Bischof Urs Heiniger leitet den Gottesdienst in der Gäumetropole
Nach einem völlig schaurigen Samstag erleichterte Sonnenschein am Sonntagmorgen manchem das frühe Aufstehen, der sich trotz Anreise von weiter her vorgenommen hatte, an der vor dem Gottesdienst anberaumten Chorprobe ab 09.15 Uhr teilzunehmen. Unter Leitung von Dirigentin Friederike Huber wurde bis kurz nach 10 Uhr geübt. Das hatte sich gelohnt, wie der Bischof nach dem Gottesdienst erfreut anmerkte. An der Orgel oder am Klavier sorgte der unverzichtbare Jan-Thilo Bayer für die instrumentale Begleitung vom Gemeindegesang und ab und an auch mal für die vom Chor. Der sang zu Beginn, mit gewaltigem Orgelvorspiel, garantiert alle hellwach werden lassend: "Auf dich, o Herr, vertrauet meine Seele. ..." (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 154, Text nach Worten der Heiligen Schrift) Daran knüpfte U. Heiniger an: "Mit unserer Seele vertrauen. Ein interessantes Detail" (Alemannisch betont auf der ersten Silbe, die Herkunft aus dem Südbadischen nicht verleugnend). Sonst vertrauen wir auf das, was wir gelernt haben. Oder jemandem, den wir gut kennen. Also auf Wissen und Erfahrung. Mit der Seele vertrauen hat eine andere Dimension. Wer könnte Gott auch mit dem Verstand erklären oder beschreiben? Ein Gott der Liebe und doch - lässt er so vieles Entsetzliche zu. Das kann rational nicht erfasst werden. Vertrauen zu Gott ergibt sich nicht automatisch daraus, als neuapostolischer Christ geboren zu sein. Vielmehr bedarf es der eigenen Erfahrung, des eigenen Erlebens. Immer wieder. Um das zu erleben, muss man sich bewusst an ihn wenden, nicht nur so nebenbei. Sonst kann schnell das Gefühl aufkommen, Gott hört mir ja gar nicht richtig zu. Wie auch, wenn wir uns nicht wirklich und ernsthaft ihm zuwenden.
"Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen, da du wirst sagen: `Sie gefallen mir nicht`;" (Pred 12, 1), so lautete das eingangs verlesene Bibelwort. "Was will Gott damit sagen?" Nun, manchmal läuft es im Leben nicht so gut. Nichts klappt. Gott ist daran schuld? Auch für Not und Elend in der Welt? Dass Menschen auf der Flucht massenweise ertrinken, warum lässt er das zu? Die Diskussion darüber kann nichts bringen. Vielmehr die Verbindung zu Gott suchen. Selbst etwas tun. "Denk an deinen Schöpfer. Denk über deinen Glauben nach. Wie oft beschäftigt man sich im Vorfeld mit einem Gottesdienst, damit, was Gott einem sagen will. Wie viel Zeit investieren wir in ein solches Nachdenken?" Vielleicht geht es uns gerade gut. Oder wir haben noch 1.000 andere Probleme. Trotzdem: Nachdenken. Und das nicht nur dann, wenn es uns gerade mal nicht so gut geht. Gott ist nicht der "Notarzt" nur für den Bedarfsfall.
Dafür gibt es biblische Beispiele. Hiob, dem es prächtig ging. Der dann eine gewaltige Pechsträhne hatte. Gott lässt das zu? Hiob verstand es genauso wenig wie sein Umfeld. Trotzdem - er konnte letztlich sein Vertrauen in Gott bewahren und machte ihm keinen Vorwurf. Gott mit ins eigene Leben hineinnehmen, in Schule und Beruf, bei der Partnersuche. Sich nichts auf eigene Gaben und Fähigkeiten einbilden. Vielmehr sich bewusst sein, wem letztlich alles zu verdanken ist: Gott, der will, dass alles, was er geschaffen hat und schafft, letztlich auch zur Vollendung kommt.
Da war der König zu Babel. Der die Israeliten gefangen nehmen konnte. Ein Weltreich gründete. Den Blick dafür verlor, dass Gott es war, der das alles zugelassen hatte. Ein Herrscher, der seine Klugheit und Weisheit überschätzte. Übermütig wurde. Den Israeliten ihre heiligen Gefäße nehmen wollte. Und hören musste: Gewogen und zu leicht befunden. Man könnte im Bewusstsein eigener Größe Unvollkommenheiten in der Kirche, die es sicher gibt, bemängeln. Den Glauben mit dem Verstand "ordnen" und unzufrieden werden. Nein, in guten wie in schlechten Tagen dankbar sein. Sich die Größe des himmlischen Vaters bewusst machend.
