Ein gemeinsam verbrachter Tag in der Tübinger Kirche weckt Vorfreude auf das Fest von Christi Geburt
"O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit..."
Dieses Lied , wie viele andere Weihnachtslieder auch, die an diesem Tag im Gartengeschoss der Tübinger Kirche, wo die Feier stattfand, gesungen wurden, kann sich gut schon im Advent hören lassen. Das stellten die Senioren aus den Tübinger Gemeinden stimmgewaltig unter Beweis. Auch aus Rottenburg war man gekommen. Zwei ehemalige Tübinger, jetzt aus ihrem neuen Domizil von der westlichen Seite des Schwarzwalds angereist, hatten keinen Stau auf der A 8 gescheut, und davon gab es auch an diesem Morgen reichlich: Sie wollten auch mit dabei sein.
Zuerst musste man sich noch etwas einsingen. Aber im weiteren Verlauf des Tages war das kein Problem mehr. Fröhliche Gesänge der vertrauten weihnachtlichen Lieder füllten den Raum. Immer begleitet von der elektrischen Orgel, gespielt von Fred Kächele. Ab und an verbarg sich in dem Instrument ein ganzes Orchester. Fred und Renate Kächele sind für die Organisation der Seniorenaktivitäten im Raum Tübingen zuständig. Sie tun das mit viel Umsicht und Liebe. Das wurde zu Beginn mit einem Präsent gewürdigt. Was sich beim besten Willen trotz mehrfachen Wunschs eines einzigen noch "Jung-Seniors" nicht singen ließ, war "Leise rieselt der Schnee..." Das gab das Wetter an diesem recht warmen Tag im meteorologischen Winter beim besten Willen einfach nicht her. Was wiederum so schlecht auch nicht war, kein Schnee. Da wurde niemand aus Angst vor Glätte vom Besuch der Feier abgehalten.
Die Luft in geschlossenen Räumen tendiert zur Trockenheit. Daher gab es zur Begrüßung erst mal Sekt, pur oder gemixt mit anderem in verschiedenen Variationen, und Orangensaft zum miteinander Anstoßen. Ein nicht Unbekannter, aber bei einer solchen Zusammenkunft doch "neuer" Tübinger sollte ein Gebet sprechen. G. Kaltschmitt, "unser" Bischof (i. R.), kam der Bitte nach, nicht ohne kleine "Predigt" vorweg: Er kämpfe als Neuling in diesem Kreis noch um Akzeptanz als ständiges Mitglied, hieß es. Keineswegs dialektfrei ging es weiter. Am heutigen Tag, so, wie wir hier sind, noch ziemlich gesund, freudig im Glauben...sei man gern zusammengekommen. Es folgte der warnende Hinweis, dass Alter keineswegs vor Torheit schütze. Der demografische Wandel blieb auch nicht unerwähnt. Wobei erfreut angemerkt wurde, dass in jüngerer Zeit doch wieder mehr Kinder geboren werden würden. Gut wegen der Rente. Aber nicht nur dafür. Ohne Jugend sei es halt nicht so schön. Deshalb freue er sich, dass, bedingt durch die Studenten, die Tübinger Gemeinde doch eine recht junge sei. Noch eine Feststellung, die manch anderer auch schon gemacht hat: "Je älter die Bilder sind, desto jünger sehe ich darauf aus." Ein Gruß wurde den Anwesenden mitgegeben. An alle, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Feier hatten kommen können. Im Gebet wurde um Gottes Hilfe, Schutz und Fürsorge gebeten. Ganz besonders die Menschen, die weltweit den Schrecken von Krieg, Hunger und anderem Elend ausgesetzt sind. Denen es unverschuldet entsetzlich schlecht geht. Nicht so gut wie uns hier.
Danach Mittagessen, angeliefert von einem Tübinger, der pünktlich kam. Erleichtertes Aufatmen allenthalben: "...der Metzger kommt!" Mit gemischtem Braten und Spätzle. Die vielfältigen Salate dazu waren von den Besuchern mitgebracht worden. Frisch, vitaminreich und auf dem Buffet schön anzusehen.
Als alle satt und zufrieden waren, durfte trotz fehlenden Verdauungsschläfchens oder eines Spaziergangs keine Müdigkeit aufkommen. Daher erst mal singen. Geschichten von besinnlich bis heiter wurden vorgelesen. "Weihnachten auf Schwäbisch": Es wurde räsoniert, dass, je älter man ist, man desto mehr von früher spricht. Von früher, als das Christkind noch etwas ärmer war als heute. Und die Zufriedenheit war trotzdem größer damals.
