Besuch der Tailfinger Gedenkstätte zur Erinnerung an den dortigen Flugplatz in der Zeit des Zweiten Weltkriegs
Sonne satt hatte der Wetterbericht schon am Anfang der Woche versprochen. Und die gab es auch. Es war der bis dahin wärmste Tag des Jahrs 2017. Mehr als 30 Teilnehmer waren der Einladung zur Wanderung gefolgt. Auf dem Parkplatz vor dem Haifinger Mostbesen, "Auf dem Lindenhof 1", kamen sie pünktlich um 14.30 Uhr zusammen. Große Freude beim Wiedersehen der Senioren aus allen Kirchengemeinden des Gäus. Renate Wießner, Seniorenbeauftragte, und eine ihrer Freundinnen hatten keine Mühe gescheut, damit bloß nichts schiefging: Schon im Vorfeld wurde ein Anhänger mit Getränken und Bechern bei der Gedenkstätte abgestellt. Außerdem wurden für den Vortrag vor dem Gedenkstein Sitzbänke mit Auflagen deponiert, damit niemand stehen musste und jeder halbwegs bequem sitzen konnte. Damit nicht genug. Um an den vielen Kreuzungen auf dem Weg dorthin die richtige Straße zur Wirtschaft zu nehmen, waren an den entscheidenden Stellen Besen mit gelben Luftballons in den Boden gesteckt worden, damit bloß keiner vom rechten Weg abkam. Renate Wießner musste leider schon von einem Schrecken in der Morgenstunde berichten: Ein Anruf der Wirtsleute. Der Nachbar habe ein Wasserrohr angebohrt und den Besen damit trocken gelegt. Weitere Folge ein Stromausfall. Der wurde zum Glück bis zum Nachmittag behoben, denn sonst hätte es nur kaltes Vesper gegeben. Und das, wo so Mancher sich schon aufs Sauerkraut gefreut hatte. Es blieb die fehlende Wasserzufuhr, aber auch dafür wird sich eine Lösung gefunden haben.
Fast pünktlich wurde losgewandert. Nicht auf dem kürzesten Weg, denn das wären nur zehn Minuten gewesen. Eine halbe Stunde sich bewegen musste schon sein, bevor man die Gedenkstätte auf - geplanten - Umwegen erreichte. Dort waren inzwischen auch die eingetroffen, die sich aus gesundheitlichen Gründen das Wandern nicht mehr zutrauten. Mit dazu kommen wollten sie aber auch, das schöne Wetter genießen, Bekannte treffen und raus aus den eigenen vier Wänden. Jeder suchte sich einen Sitzplatz, Getränke wurden gereicht und Renate Wießner begrüßte alle, bevor sie Priester i. R. Winfried Kußmaul bat, über den Flugplatz, teils als Zeitzeuge, teils von dem, was Ältere ihm erzählt hatten, zu berichten.
Ursprünglich war auf dem Flugplatzgelände ein Eichenwald gewesen. Die Bewohner der umliegenden Ortschaften, Hailfingen, Tailfingen und Bondorf, hatten dort ihr Deputat gehabt. Ihnen war ein bestimmtes Waldstück zugewiesen. Da holten sie sich ihr Holz zum Heizen im Winter. Die Begeisterung konnte nicht groß sein, als 1938 die damalige Regierung verfügte, dass dort ein Flugplatz gebaut werden sollte. Es gab Zwangsenteignungen und der Wald wurde abgeholzt. Was auch zu einer Veränderung des Mikroklimas führte. Es gab wieder mehr Regen im Gäu. Durch die nunmehr kahle Fläche blieb der nicht mehr auf der Hochfläche, "gefangen" durch den Wald, sondern zog weiter ins Gäu. Kriegsgefangene, sonstige Inhaftierte und Juden mussten die schweren Arbeiten verrichten. Erst die Holzarbeiten, anschließend das Ranschleppen des notwendigen Baumaterials für die Start- und Landebahnen aus zwei Steinbrüchen in der Umgebung. Geschätzte Entfernung vier bis fünf Kilometer. Danach dann weitere schwere körperliche Arbeit beim eigentlichen Bauen und dem Herrichten der Bahnen. Das Ganze bei strenger Bewachung und völlig unzureichender Ernährung. Es wurde sogar ein Gleisanschluss nach Nebringen zur dortigen Bahnstrecke gelegt. Flugzeuge lagerte man in einer Halle im nahe gelegenen Bondorf. Wen die weiteren Einzelheiten interessieren, den verwies der Vortragende auf eine Dauerausstellung im Tailfinger Rathaus (siehe Bericht über einen Besuch der Jugendlichen des Kirchenbezirks Tübingen dort und an der Gedenkstätte).
Kriegsende - am 18.04.1945 kamen die Franzosen als Besatzungsmacht nach Bondorf. Zuvor hatte man gehört, dass sie bereits in Freudenstadt einmarschiert waren. Sofort machte man sich an die Sprengung des Flugplatzes und seiner Einrichtungen. Die Franzosen bauten später alles notdürftig wieder auf und nahmen den Flugplatz in Betrieb, bis er 1948 wieder gesprengt wurde. Am 2. Juni 1945 entdeckten sie ein Massengrab mit verstorbenen Gefangenen. Die Bewohner Tailfingens und Bondorfs wurden von den Franzosen zur Exhumierung gezwungen. Lange Zeit später wurde ein zweites Massengrab entdeckt. Diese Opfer eines grausamen politischen Systems wurden in Tailfingen auf dem dortigen Friedhof bestattet. Dieses Grabfeld besteht bis heute.
Der Flugpatz oder das, was davon übrig war, wurde in den Jahren danach für Autorennen genutzt. 1972, als der Stuttgarter Flughafen zu klein wurde, kam der Gedanke auf, ihn auszubauen. Was bedeutet hätte, dass die Flugschneise in östlicher Richtung über Tübingen gegangen wäre. Die Universitätsstadt wehrte sich erfolgreich dagegen, unter anderem mit dem Argument, dass die Patienten der zahlreichen medizinischen Kliniken dort ihre Ruhe bräuchten.
Danach beließ man den Flugplatz so wie er war. Das gesamte Gelände um die Gedenkstätte herum steht heute unter Naturschutz. Zu erwähnen ist noch, dass in einem steinernen Monument die Namen aller eingraviert sind, die beim Flugplatzbau Opfer von Gewalt und Unmenschlichkeit wurden.
Ein herzlicher Dank an den Vortragenden, bevor es bei immer noch strahlendem Sonnenschein zurück zum Mostbesen ging. Ein ganz großes Lob haben sich auch Renate Wießner und ihr Team verdient, die mal wieder an alles gedacht hatten, damit der Nachmittag gelang. Bewundernswert.