Ein besonderer Gottesdienst für die Glaubensgeschwister aus den Gäugemeinden des Bezirks Tübingen
Herr, mein Gott, ich traue auf dich,
auf dich, mein Gott, den Hort meines Heils;...
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 203, Text nach Ps 71, 1 - 5)
Dieses Lied hatte zu Beginn der gemischte Chor gesungen. "Ganz herzlich willkommen!", begann Apostel Martin Schnaufer, nachdem es verklungen war. Sonntag, der Tag, an dem Gott im Mittelpunkt steht. Für die Seele der Tag der Begegnung mit ihm. Die versucht man zwar an jedem Tag zu finden, aber im Alltagsgeschehen gelingt es nicht immer. Der Sonntag ist da etwas Besonderes. "Du Gott, Hort meines Heils", wurde aus dem Lied zitiert. Damit er das sein kann, bedarf es des Vertrauens. Man muss bereit dazu sein. Dann kann ich die Perspektiven sehen, die über das Irdische hinausgehen und die Gott gab, indem er seinen Sohn Mensch werden ließ. Damit der ewiges Heil erfährt, das ihn aus irdischen Grenzen herausführen kann. Er muss aber auch bereit sein, sich führen zu lassen. Dazu gehört, sich nicht von den Irdischen Verhältnissen vereinnahmen zu lassen. Gottes Liebe will, dass du Freude, Mut und Kraft hast und so in die Zukunft schaust. Unsere Sache, das anzunehmen. Es gab von Jesus kein Wort des Vorwurfs, als er, scheinbar gescheitert, vor Jerusalem stand, dessen Einwohner sein Heil nicht gewollt hatten. Nur Bedauern: Ihr habt nicht gewollt.
"Als Jesus den liegen sah und vernahm,, dass er schon so lange gelegen hatte,, spricht er zu ihm: Willst Du gesund werden?" (Joh 5, 6, Die Heilung eines Kranken am Teich Bethesda)
So lautete das eingangs verlesene Bibelwort. "Was für eine Frage, willst du gesund werden, wenn jemand 38 Jahre an einem See gelegen hat, um die Chance zu bekommen, geheilt zu werden.", begann der Apostel auf das damalige Geschehen einzugehen. Wie viele Menschen mögen in der langen Zeit achtlos an dem Kranken vorbeigegangen sein. Jesus nahm ihn wahr. So wie Gott jeden sieht und jeden, wie er ist. Willst du gesund werden? Gott wendet sich jedem zu, aber er zwingt niemanden. Willst du das Heil, das er anbietet, annehmen, so wie es ist? Oder hast du etwa deine eigenen Vorstellungen, wie es aussehen soll?
Jesus sagte zu dem Kranken: Steh auf! Der tat es und...es funktionierte. Wenn Glauben und Vertrauen da sind, dann beeinflusst das unsere Lebensführung, weil wir das Bedürfnis haben, dass es so sein soll. Der Gelähmte damals, auf seine Situation angesprochen, verwies darauf, dass er über die lange Zeit niemanden gehabt habe, der ihn, wenn der Moment der Heilung da war - das Wasser des Sees bewegte sich - ihn dorthin getragen hätte. Eine ganz normale menschliche Reaktion. Ich will zwar, eigentlich, aber die Umstände...Sie können auf geistigem Gebiet lähmen. Das Glaubensleben hat seinen Glanz verloren. Die Predigt ist auch nicht so, dass sie mich packen könnte. Es gibt nun mal keinen vollkommenen Amtsträger. Zum Glück, denn wie sollte der mich auch verstehen können. Oder denken, was da vom Altar kommt, passt das überhaupt noch in die heutige Zeit? Wenn ich wirklich "geheilt" werden will, wenn das Priorität hat, dann dürfen diese Gedanken keine Rolle spielen.
Vielmehr sich die Frage stellen, wenn solche Unmutsempfindungen kommen, was ist meine Verantwortung dafür, dass es ist wie es ist. Was kann ich selbst zum Gemeindeleben beitragen. Sich nicht auf die Konsumentenrolle zurückziehen. Im Gottesdienst wollen wir die Begegnung mit Gott und nicht die mit einem guten Rhetoriker. Daran arbeiten, dass einen nichts lähmt. Den eigenen Beitrag dazu bringen. Nicht fordern, sondern selbst etwas tun. Letztlich haben alle in der Gemeinde ein gemeinsames Ziel.
Nimm dir Zeit für einen Gottesdienst. Sich schon vorher damit beschäftigen, worum es dabei geht. Im Nachklang sich Gedanken machen, wie ich das Gehörte sinnvoll mit in meinen Alltag hineinnehmen kann. Willst du das Heil, dann ist dein Mitmachen gefordert. "In meiner derzeitigen Lage, da kann ich einfach nicht mitmachen. Gott soll erst mal meine Probleme lösen und dann..." Man kann Gott, der eh alles weiß, keine Vorschriften machen. Auch das würde zur geistigen Lähmung führen. Gerade weil du ein Problem hast, beschreite den Weg, der dich wirklich weiterbringt. Hab einfach Vertrauen zu Gott und mach ihm keine Vorschriften.
