Ein riesiger Tannenbaum stand vorn in der Kirche.
Im Adventsgesteck, das zusammen mit vielen roten Christsternen den Altar schmückte, brannte eine von vier Kerzen. Da war nicht mehr zu übersehen, dass die Adventszeit 2015 begonnen hatte. Im vierten Jahr schon sangen die rund fünfzig SängerInnen von TonAb unter Leitung ihres Dirigenten Christof Eßwein in einem Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche in Nufringen. Sie werden dies – so ist die Tradition – an den letzten beiden Adventssonntagen auch in der örtlichen katholischen und der evangelischen Kirche tun.
Gemeindevorsteher Dietmar Marquardt leitete den Gottesdienst, vor dessen Beginn zwei Glaubensschwestern mit vierhändigem Klavierspiel für die adventlich-musikalische Einstimmung auf den Gottesdienst und andächtige Stille gesorgt hatten.
D. Marqardt ging zu Beginn auf das gerade verklungene, von TonAb gesungene Lied ein. Schwungvoll vorgetragen und keine Zweifel an der Erwartungsfreude zulassend war zu hören gewesen:
„Tochter Zion, freue dich…“ (Text F. W. Ranke, 1798 – 1876, Melodie G. F. Händel, 1685 – 1759) . Zum Schluss heißt es: „Sei gegrüßet, König mild…“. Dem schloss sich der Gemeindevorsteher gern an.
„Seid alle ganz herzlich willkommen zum Adventsgottesdienst. Seid alle gegrüßt. Wenn es im Lied heißt, der `König mild` sei gegrüßt, stellt sich die Frage, ob das damals tatsächlich der Fall war. War Jesus wirklich willkommen? Eher nicht.“ Der Gemeindevorsteher erinnerte an König Herodes, der um seine Macht fürchtete. Die Waisen aus dem Morgenland ausfragte, wo denn dieser zukünftige Konkurrent geboren worden war. Und daraufhin befahl, in Bethlehem alle Kinder zu töten, die weniger als zwei Jahre alt waren.
Einen gemeinsamen Gottesdienst am ersten Adventssonntag zusammen mit so vielen Gästen feiern zu können, zu denen sich inzwischen schon eine vertraute Beziehung entwickelt hat, das ist etwas ganz Besonderes. Einen Gottesdienst im Sinn einer Gemeinschaft mit Jesus zu erleben. Der Gottessohn hat die Bedeutung der Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen, sei es das Zusammensein untereinander als auch das mit ihm, immer besonders hervorgehoben.
Musik ist nicht nur ein Genuss für die Sinne, sondern sie berührt die Seele. Dankbarkeit ist angesagt dafür, seine Sinne haben zu dürfen. Dafür, dass man Musik wahrnehmen kann. Was nicht selbstverständlich ist. Es gibt viele Behinderungen und Krankheiten, die dem im Weg stehen können.
Adventszeit – äußerlich werden in unseren Breiten die Tage kurz und die Nächte länger. Kerzen werden angezündet und bringen ein warmes Licht. Die Wochen vor Weihnachten sind die Zeit der Besinnung auf die Bedeutung des bevorstehenden Christfests: Jesus wurde geboren, um den Menschen Heil zu bringen. Sich zu besinnen mag schwerfallen angesichts der grausamen Geschehnisse in den letzten Tagen weltweit und ganz besonders auch in Europa. Da mag keine rechte Freude aufkommen. Man fühlt sich mitbetroffen. Die Frage kommt auf: Gibt es Gott wirklich? Aber, D. Marquardt nannte ein sehr praktisches Beispiel: Auch wenn manche die Notwendigkeit, Haare zu schneiden und zu pflegen, aus welchen Gründen auch immer, ignorieren, Friseure sind damit nicht aus der Welt. Dass Gott das Böse zulässt, bedeutet nicht, dass es ihn nicht gibt. Er lässt auch das Gute zu. Stellen wir seine Existenz nicht in Frage.
„Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ (1. Joh 1, 17)
Dieser Bibeltext war zu Beginn verlesen worden. Darauf eingehend stellte D. Marquardt Neues und Altes Testament einander gegenüber: Ersteres geprägt durch die mosaischen Gesetze. Letzteres durch Gnade und Wahrheit in Jesus Christus. Das Alte Testament kannte so viele Gesetze, die eigentlich kein Mensch restlos erfüllen konnte. Was sagt es uns vom Grundsätzlichen her bis in die heutige Zeit? Da geht es um die Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen und der zwischen Gott und Mensch. In der Praxis um soziales Verhalten untereinander. Miteinander reden. Den Anderen respektieren und Vieles mehr. Letztlich ein Ideal, dem niemand vollständig gerecht werden kann. Wie man auch Gott gegenüber aus eigener Kraft nicht gerecht zu werden vermag. So kann der Mensch aber zur Erkenntnis gelangen, dass er auf Gnade angewiesen ist. Das leitet über zum Kern des Neuen Testaments: Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus. Letztere bot der Gottessohn an. Wer nach ersterer fragt, solle zu ihm kommen. Und Gnade? Dazu gab es im Alten Testament den Opferdienst, um Gott geneigt zu machen, über menschliche Verfehlungen hinwegzusehen. Mit der Gnade in Jesus Christus kam mehr. Der Mensch kann von seiner Schuld befreit werden. Jesus allein konnte vollkommen das alte Gesetz erfüllen. Er lebte, ohne zu sündigen. Unter widrigsten Umständen. Bis zum bitteren Ende. Um der sündigen Menschen willen, die das nie schaffen werden. Er liebte sie dennoch und schenkt ihnen Gnade, vollkommene Erlösung von ihrer Schuld.
