...alle Jahre wieder trifft man sich in einem Saal eines Herrenberger Hotels und...endlich wird es wirklich vorweihnachtlich
"...o Hoffnung aller Völker du, komm, führ uns deinem Frieden zu."
so endet die letzte Strophe des, u. a., vom Seniorenchor unter Leitung von Gerlinde Kleemann gesungenen Lieds (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 5, Text nach Heinrich Bone, 1813 - 1893) bei der diesjährigen Adventsfeier der nicht mehr ganz so jungen Glaubensgeschwister aus den Gäugemeinden des Kirchenbezirks Tübingen. Die Organisatorin und mit der Seniorenarbeit für die Gäugemeinden Beauftragte, Renate Wiessner, stellte zu Beginn, als sich der große Saal gut gefüllt hatte, kurz das Programm vor. Zu ergänzen ist, dass sie nicht alles allein tun muss, was für die Seniorenarbeit notwendig ist. Da gibt es viele "Helferchen", die sie unterstützen und sich aktiv betätigen, damit die, die das selbst nicht mehr so können, ihre Freude haben und, so weit und so lange es noch irgendwie geht, sich gern aufmachen und dann doch noch mal zur Adventsfeier kommen. Ein harter Tag, kein Mittagsschlaf..., aber dafür ein großes Fest des einander Wiedersehens. Die aus anderen Gemeinden, mit denen man viele gemeinsame Erinnerungen teilt. Weshalb der Gesprächsstoff an den Tischen nie ausgeht.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank ließ sich (noch) nicht vollends von den Senioren vereinnahmen, aber, wie er sagte, für diesen einen Tag gern. Ebenso wie er das bei Veranstaltungen anderer Altersgruppen tue. Er drückte aus, was wohl viele gedacht haben mögen: So, wie man an Silvester den zum Himmel fliegenden Raketen zuschaut und sagt, kann gar nicht sein, war doch gerade eben erst, so geht es auch mit der Adventsfeier. Ach was, war doch gerade erst...Bischof i. R., Georg Kaltschmitt, ließ Grüße übermitteln und sich entschuldigen. Er hat einfach immer noch sehr viel zu tun und ist kein geübter Ruheständler. Sein Vorgänger im Amt, Bischof i. R. Hermann Kaupp, insoweit schon etwas versierter, war wie alle Jahre wieder, aus dem Schwarzwald nach Herrenberg gekommen. Er sprach, auch das ist schon guter Brauch, das Gebet zu Beginn und vergaß auch nicht die Fürbitte für die, denen es nicht so gut geht wie uns hier in Mitteleuropa. Lieder, gemeinsam oder vom Chor gesungen, eine Geschichte und ein Sketch sorgten für Kurzweil. Da las Gerlinde, die Unverzichtbare bei Adventsfeiern in Herrenberg, die Geschichte vom Engel vor, der im Übermut seinen Heiligenschein verschleuderte. Ausgerechnet ein Engel in gehobener Position: der Friedensengel. Und nun? Schlechtes Gewissen...während der Heiligenschein, auf die Erde gefallen, nur Gutes bewirkte, wenn er direkt auf jemanden schien: Da versöhnten sich jahrelang zerstrittene Eltern mit ihren Kindern, Ehepaare brachen ihr muffeliges Schweigen, zerstrittene Nachbarn konnten wieder miteinander über den Zaun sprechen, statt ihn weiter in die Höhe wachsen zu lassen, und selbst Politiker redeten plötzlich sachlich bis fast freundlich miteinander. Deshalb, den Heiligenschein zurückholen? Nein, von höchster Stelle erhielt der Friedensengel die Absolution: Sein Heiligenschein sei, wenn auch durch Zufall, dort gut angebracht, wo er jetzt sei, auf der Erde. Fazit - Boten des Friedens, muss nicht unbedingt ein "über Bord gegangener" Heiligenschein sein, die kann es nicht genug geben.
Danach kam ein Sketch, wieder mit Gerlinde, dieses Mal als Hanna, Ehefrau so in der Zeit vor gefühlten 100 Jahren, und Egon, ihr Ehemann. Renate in einer Hosenrolle, mit Schnurrbart und alle Klischeevorstellungen vom scheinbaren Herrn im Haus abdeckend. Es ging...um die Weihnachtskarten. Hannas Versuche, den Ehemann zur Mitarbeit zu bewegen, endeten, hart an der Streitgrenze, in einem versöhnlichen und versöhnenden Glas Rotwein für jeden der beiden. Mit Weihnachtsbrötle. Nun wird Egon doch noch kooperativ: Seine Sekretärin könne doch anderen Tags im Büro die 26 (!) Karten schreiben. Der Dialog im schönsten Schwäbisch geführt, aber immerhin so, dass auch Zugereiste folgen konnten. Auch eine Kunst der Darsteller. Anderen Tags kommt Egon vom Geschäft nach Haus und bringt der Gattin einen Durchschlag des einheitlichen Weihnachtskartentextes für alle mit: "Wir freuen uns auf ein Wiedersehen am Zweiten Weihnachtsfeiertag zum Mittagessen." Na, Mahlzeit. Einer der Anwesenden wusste das tatsächliche Ausmaß des Horrorszenarios rasch zu erfassen - wer sagt denn, dass die 26 Karten jeweils nur an eine Einzelperson gingen???