Es gibt den geflügelten Satz, auf meine Vorurteile kann ich mich blind verlassen. Versöhnen kann ich mich nicht. Es steht fest, der Andere ist schuld. Er soll auf mich zukommen. Damit kann es keine Veränderung zum Besseren geben. Es gibt auf der ganzen Welt nur einen Menschen, den du ändern kannst: Dich selbst. Es ist eine Befreiung, den ersten Schritt zu tun. Ich kann so selbst dazu beitragen, dass das Heil in meine Seele kommt. Willst du deinem eigenen Zustand, der Lähmung auf geistigem Gebiet, nicht selbst ein Ende machen? Damit sie nur ein temporäres Problem ist und kein Dauerzustand. Jesus hat sein Opfer dazu gebracht, dass du reinen Tisch machen kannst. Der Gottessohn ist da, er ist der Weg. Es kommt darauf an, dass du ihn auch gehst.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank ging davon aus, dass wohl jeder schon einmal diesen Lähmungszustand erlebt hat. Eine medizinische Diagnose, die einem den Boden unter den Füßen wegreißt. Ein Hausbrand, der alles Hab und Gut vernichtet, und dann? Allein schafft man es nicht, das zu bewältigen. Da braucht es Hilfe von Freunden, Nachbarn, Verwandten. Gott weiß das. Er gibt Helfer zur Seite. Aus aktuellem Anlass sprach der Bezirksälteste eine solche Situation, die mit seinem Amt verbunden sein kann, an - ein Vorsteherwechsel steht bevor und jetzt? Auf Gott vertrauen. Er wird lebendig machen, wie es weitergehen kann. Er "regiert" nicht entfernt vom Himmel, sondern schickt Menschen, die uns weiterhelfen können. Jesus ist der Weg zum Heil. Ist ganz einfach - wenn unser eigener Kopf uns nicht im Weg steht. Der Gottesdienst gibt uns die Nähe zum himmlischen Vater. Aber nur, wenn wir das, was wir hören, im Glauben ergreifen.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls ging der Apostel noch einmal auf die Versöhnungsbereitschaft ein. Das kann, je nachdem, was vorgefallen ist, schwerfallen. Nicht auf Anhieb gelingen, sondern seine Zeit brauchen. Gott sieht das Bemühen, das "Ja" zum Gesundwerden. Nicht aufgeben, denn es geht darum, auf ewig beim Herrn sein zu können.
Im Gottesdienst sollte auch eine Heilige Versiegelung stattfinden, das Sakrament, durch das der Gläubige unter Handauflegung und Gebet eines Apostels die Gabe des Heiligen Geistes empfängt. Zwei junge Menschen waren dazu an den Altar gekommen. Zwei, die ihr Leben noch vor sich haben, wie Schnaufer sagte: Berufs- und Partnerwahl und Vieles mehr an Herausforderungen. Dabei Gott mit "im Boot" zu haben mit seinem Angebot: "Willst du, dass ich dir helfe?", das gibt Sicherheit. Sein Geschenk, das in der persönlichen Gnadenzeit jedes Einzelnen liegt, nutzen. In einer Gemeinschaft, die mal Defizite haben kann, aber vom gemeinsamen Wollen getragen ist und in der einer dem anderen helfen möchte.
Schon vorher vom Bezirksältesten angesprochen, es sollte an diesem Sonntag im Bezirk Tübingen einen Vorsteherwechsel geben. Aus gesundheitlichen Gründen trat Evangelist Gotthilf Kohfink vorzeitig in den Ruhestand. Als sein Nachfolger im Amt des Gemeindevorstehers für Jettingen wurde Priester Erich Maier ordiniert. Schnaufer würdigte Kohfink als einen Vorsteher, der, was nicht selbstverständlich ist, jeden Tag sein ganzes Herz an seinen Amtsauftrag gehängt hat. Dem Seelsorge ganz wichtig war, auch "bei Gegenwind". Das sei segensreich für die Gemeinde gewesen und werde sich auch in der Zukunft positiv für die Glaubensgeschwister dort auswirken. Der Evangelist habe aus seiner eigenen inneren persönlichen Haltung heraus in Demut seinen Amtsauftrag wahrgenommen. "Mit Ihrer Familie zusammen soll Ihnen ein freudiger Ruhestand beschert sein."
An den Nachfolger gerichtet hieß es: "Ich freue mich für die Gemeinde Jettingen, dass Sie dort Vorsteher sein werden. Als Werkzeug, um den Ihnen Anvertrauten zu dienen." Mit Jesus im Mittelpunkt, der helfen wird. Und es gab noch einen Tipp aus der Praxis heraus: Auch ein Vorsteher muss nicht glauben, dass er nun alles in der Gemeinde selbst zu machen hat.
Ein Diakon wurde für die Gemeinde Öschelbronn ordiniert. Ein geistliches Amt werde das sein, wie der Apostel betonte. Mit der Vollmacht verbunden, einen Auftrag zu erfüllen. Im Wissen, dass auch mein Vorangänger nicht perfekt ist und sein kann. Sich in Demut Gott als Werkzeug zur Verfügung stellen. Und wenn die bange Frage kommt, wie soll das bloß alles werden, dann Jesus` Hilfsangebot ergreifen.
Der Chor wusste den passenden musikalischen Abschluss:
"Alle eure Sorge werfet auf ihn,
denn er sorgt für euch."
(Chorliederbuch Nr. 153, Text 1. Petr 5, 7)
Ein so kurzer Text, dass es wohl keine Mühe machen werde, ihn nicht zu vergessen, so dazu die launige Schlussanmerkung des Apostels.