...ein volles Gotteshaus am Donnerstagabend; aus dem gesamten Kirchenbezirk Tübingen waren außer den einheimischen Glaubensgeschwistern Amtsträger, teils aktiv und viele schon im Ruhestand, mit ihren Ehefrauen zum Gottesdienst gekommen.
"...nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du."
(Ende der dritten Strophe, Nr. 371 neuap. Gb., Text Kornelius Friedrich Adolf Krummacher, 1824 -1884)
...alles, Herr, bist du, so endet jede der drei Strophen des zu Beginn des Gottesdienstes gemeinsam gesungenen Lieds. Das wieder in den Mittelpunkt neuapostolischen Glaubens zu rücken, war Apostel Martin Schnaufer an diesem Abend ein besonderes Anliegen.
Der gemischte Chor hatte zu Beginn im Lied die Frage gestellt, "...wer will uns scheiden von der Liebe Gottes..." (Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 400, Text Röm 8, 35, 38 u.39) "Ein schöner Auftakt.", knüpfte der Apostel daran an. "Gott hält uns in seiner Hand. Nicht jeden Tag leicht, das so zu sehen. So habe ich mir das aber nicht vorgestellt? Der Gedanke ist schnell da. Und trotzdem: Nichts, was sich ändert, auch keine Veränderungen, die wir im Lauf des Lebens an uns selbst feststellen, egal, weder Höhen noch Tiefen, egal, wo wir uns befinden, Gottes Liebe ist einfach da.
"Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat;" (Hebr 10, 23). Dieser Text aus dem Hebräerbrief, Verfasser unbekannt, lag dem Gottesdienst zugrunde. Schnaufer erläuterte dessen historischen Kontext: Die Hebräer, Christen, die wohl jüdischen Hintergrund hatten, waren in ihrem Glaubensleben im Lauf der Zeit, die inzwischen vergangen war, nicht mehr so eifrig wie zu Beginn ihrer Bekehrung. Der Briefschreiber will sie aufrütteln: "...festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; ..." Der, der das verheißen hat, ist treu. Anders als ein Mensch. Der verspricht oft etwas und, trotz bester Absicht, will es ihm nicht immer gelingen, alles umzusetzen, was er sich vorgenommen hat. Dagegen ist Gott der Allmächtige. Dessen Wort durch nichts, was auch immer sein mag, relativiert werden muss.
Wir hoffen immer noch und warten darauf, dass Jesus wiederkommen wird. Ist diese Hoffnung in uns immer noch so lebendig wie früher? Es hat sich an der Verheißung nichts geändert. Außer, dass wir ihrer Erfüllung, je nachdem, wann wir von ihr erfahren haben, um Tage, Monate, Jahre, Jahrzehnte näher gekommen sind.
Was mit der Verheißung verbunden ist - wir sollen mit dem Auferstehungsleib makellos vor dem Herrn stehen. Die Toten werden zuvor auferstehen. Wir werden sie wiedersehen. Paulus hat es beschrieben: Erst werden bei der Wiederkunft Christi die Seelen aus der Welt des Geistes, dann die Lebenden geholt, um gemeinsam vorm Herrn zu stehen. Sie werden dann bei ihm ein ewiges Leben haben. Eine neue Schöpfung wird es sein, die Erde vergangen, das Meer nicht mehr da. Alles Belastende wird es nicht mehr geben. Jesus hat dann endgültig den Sieg errungen. Es geht im Hebräerbrief um die Hoffnung darauf und die, dies mitzuerleben.
Sicher, in schwierigen Tagen macht der Mensch Erfahrungen, die zu Irritationen bezüglich dieser Hoffnung führen. Dennoch, sie bleibt die Grundlage des Glaubens und ist Quelle von Freude und Sicherheit. Weil es ein Versprechen Jesus` ist. Wie lange wird das schon so gesagt, wo bleibt die Realität? Wir können sicher sein, dass Gott weiß, was er wann tut. Durch das Alte Testament zieht sich wie ein roter Faden die Verheißung, dass der kommen wird, der der Schlange den Kopf zertritt. Da gab es viele Situationen, bei denen mancher gedacht haben wird, jetzt müsse es einfach so weit sein. Aber, erst, als die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn.
Im Brief an die Hebräer gibt es auch die Aufforderung, Gott zu loben (vgl. Hebr. 13, 15). Dazu muss ich ihn kennen. Als den Allmächtigen und Allwissenden. Dessen sich bewusst sein, gerade dann, wenn "es nicht so läuft." Da drängt sich Manches quasi automatisch als Lösung auf, als das Einzige, was scheinbar Sinn macht, um aus der Situation herauszukommen. Dem dann nicht nachgeben, sondern auf Gottes Stimme hören. Das gilt auch im Zusammenhang mit Jesus` Wiederkunft. Vielleicht dachten wir vor zehn Jahren, ja genau, das jetzt ist der richtige Moment dafür. Weil der Mensch dazu tendiert, nur die aktuelle Situation zu sehen. Stellen wir uns vor, es wäre so damals gewesen, wie würden wir das heute bewerten? Die Wiederkunft Christi ist nicht von kurzfristigen irdischen Dingen abhängig. Darauf nimmt Gott keine Rücksicht.