Noch etwas adventliche instrumentale Musik sprach die Ohren an, während die Nase schon den Duft wahrnehmen konnte, der den nach und nach hereingetragenen Suppentassen bzw. deren Inhalt entströmte: Hühnerbrühe mit passendem fleischlichem und vegetarischem Inhalt. (Keine Sorge, ein Hauptgericht gab es auch noch.)
Nach der Mittagspause folgten ein Musikvorspiel und gemeinsamer Gesang. Damit alle wieder ausreichend wach waren, um der Referentin, Frau Anne-Rose Schwarz, aufmerksam zuzuhören. Um Engel sollte es gehen. Frau Schwarz, gelernte Operationsschwester, inzwischen im Ruhestand, hat sich, weitergebildet durch Kurse der Evangelischen Kirche Deutschland, intensiv mit dem Thema "Alltag und Glaube" befasst und so auch Religionsunterricht in Schulen gegeben. Sie ist mehrfache Mutter und Großmutter und man nimmt ihr ab, dass ihre Ratschläge nicht aus dem hohlen Bauch kommen. Zum Beispiel der, den Kindern Hilfe anzubieten, aber, bitte, ungefragt sich zurückzuhalten. Dem Nachwuchs seine eigenen Erfahrungen gönnen können. Immer wieder hält sie Referate zu den verschiedensten Themen. Auch zu dem der Engel wie an diesem Nachmittag in Herrenberg Engel, von denen sich die Menschen schon seit Jahrhunderten Bilder gemacht haben. Gemälde, Skulpturen, früher auch viel bis in den Alltagsbereich hinein, "zeugen" von ihnen, obgleich sie unsichtbar sind. Eine Engelsfigur hatte Frau Schwarz mitgebracht und, schön beleuchtet, neben ihrem Stuhl auf einem Tisch aufgestellt. In Abschiedssituationen in ihrer Hospizarbeit hat sie, wenn das irdische Leben zu Ende geht, das Gefühl, dass jeder seinen Engel hat, der ihn abholt und in eine andere Welt begleitet. Weil es weitergeht, dessen ist sie sicher. Auch wenn niemand konkret weiß, wissen kann, wie es in der anderen Welt ist. Anselm Grün wurde zum Thema Engel zitiert: Ein gutes Gefühl der Geborgenheit entsteht für den Menschen, der sich sicher ist, dass da ein Himmelsbote ist, von Gott geleitet, der ihn umgibt.
Fazit - Man muss sich darauf einlassen, empfinden zu wollen, dass ein himmlischer Begleiter da ist. Kein Automatismus und nichts Statisches. Immer wieder, Tag für Tag, sich ein paar ruhige Minuten nehmen und sich damit beschäftigen. Letztere kann man finden, wenn man es will. Und auch mal "nein" sagen kann, wenn man an allen Ecken und Enden gefordert ist. Oder sich so fühlt.
"Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest."
(PS 91, 11 u. 12) Mit diesem Zitat, das auch die Referentin vorlas, soll dieser Teil des Berichts enden.
Langsam war es Kaffeezeit geworden. Hinten im Saal wurden die mitgebrachten Torten und Kuchen dekorativ, sprichwörtlich zum Hineinbeißen, auf einer langen Tafel platziert. Klaus von Bank hatte sich verabschiedet, so ein Bezirksvorsteher hat viele Verpflichtungen. Dafür kam sein Vertreter, Werner Lampprecht, der später auch das Schlussgebet sprach. Vorher hatte man reichlich Kaffee und Kuchen zugesprochen. Damit der Abschied nicht zu schwer fiel, gab es für jeden noch ein liebevoll zusammengestelltes Präsent mit festem und flüssigem, nahrhaftem bzw. geistigem Inhalt zum Mitnehmen.
Das war sie, die Adventsfeier der Senioren aus den Gäugemeinden im Jahr 2016. Für alle Planungen im Vorfeld, alle Aktivitäten vor, während und nach der Feier ein herzliches Danke an Renate und ihr unverzichtbares Team, und für die Musik- und Textbeiträge an Gerlinde und ihre MitspielerInnen. Der gute Geist des Tages, der seitens der Restaurantleitung damit beauftragt worden war, im Festsaal ein wachsames Auge darauf zu haben, dass alles klappt, Technik für die "Bühne", der Service und vieles, was auch im Hintergrund nötig war, ihm sei an dieser Stelle auch ganz herzlich gedankt. Ein guter und umsichtiger Mitarbeiter, der auch den Gästen zum Schluss ein Kompliment machte: Er habe seinen Job an diesem Tag gern gemacht mit angenehmen Besuchern. Und ein solch üppiges Tortenbuffet habe er bislang bei derartigen Anlässen noch nicht gesehen...