Wie beten wir eigentlich? Da ist die Theorie: ein Morgengebet, tagsüber die Möglichkeit, wenn sie sich denn bietet, dazu nutzen, an anderes als das Irdische zu denken, und den Tag dann abends mit Gott beschließen. In der Praxis: Zeitdruck, jede Minute ist kostbar...Nein, sich nicht überschütten lassen, nicht immer Multitasking, andere Dinge mal abschalten. "Das wollen wir mit- und uns vornehmen!"
Ein Priester aus der Gemeinde Konstanz: Vertrauen ist heute unser Thema. Wie schön, wenn du auf dunklen und kalten Wegen vertrauen kannst, wurde aus dem gerade vom Chor gesungenen Lied zitiert "Du hast so wunderbare Wege...", (Chorbuch Nr. 165, Text nach Dora Rappard-Gobat, 1842 - 1923) Vertrauen hat nichts mit Passivität zu tun. Heutzutage gibt es so viele Angebote, dass man versucht sein könnte, nur noch zu konsumieren. Im Glauben funktioniert das so nicht. Man muss sich entscheiden - was will ich erreichen, wo will ich hin? Mit Jesus - dann triff eine klare Entscheidung, für ihn. Paulus konnte schreiben, aus Gnade angenommen und ins Licht geführt worden zu sein. "Wanderst du schon im Licht?"
Einer der Bezirksjugendleiter zitierte noch einmal aus dem Bibeltext. An deinen Schöpfer in der Jugend denken, ehe die bösen Tage kommen. Bedeutet: Sie werden kommen. Daraus den Schluss ziehen, jetzt alles, was sich bietet, mitzunehmen, weil das später nicht mehr so einfach ist? Nein, den Schöpfer bei allem, was man jetzt kann und könnte, nicht vergessen. Vertrauen bedeutet auch, einen Vertrauensvorschuss zu geben. Zum Beispiel in den Partner. Sicher, man kann enttäuscht werden. Es gibt keine Garantie dafür, dass alles bestens laufen wird. "Vertrau auf Jesus, deinen besten Freund, und der Vorschuss wird zurückkommen. Setze so deine Prioritäten. In guten wie in schlechten Zeiten."
Evangelist Carsten Dehner aus dem Kirchenbezirk Tübingen übernahm die Überleitung zur Feier des heiligen Abendmahls. Er griff auf, was schon zuvor im Gottesdienst angesprochen worden war: Die Fischer Simon und Andreas, die Jesus ansprach, sie mögen kommen und ihm nachfolgen. Die das ad hoc taten. Sie müssen innerlich vorbereitet gewesen sein auf diese Veränderung in ihrem Leben. Sonst wäre das nicht so einfach gegangen. Sie hatten schon zuvor andere Prioritäten für ihr weiteres Leben gesetzt. "Komm, folge mir nach.", der Ruf ergeht vor jeder Vergebung der Sünden. "Komm doch wieder auf den richtigen Weg zurück!" Das kann uns gelingen, wenn wir immer wieder ernsthaft auf den Moment der Sündenvergebung zugehen.
"Herzlichen Dank für das gemeinsame Erleben", hieß es nach dem Gottesdienst vom Bischof. Dann folgte Organisatorisches seitens einer Glaubensschwester aus dem Bezirk Tübingen: Die Gastgeber hatten einen Imbiss (durch die inzwischen geöffneten Türen zum Foyer zog unverkennbar ein zunehmend stärker werdender Geruch von warmem Fleischkäse) vorbereitet. Eine Getränke-Bar mit Nichtalkoholischem lockte. Außerdem waren Billard und anderes spielen im Angebot. Und auch das war eingeplant, ein Raum, in dem man sich treffen und miteinander unterhalten konnte, und zwar bezirksübergreifend. Weshalb die Namensschilder zum Aufbeppen in vier unterschiedlichen Farben gehalten waren, für jeden Bezirk eine bestimmte Farbe. Schließlich gibt so ein gemeinsamer Gottesdienst für Jugendliche aus verschiedenen Bezirken auch durchaus die Gelegenheit zum Anknüpfen zarter zukünftiger Bande und da ist es ganz praktisch, wenn man weiß, wo das Gegenüber herkommt und wie der Name ist, wurde schmunzelnd von der Vertreterin der Gastgeber angemerkt.