Stall geboren, von einer minderjährigen Mutter. Dabei ein wesentlich älterer Mann, der sich als väterlicher Beistand geriert. Die Mutter offensichtlich verwirrt, denn sie gibt an, Kindesvater sei Gott. Dazu seltsame Gestalten. Hirten, denen angeblich ein großer Mann in einem weißen Nachthemd den Weg zum Stall gewiesen hatte. Dann Leute, weit aus dem Osten kommend, angeblich adlig, die einem Stern gefolgt sein wollten. Vermutlich Hochstapler und zugekifft. Da setzt sich der Behördenapparat in Bewegung. Bis zum Abschluss der Ermittlungen erst mal vorsorglich alle inhaftiert oder in die Psychiatrie eingewiesen. Kind kommt ins Heim, die minderjährige Mutter ebenfalls. Wer kann zu den Personen sachdienliche Hinweise geben? Nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
Fröhlich gestimmt, ließ es sich besonders gut gemeinsam die fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit besingen. Inzwischen kündeten entsprechende Düfte aus der Küchengegend an, dass der Fleischkäse im Backofen die zum Verzehr erforderliche Temperatur erreicht hatte. Für die, die nicht so gut zu Fuß waren, sollte das Essen an den Tischen serviert werden aber auch für die anderen, um das Hin- und Her-Gelaufe einzuschränken. Servicekräfte fanden sich auch: Den beiden Betreuern gelang es, ihre Jugendlichen doch dazu zu bewegen, vorfeiertägliche Trägheit zu überwinden und das Essen an die Tische zu tragen. Sie nahmen es sportlich. Und wer weiß, vielleicht hat es dann doch auch ein bisschen Spaß gemacht, mal andere zu bedienen.
Später sollten noch die Kinder und die Senioren beschert werden. Die weihnachtlich verpackten Gaben zierten schon den Altar. Und wer auch unbedingt mit Blumen und einem Präsent zu bescheren war: Gemeindevorsteher Werner Löhmann. Der feiert in diesen Dezembertagen 2018 quasi "silberne Hochzeit" mit seiner Gemeinde. Fünfundzwanzig Jahre musste er die Gärtringer ertragen. "Die mich auch.", würde er vermutlich an dieser Stelle sagen. Nun, es hat sicher schon unglücklichere "Ehen" gegeben. Wir sind froh, dass wir ihn haben, auch wenn es zukünftig - rein aus zeitlichen Gründen - noch nicht einmal für die Rubinhochzeit reichen dürfte.