Die Menschen sind gefordert, ihr Geschenk an andere weiterzugeben. Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Das bedeutet die ständige Aufforderung, an sich selbst zu arbeiten. „Verändern können wir die Welt nicht, wohl aber, etwas dazu beitragen, sie lebenswerter zu machen. Eine nie endende Aufgabe, aber auch eine schöne, an der wir gern arbeiten dürfen.“
TonAb besang nun den Wandel, der durch die Geburt des Christuskindes eintrat: „When a child is born: A ray of hope flickers in the sky…“ (Music by Zakar, Arr. C. Eßwein)
Ein Priester der Gemeinde Nufringen griff das anschließend auf: Christi Geburt als Wende von einer zuvor nur begrenzt möglichen, weil nur aufschiebenden Wirkung der Folgen von Sünde hin zur Möglichkeit der Befreiung davon durch Jesus` Opfer. Das war Gottes Wille. Mit dem Ersten Advent an diesem Sonntag beginnt ein neues Kirchenjahr. Advent findet seinen Abschluss mit Weihnachten. Eine befristete Zeit. Den wahren Abschluss wird es mit Christi Wiederkunft geben. Wenn er, so ist es verheißen, alle zu sich nehmen wird, die an ihn geglaubt haben. Darauf warten wir. Es gilt, sein Opfer anzunehmen, um durch ihn vollkommene Gnade erfahren zu dürfen. Jesus hat die mosaischen Gesetze nicht aufgehoben. Die blieben. Aber dazu kam das Gebot der Liebe, das in den Herzen der Menschen verankert sein soll. Das zu leben, ist niemals falsch, auch wenn es gelegentlich falsch ankommen mag.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls verwies der Gemeindevorsteher darauf, dass wohl niemand von sich behaupten könne, immer alles richtig gemacht zu haben. Es bleibt die Aufgabe, ständig an sich zu arbeiten. Eine Sisyphusarbeit. Wie oft glaubt der Mensch, jetzt habe ich es geschafft, und – er muss wieder von vorn anfangen. „Kämpfen wir gegen unsere Fehler, der Nächste wird es uns danken.“
Zum Schluss des Gottesdienstes war noch einmal TonAb zu hören, lebendig und fröhlich:
„…denn es ist Weihnachtszeit: Als aller Hoffnung Ende war im dunklen Weltenlauf da ging im Stall von Bethlehem der Stern der Liebe auf.“
(Text Heinz Korn, 1920 – 2000)
Der Gemeindevorsteher lud alle herzlich ein, noch zu bleiben. Bei Speis und Trank. Da war Vieles liebevoll und reichlich, völlig unschwäbisch(?), für ein Buffet vorbereitet worden, dessen Köstlichkeiten, wenn überhaupt, nur schwer zu widerstehen war. Schon am Morgen beim Betreten des Foyers der Kirche hatte es höchst animierend nach frischen Butterbrezeln gerochen. Die und Vieles andere wurden nun in fröhlicher Runde gemeinsam genossen. Blitzschnell waren die Kirchenstühle beiseite geschafft und durch Stehtische ersetzt worden. Die Geräuschkulisse war nicht unbeträchtlich, denn man stand bunt gemischt beieinander und hatte sich viel zu sagen.
Ein Nachtrag: von Nufringer Christbäumen…
Einer stand in der Kirche rechts vom Altar, hübsch geschmückt und vom Boden bis zur Decke reichend. Wer Fotos vom Samstag davor zu sehen bekommt, als der Baum aufgestellt und geputzt wurde, kann die akrobatischen Leistungen einiger Nufringer Gemeindemitglieder nur bewundern. Schwindelfreiheit der Akteure war dabei das Mindeste, das gefordert war. Ein zweiter riesiger Baum schmückt in der Adventszeit 2015 den Nufringer Marktplatz. Ein Prachtexemplar seiner Gattung. Leider nicht nur, was seine ausladenden Äste angeht, sondern auch, was seine Wurzeln betraf. Die arbeiteten sich langsam, aber sicher unterirdisch bis zum Nachbargarten vor und führten dort zu Verwerfungen und Stolperfallen. Es half nichts, die Tanne auf dem Grundstück der Nufringer neuapostolischen Kirche konnte nicht dort bleiben. Sie wurde der politischen Gemeinde angeboten. Deren Mitarbeiter fällten den Baum und stellten ihn auf dem Marktplatz auf. Lichtergeschmückt verbreitet er dort vorweihnachtliche Stimmung. Als kleiner Trost: Wenn schon ein Abschied von der vertrauten Kirchentanne sein musste, dann immerhin kein völlig abrupter. Und ein glanzvoller darüber hinaus.