Wir hoffen auf die Teilnahme an der Ersten Auferstehung. Und sehen uns als Sünder mit Fehlern und Schwächen. Aber wir glauben, dass durch Jesus` Opfer Erlösung möglich ist. Wenn wir seine Gnade in Anspruch nehmen. Festhalten an der Hoffnung, dann werden wir auch Freude haben. Das ist unabhängig von dem, was wir gerade erleben, sei es Positives oder Negatives. Von der Welt des Geistes wissen wir nur wenig. Aber Gott lässt uns davon so viel wissen, dass wir auch damit umgehen können. Es gibt keinen Grund, an seinem Sieg, dem des Allmächtigen und Treuen, zu zweifeln. Er, der seinen Sohn vom Tod erweckt hat, wird tun, was er verheißen hat und den Tod auch endgültig besiegen.
Das zehnte Kapitel des Hebräerbriefs ist ein Appell, das Vertrauen nicht wegzuwerfen (vgl. Hebr 10, 35) und beieinander in der Gemeinde zu bleiben (vgl. Hebr 10, 25). Daran knüpfte Schnaufer an: Die Gemeinde, zu der wir gehören, ist der Mittelpunkt unseres Lebens. Es ist meine Verantwortung, meinen Teil dazu beizutragen. Wie gehe ich auf andere zu? Es gibt viel zu tun, fangt ihr doch schon mal damit an? Ich bin mitverantwortlich für die Stimmung in meiner Gemeinde. Und es geht auch um das "Bekenntnis der Hoffnung", wie das zehnte Kapitel des Hebräerbriefs überschrieben ist. Darum, uns gegenseitig zu helfen und Mut zu machen. Vorbehaltlos und ohne "Schubladendenken". Es ist unsere Entscheidung, an diesem Bekenntnis der Hoffnung festzuhalten: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Mit meinen Glaubensgeschwistern will ich den Weg gehen, der zur Erfüllung der Hoffnung führt. Das vertiefte der Apostel noch einmal vor der Feier des heiligen Abendmahls: Wir haben nichts zu bringen, denn, "Alles, Herr, bist du." Wir wollen Gott die Chance geben, uns stark zu machen. Im heiligen Abendmahl wollen wir seine Gnade erleben. Ich will werden wie Jesus. deshalb brauche ich die besondere göttliche Gemeinschaft im Gottesdienst und im heiligen Abendmahl.
Priester Joachim Kienle, seit Kurzem Vorsteher der Gemeinde Bondorf, hatte es schon fast erwartet: Er als der "Neue" wurde gebeten, an den Altar zu treten. Glauben, Hoffnung, sich ausrichten auf das Ziel, so fasste er das Wesentliche zusammen. Jeder prüfe sich selbst, ob das in seinem Alltag so noch präsent ist. In der Gemeinde eins sein: Wodurch stärken wir uns gegenseitig? Sicher nicht, wenn man nur die eigene Position sieht nach dem Motto mancher Autofahrer, dass, wer bremst, schon verloren hat. Das in der Praxis umzusetzen, was Jesus allen vorgelebt hat, dazu wünschte Kienle viel Erfolg.
Eine besondere Aufgabe hatte der Apostel noch zu erfüllen: einen Diakon der Gemeinde Ammerbuch-Pfäffingen aus Altersgründen in den Ruhestand zu versetzen. Dessen Vorsteher, Walter Seidt, hatte dazu einen Brief geschrieben, aus dem zitiert wurde: Vierzig Jahre habe der Amtsträger als gutes Vorbild in der Gemeinde gedient. Auch als Sonntagsschullehrer, Vize-Dirigent und Sänger im Chor. Und ein Alleinstellungsmerkmal: Eigenverantwortlich habe er Jahrzehnte lang immer den Kirchengarten gepflegt. Beständig und verlässlich. Ein großer Wunsch für die Zukunft - der "Grüne Daumen" möge mit dem Ruhestand nicht abhandenkommen. Davon zeigte sich der Apostel überzeugt: Der "Grüne Daumen" geht mit. Und noch wichtiger: "Der Glaube, das Wesentliche, bleibt in Ihrem Herzen erhalten.", hieß es, nachdem auch der Dank an die Ehefrau und die Familie des Diakons ausgesprochen war, denn ohne deren Unterstützung kann kein Amtsträger seine Arbeit verrichten.
"Schön war es in Ammerbuch-Pfäffingen, alles Gute!" hieß es zum Schluss. Und an die, die sich nicht gleich auf den Heimweg machen wollten, hatte man auch gedacht. Alles Notwendige für eine kleine Stärkung war inzwischen von den guten Gastgebern im Foyer der Kirche bereitgestellt worden.