Die Gottesdienste, in denen zum dritten Mal im Jahr 2016 neuapostolische Christen in besonderer Fürbitte der Verstorbenen gedenken, leiten in den Gemeinden des Bezirks Tübingen ein Bezirksvorsteher und seine Vertreter aus Freiburg/Offenburg
Ein grauer, feuchter, kühler Sonntagmorgen im November. Wie es schon lange auf dem Plan stand, die westlich und die östlich vom Schwarzwald beheimateten Bezirksvorsteher und deren Vertreter machten sich in aller Herrgottsfrühe auf, um nachzuschauen, ob es auf der jeweils anderen Seite des vertrauten Gebirges auch Leben gibt. Danach soll in früheren Zeiten mal ein Kind aus dem Rheintal seine Mutter gefragt haben, erzählt man sich. Und vermutlich das eine oder andere Kind vom Schönbuch und drum herum seine Mutter, was die westliche Seite des „schwarzen Walds“ anbetrifft. Bezirksvorsteher Klaus von Bank und sein Vertreter, Werner Lampprecht, Tübingen, fuhren nach Offenburg bzw. Freiburg. In den Bezirk Tübingen kamen Bezirksevangelist Heribert Sterr-Kölln (Gemeinde Tübingen), Bezirksältester Karl-Friedrich Braun (Gemeinde Herrenberg), Bezirksevangelist Michael Schäfer (Gemeinde Jettingen) und Bezirksevangelist Jürgen Schmidt (Gemeinde Rottenburg). Die jeweiligen Nachbarn der vier Gemeinden waren zu den Gottesdiensten dort eingeladen. Dazu kamen eine Besonderheit und ein Novum bei Gottesdiensten für Entschlafene in der Gebietskirche Süddeutschland. In allen Gemeinden fanden sie am ersten Sonntag im November als solche statt, zu denen ganz besonders auch Gäste herzlich eingeladen waren.
Nachfolgend wird über den Gottesdienst in der Gemeinde Jettingen berichtet, zu dem auch die Mötzinger gekommen waren. Vor dessen Beginn sorgte ein rein weibliches Instrumentalensemble - Klavier, drei Flöten und Geige - für die musikalische Vorbereitung.
„Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ (Joh 16, 22) Dieses Wort aus dem Neuen Testament, dem auch das eingangs zitierte Motto der Gottesdienste an diesem Tag entnommen ist, war das Textwort.
„Heute Morgen ist eine große Einladung ergangen. An alle, die hier zu Gottes Volk zählen, und in die Ewigkeit hinein.“, so zu Beginn M. Schäfer An Gäste. Die sich fragen könnten, was ist das für eine Einladung? Wohin kommt man da? Was will man dort? Was ist das für eine Kirche? Die Frage lässt sich mit dem Vorspann zum Katechismus der Neuapostolischen Kirche beantworten: Deren Vision ist es, eine Kirche zu sein, in der sich Menschen wohlfühlen. Erfüllt vom Heiligen Geist und der Liebe zu Gott. Wo das Leben ausgerichtet ist auf das Evangelium Christi. Mit der Geburt steht für jeden fest, dass man das Leben hier wieder verlieren wird. Menschen leben völlig unterschiedlich. Nicht jedem ist es vergönnt, dabei glücklich sein zu können. Wohl jeder hat sich schon tief unglücklich, einfach traurig fühlen müssen, weil jemand gestorben ist, den er geliebt hat. Heute sind wir aus Liebe und Gnade eingeladen, uns so auszurichten, dass wir uns freuen können. Weil wir es wollen, ohne dazu gezwungen zu sein. M. Schäfer musste an einen Choral denken, auch im Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche zu finden (Nr. 153, Text Johann Frank, 1618 - 1677, Komponist hier Johann Crüger, 1598 - 1662). Aber, worauf der Besuch aus dem Badischen sich bezog, als er die Verse zitierte, auch von J. S. Bach (Motett, BWV 227) vertont: "Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu, meine Zier! ... Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Herr und Meister, Jesus, tritt herein. ...", (aus Vers 1 u. 3, Text Johann Frank im Gesangbuch). Freude, die der Heilige Geist bewirken kann, wenn wir ihm Raum dazu geben.
Zur Situation, in der Jesus damals die im Textwort wiedergegebenen Worte sprach: Er war mit seinen engsten Vertrauten zusammen. Man liebte sich untereinander. Und nun das - die Ankündigung von Schmerz und Verzweiflung. weil das Stoffliche eines Menschen nicht mehr und die irdische Liebe zu Ende sein wird. Da braucht es Trauerarbeit und -zeit, um die Liebe unter total veränderten Umständen aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Sicher werden die Jünger Fragen dazu gehabt haben. Niemand weiß um die Ewigkeit, um das, was die Entschlafenen dort erleben. Aber Gottvater, Sohn und Heiliger Geist haben Möglichkeiten geschenkt, damit Menschen aus Liebe und Gnade heraus erfahren können, dass die Ewigkeit ihre Seele berührt.
