Mitglieder von vier Kirchengemeinden im Bezirk Tübingen dürfen eine besondere Osterfreude erleben.
"Komm, Seele, komm!"
"Ein frohes, reich gesegnetes Osterfest!", wünschte der Bischof zu Beginn den Glaubensgeschwistern aus Ammerbuch-Pfäffingen, Bondorf, Mötzingen und Rottenburg, die gemeinsam für ein volles Gotteshaus am Ostersonntagmorgen gesorgt hatten. "Wunder kann man nicht erklären.", knüpfte Heiniger an den Refrain des anfangs gesungenen Lieds des gemischten Chors an: "...o wie wunderbar, ... immer wieder rühm ich`s neu, ... o wie wunderbar ist des Lammes Lied und Treu!" (aus "Ich sinke still und anbetend...", Nr. 236, Chorbuch für den neuap. Gottesdienst, Text nach Charles Homer Gabriel, 1856 - 1932). Wunderbar, dass nach Karfreitag Ostern kommt. Momente gibt es, in denen man nicht weiß, wie es weitergehen soll, man hat keine Kraft zum Glauben mehr, und dann kommt Ostern. Daran zu denken, verleiht innere Sicherheit.
"Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich
ihn aufrichten. ... Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte." (Joh 2, 19 u. 22). Dieses Bibelwort lag dem Gottesdienst zugrunde. Die Jünger werden Jesus gefragt haben, was ist Auferstehung? Da hatte es zwar zuvor schon das Wunder der Auferstehung des Lazarus gegeben, den Jesus wieder zum Leben erweckt hat. Mit Ostern aber nicht gleichzusetzen, denn der Verstorbene kam zurück ins irdische Leben mit dessen Gesetzmäßigkeiten. Jesus` Auferstehung ist etwas völlig anderes. Die Frauen, die damals nach dessen Tod zu seinem Grab gingen und den Leichnam nicht mehr vorfanden, davon berichteten, wurden erst einmal nicht ernst genommen. Weil es für niemanden nachvollziehbar war, was sie erzählten.
Es folgte die Lesung (Mt 28, 1 - 8, überschrieben: "Jesu Auferstehung") Die Frauen damals, so wird es in dem Text geschildert, gingen zum Grab des Gottessohns, um den Leichnam zu salben. Und das, obgleich sie wussten, dass der Zugang mit einem Stein gesichert und von Wächtern gehütet wurde. Wie sollten sie ihr Vorhaben realisieren können? Niemand konnte das wissen und doch, sie gingen hin. Mussten es einfach tun - aus Liebe zu ihrem Herrn. Der Schlüssel ist die Liebe, die Dinge tun lässt, auch wenn die Ratio dagegen spricht. Die Seele wird durch die Liebe zum Handeln gedrängt. Ostern ist auch nur mit Gottes Liebe zu erklären, der Verstand kann es nicht. Der tut das, was die Frauen vom leeren Grab berichteten, wie die Männer damals, als "Geschwätz" ab. Die Menschen begriffen nicht sofort, was die Auferstehung war: Keine Rückkehr Jesus` aus dem Reich der Toten, sondern etwas ganz anderes.
Auferstehungsglaube braucht Zeit. Er ist nicht gleichzusetzen mit einem Nichtwissen oder etwas für wahr halten, deshalb "nehme ich an ...". Dieser Glaube setzt voraus, sich zuerst damit zu beschäftigen, was Jesus gesagt, wovon er gezeugt hat. Dem Raum im eigenen Herzen geben, damit seine Worte dort wirken können. Daraus kann Glaube entstehen.
Nach dem Tod des Gottessohns waren die Jünger traurig und mutlos. Als sie dem Glauben Platz zur Entfaltung in ihren Herzen geben, Jesus` Wesen verinnerlichen konnten, wurde ihnen klar: Seine Worte stimmen, sind wahr ohne Abstriche. Die Jünger konnten auf Gottes Macht vertrauen. Erkennen, dass es keine größere Kraft gibt. Wissend, dass sie den Tod besiegen kann. Die Zuversicht gewinnen, dass Jesus weiter wirkt über den Karfreitag hinaus. Das gab ihnen Kraft, Opfer zu bringen und zu dienen. Das eigene Ich zurücklassend mit Begeisterung das Evangelium weitertragen können. Zum Beispiel Petrus. Bei der Verhaftung Jesus` verleugnete er seinen Herrn. Die Angst des Jüngers war größer als die Freude am Herrn. Später vor dem Hohen Rat hatte er die Sicherheit, seinen Glauben bekennen zu können. Das alles bewirkt die Auferstehungskraft.
Und was bewirkt sie in unserer Seele? Sind wir sicher, dass Auferstehung wahr ist und keinen Symbolcharakter hat? Dass Jesus` Worte wahr sind und sich erfüllen werden, lebt das in uns? Da mag einem bange werden, wenn man sieht, dass die Gemeinden in heutiger Zeit "schrumpfen". Man mag sich fragen, ob es in zehn Jahren überhaupt noch Gottesdienste geben wird. Das sind so "Karfreitagsgedanken". Der Auferstehungsglaube bleibt nicht stehen bei der Erinnerung an das, was einmal war. Der macht sicher: Wir sind da, wo Gott sein Werk vollenden will.