Es folgte die Geschichte vom alten Hilfiger. Dessen Kinder wohnen in der gesamten Republik weit verteilt. Besuchen den Vater zwar nicht zum Fest, aber schicken, jedes auf seine Weise, ein Geschenk. Der Vater ist ein ordentlicher Mensch und schreibt schon mal gleich am Ersten Weihnachtstag die Dankespost. Individuell für jedes Kind. Legt die adressierten Umschläge daneben. Der Rest muss verschoben werden. Sein alter Spezi holt ihn ab zum Schafkopfspielen in der Wirtschaft. Zurück, etwas müde von der alkoholischen Gärung, die er zu sich genommen hat, kann der Vater trotzdem nicht gleich schlafen. Die Briefe sollen noch vollends fertig gemacht werden. Die Müdigkeit, der Alkohol, wer weiß. Ergebnis: Der Inhalt der Umschläge, das Dankesschreiben, passt letztlich nicht zum jeweiligen Geschenk. Jeweils ein anderes Kind wäre der richtige Adressat gewesen. Die Sprösslinge müssen sich beim Erhalt ihrer Post sehr wundern. Die elektrische Heizdecke mit der Venusstatue vertauscht. Letztere sei beim Kuscheln im Bett schön warm und anschmiegsam. Die gefütterten Handschuhe passen so gut um den Bauch. Das sollte eigentlich den drei geschenkten Unterhosen gelten. Und die hochkünstlerische Radierung, Affen darstellend, wurde sehr gelobt. So ausdrucksvolle Affengesichter habe man lange nicht gesehen. Dieses Kompliment kam zu dem Sohn, der ein Foto von sich und seiner Familie geschickt hatte. Fazit der Kinder: Vater wird doch wunderlich. Wir müssen mal wieder nach ihm schauen.
Es folgte die Geschichte von der Weihnachtskrippe der besonderen Art. Die ursprünglichen Figuren waren im Lauf der Jahre verschwunden oder beschädigt. Kein Problem für einen kleinen Jungen - er ersetzt sie durch Figuren aus seinem Spielzeugfundus, die frei davon sind, Feierlichkeit und Heiligkeit zu vermitteln, eher im Gegenteil...Fred Kächele wusste noch ein Wort mit fünf "z" beizusteuern: "Mordsadventskranzkerzenglanz". Und schon ging es an die Bescherung: Jede/r bekam eine Packung sehr feinen Spekulatius (schon wieder ein Wort mit "z") und eine mit Früchtetee geschenkt. Mit der Anmerkung, irgendwie müsse ja der Zucker auch gepflegt werden. Wobei dazu eigentlich schon das Torten- und Kuchenbuffet, mit Mitgebrachtem und Selbstgebackenem reichlich und bewundernswert hergerichtet, ausgereicht hätte. Zum Glück alles außerhalb jeder Konkurrenz. Die Frage, ob im Gäu oder in und um Tübingen die besseren Bäckerinnen im Bezirk beheimatet sind, muss unbeantwortet bleiben. (Schon bei der vorhergehenden Adventsfeier in Herrenberg war höchste Backkunst zu bestaunen gewesen.)
Ein Gebet aus dem Jahr 1883 wurde vorgelesen: "Herr, setze dem Überfluss Grenzen...Nimm der Ehefrau das letzte Wort und erinnere den Ehemann an sein erstes...Lass uns alle in den Himmel kommen - aber nicht sofort!", um nur einige der Bitten zu nennen. Und, u. a., wurde auch noch die Problematik geschildert, der Tante Klärle ebbes Recht`s zu Weihnachten zu schenken. Vermutlich objektiv unmöglich, aber immer wieder versucht. Und immer wieder gescheitert. Was die Tante den Seufzer ausstoßen lässt: "Das waren noch Zeiten, als die Geschenke das Christkindle selbst gebracht hat!"
Im Nu waren die paar Stunden verflogen, aber nicht vergessen. Mit freudigen Gesichtern, viele guten Wünsche für die kommenden Festtage waren zu hören, verabschiedete man sich voneinander. Ist doch alle Jahre wieder schön, die Adventsfeier in Tübingen. Herzlichen Dank an die, die dafür wieder mit viel Liebe, Zeit und Arbeit nicht scheuend, im Einsatz waren.