"Auch ihr habt nun Traurigkeit...", sagt Jesus im Textwort zu den Seinen. Wann ist man am traurigsten in seinem Herzen - wenn man keine Liebe mehr spürt. Dann soll Gottes Liebe die Brücke sein. Das geht weit in den Bereich hinein, den unsere Augen nicht sehen können. Aber Gott wird für die, die ihn lieben, zu spüren sein. Mit seiner Liebe.
Mit der Vision ist die Mission verbunden. Auch davon ist im Vorspann des Katechismus zu lesen: Zu allen Menschen hingehen und sie das Evangelium lehren. Freude teilen. Jedem so begegnen, der Liebe braucht und sie spüren möchte. Aus der Vision folgt die Perspektive, wie sie im Katechismus formuliert ist: das Wiederkommen Christi. Jesus sagt dazu im Textwort: "...aber ich will euch wiedersehen, ..." und es geht darin weiter: "...und euer Herz soll sich freuen,..." Das ist die Freude auf eine gemeinsame Zukunft mit allen unseren Lieben in einem dann nicht mehr stoffgebundenen Leben. Ein Leben in neuer Form. Diese Aussicht verspricht Gott allen. Wir hier dürfen dankbar sein dafür, dass es in unserem Land Sicherheit und keinen Krieg gibt. Das sieht in anderen Teilen der Erde völlig anders aus. Und trotzdem - auch da wie überall gilt die Perspektive, die Gott gibt.
Im Eingangslied wurde gesungen "Gott ist die Liebe..." (Neuap. Gesangbuch Nr. 234, Text August Rische, 1819 - 1906) Darauf bezog sich der Bezirksevangelist: Er, Gott, gibt uns die Chance zum Dialog mit ihm. Ihm darf ich alles sagen. Er schenkt Gnade, "...lässt mich erlösen...", wie es in dem Lied weiter heißt."Das bewegt unsere Seele viel mehr, als es mit den Sinnen wahrzunehmen ist."
Einer der anwesenden Priester stellte in seinem Beitrag zum Gottesdienst die Frage, wie erlebt man Freude. Sein Herz auftun, so die Antwort. Dazu bedarf es auch der Vorbereitung auf jeden Gottesdienst. Je mehr wir uns darum kümmern, desto mehr kann Gott in uns schaffen. Den Priester hatte die schon vor dem Gottesdienst im Amtszimmer gestellte Frage, wann der Mensch am traurigsten ist, die im Gottesdienst noch mal aufgegriffen wurde, sehr beschäftigt. Zum Glück kenne er bislang eine solche Situation nicht. Das Gefühl haben zu müssen, nicht geliebt zu werden. "Gott will Traurigkeit in Freude verwandeln. Dazu das eigene Herz auftun, damit er das bei allen bewirken kann", wurde nochmals appelliert.
Gemeindevorsteher Gotthilf Kohfink ging auf die Trauerarbeit ein, die der leisten muss, der im Diesseits einen Menschen verloren hat. Die zu schaffen, da hilft die Erkenntnis, dass es etwas gibt, das weit über das Irdische hinausgeht. Kann es einen größeren Trost geben? Die Gedenktage jetzt im November haben ihren Wert. Aber, nicht dabei stehen bleiben. Wir haben einen Auftrag: Denen helfen, die nicht mehr glauben können. Bei vielen geht der Glaube an Jesus und sein Heilsversprechen im Lauf des Lebens unter, wird gar verdrängt. Lieber der Augenblick genossen. Was aber steht am Ende, was ist das Ziel? Gott will, dass allen geholfen wird. Ja, es gibt etwas, das hört nicht auf, Gottes Zuwendung zu den Menschen. Diese Hilfe zu spüren, setzt voraus, um sie zu bitten. Und hat den Glauben an ihn zur Voraussetzung. Und den an seinen Sohn, der sagte: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich. "Wenn man sich damit beschäftigt, was Gott gibt, dann hat man Freude trotz Novembergrau, weil man eine Zuversicht hat."
An die Feier des heiligen Abendmahls schloss sich ein besonderes Gebet an, getragen von der Fürbitte für die Seelen, die in der Ewigkeit sind."Wir laden alle ein, Seelenfreiheit zu bekommen. In Jesus` Namen dürfen wir Gott bitten und Seelen begleiten, damit sie unter seinen Segen kommen können. Was du aus Liebe gibst, das fällt in dein eigenes Herz zurück."
Zum Schluss, während des Gottesdienstes hatte der gemischte Chor viele Lieder beigetragen, kam noch einmal die Instrumentalgruppe nach vorn. "Von guten Mächten wunderbar umgeben...", so die Überschrift des bekannten vertonten Gedichts, wie der Bezirksevangelist anmerkte, nachdem das Musikstück verklungen war.
Man blieb noch eine ganze Weile im Foyer der Kirche im Untergeschoss beisammen. Dazu sprechen die Fotos.