Die eigenen Überlegungen geben keine Sicherheit. Mit Jesus vorwärtsgehen. Damit ist für mich sicher, dass Gottes Plan gelingen wird. Auch wenn der Verstand Hindernisse sieht. Jesus beginnt nicht nur, er vollendet auch sein Werk. Nicht meine Vorstellungen zählen in Gottes Werk. Er selbst lenkt es, durch die Apostel. Auch das ist Sicherheit, denn die beten und ringen um die richtige Eingebung von ihm mittels des Heiligen Geistes bei allen ihren Entscheidungen. Auch dann, wenn es "nur" um profane, organisatorische Dinge geht. Jesus regiert seine Kirche, nicht menschlicher Geist. Der Auferstehungsgedanke gibt Mut und Kraft, weiterzumachen.
Das gilt gerade auch für die älteren Glaubensgeschwister. Sie haben Pionierarbeit in schwierigen Zeiten geleistet - und jetzt? Was kann ich denn jetzt noch tun, könnten sie sich fragen. Keine Sorge. Die Kraft zum Beten ist geblieben. Und andere, zum Beispiel, können singen und setzen ihre Fähigkeiten und ihre Zeit dafür ein. Jeder kann Opfer bringen. Immer mit der Einstellung, ich bin nur Diener. Ich weiß nicht alles und das ist auch gar nicht notwendig.
Da mag sich mancher Amtsträger, der sich um das "verirrte Schaf" kümmern möchte, fragen, ich habe schon so viele Anstrengungen unternommen, was soll ich denn jetzt bloß noch tun, um zu helfen. Es gibt Konflikte, wie sie lösen? Viele fehlgeschlagene Versuche. Trotzdem - immer wieder dem Nächsten zeigen, dass er geliebt wird. Nicht ruhen damit. Sich ein Beispiel nehmen: Die Frauen damals waren ihrem Jesus treu bis zum Grab.
Auferstehungsglaube bedeutet, mit Begeisterung ein Gotteskind zu sein. In einer Zeit, in der alles relativiert wird, das Evangelium zu leben. Ich warte auf die Wiederkunft Christi. Nichts fällt einem dabei in den Schoß. Ich muss mir Zeit für meinen Glauben nehmen und Gottes Wort Raum in meinem Herzen geben. Das gibt Sicherheit im Blick auf die Wiederkunft Jesus`.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank würdigte die Bedeutung der kirchlichen Hochfeste als Anlass, Geist und Seele auf das Wesentliche auszurichten. Im Rückblick auf Karfreitag Ostern zu feiern. Beide sind verbunden durch die Liebe - die Gottes und die der Menschen. Jesus` Opfer geschah aus Liebe. An dem alles hängt. Auch ohne ihn kann ich ein erfülltes Leben haben, eine glückliche Ehe führen, eine erfolgreiche Karriere machen. Aber damit habe ich nicht die Herrlichkeit Gottes. Die erreiche ich nur mit Jesus. Sich darin nicht beirren lassen: Jesus steht auf deiner Seite. Auch wenn du krank bist oder sonst enttäuscht. Ohne Karfreitag gibt es kein Ostern. Jesus damals konnte sagen: Es ist vollbracht. Vollende auch du dein Werk. Bleib nicht stehen. Sieh auch an Karfreitagen die Auferstehungskraft. Leben wird sich die Bahn brechen. Auch heute schickt Gott Wunder seiner Liebe und Gnade. Wir wollen in unserer Zeit Auferstehungskraft neu erleben.
"Der Mensch muss sich dazu entscheiden.", fuhr Heiniger fort, nachdem ein männliches Gesangsquintett eine beeindruckend schön gesungene Einladung zum Ausdruck gebracht hatte: "Komm zu dem Lebensquell in Jesu Christ...",. Das Eingangszitat dieses Berichts ist dem Refrain des Lieds entnommen. Schon ein Kind muss lernen, Entscheidungen zu treffen, fuhr der Bischof fort. Abwägen, was die Vor- und Nachteile einer Sache sind. Das gilt auch für das Angebot Gottes. Da könnte ich lange nachdenken und zögerlich vor mich hinleben. Zu Jesus zu kommen, heißt, alle Bedenken beiseite zu tun und ihm nachzufolgen. Viele legen ihr Konfirmationsgelübde ab und dann? Nicht den Glauben daran verlieren, dass göttliche Kraft wirkt. Ostern mahnt, den Auferstehungsglauben zu leben im Wissen, dass Gott alles gut macht. Jesus` Opfer nimmt hinweg, was bedrängt. Im Heiligen Abendmahl die Kraft bekommen, sich durch Hindernisse vom Glauben nicht abhalten zu lassen.
"Schön, mit euch Ostern zu erleben.", hieß es nach dem Gottesdienst. Der Bischof gab noch den Rat, Denkanstöße in der Predigt zu suchen und zu finden, so ausdauernd wie Kinder ihre Ostereier. "Ostern gibt so viele Impulse, in denen Kraft liegt. Das Erinnern daran wird uns in den kommenden Tagen gemeinsam bleiben."
Bleiben soll auch der Nachklang des bereits am Anfang des Berichts angesprochenen Liedes, deshalb hier den Text der ersten Strophe:
"Komm zu dem Lebensquell in Jesus Christ,
sieh, wie er heut so hell allen nur fließt.
Komm hier gibt`s Brot und Wein,
komm nur recht arm und klein,
Jesus will gnädig sein.
Komm, Seele, komm!"
(Hermann Ober, 1926 - 2006)