Eine große Gemeinde und eine große Familie feiern gemeinsam im Gottesdienst am Sonntagmorgen ein Ehejubiläum
Nach Jettingen gekommen waren auch die Mötzinger. Was nahe liegt. Nicht – nur – räumlich. Evangelist i. R. Walter Stockinger, der an diesem Sonntag mit seiner Ehefrau Else das Fest der diamantenen Hochzeit feierte, war neun Jahre lang Gemeindevorsteher in Jettingen gewesen. Und zuvor zwanzig Jahre lang Träger dieses Amtes mit Verantwortung in Mötzingen. Ohne dass die Ehefrau das mitträgt, geht dabei gar nichts. Dem Jubilar, noch gut zu Fuß, war es vor dem Gottesdienst sichtlich eine Freude, die Besucher aus nah und fern nach Möglichkeit persönlich zu begrüßen. Da konnte sich, auch wer ihn nicht in seiner Zeit als Vorsteher erlebt hat, gut vorstellen, dass er kein Problem damit hatte, auf alle ihm Anvertrauten freudig zuzugehen. Wirklich wissen wollend, wie es jedem Einzelnen zumute ist. An einem nach Morgennebel immer strahlender werdenden Oktobersonntag war die Kirche in Jettingen gut gefüllt. Außer den Glaubensgeschwistern aus Jettingen und Mötzingen hatten sich auch viele Familienangehörige und Freunde des Vorsteherehepaars im Ruhestand auf den Weg gemacht.
Sie sind eine musikalische Familie, die Stockingers und ihr Anhang, um es vorwegzunehmen: Ein Sohn und eine Enkeltochter, Onkel und Nichte, Klavier und Geige, erfreuten vor dem Gottesdienst mit ihrem Spiel. Ein acht– bis letztlich zehnköpfiges Gesangsensemble, Familienangehörige und deren Partner, besangen a cappella vor der Segenshandlung wunderschön die Liebe und ihre Bedeutung in Worten und Taten. Und nach dem Gottesdienst waren sie noch einmal zu hören. Da ging es um die guten Mächte, deren Schutz und Hilfe, und die Überzeugung, dass Gott auch zukünftig der sein wird, auf dessen Trost und Hilfe Verlass ist.
„Liebe Else, lieber Walter, diese Festgemeinde heute morgen haben wir euch zu verdanken.“, begann Bezirksvorsteher Klaus von Bank, der den Gottesdienst leitete. „So viele Angehörige, Urenkel, Enkel, Kinder sind da. Dazu die Gemeinde und mitten drin dürft ihr sein. Das Datum für dieses Fest war seit langem im Kalender festgelegt. Aber dass es tatsächlich stattfinden kann, das lag in Gottes Hand, der wir gern unser Schicksal anvertrauen wollen.“
„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.“ (2. Mose 20, 8 – 10)
Im Alten Bund galt das Sabbatgebot, begann der Bezirksvorsteher auf das Textwort einzugehen. Der Sabbat des Herrn, deines Gottes. So ist es in der Heiligen Schrift zu finden. Andererseits, in unserer heutigen Gesellschaft müssen sonntags viele arbeiten. Notdienste, Kranken- und Altenpflege, die Bäckereien wegen der Brötchen mit größerer Besucherfrequenz als es Kirchgänger gibt, der Straßenverkehr – alles muss aufrechterhalten werden. Letzterer durchaus gelegentlich mit unangenehmen Konsequenzen für den, der in eine Radarfalle am frühen Sonntagmorgen gerät…Die Anmerkung wurde von den Gottesdienstbesuchern sicht- und hörbar gut nachempfunden. Aber, im Ernst, gäbe es das alles nicht an einem Sonntag, dann wäre Chaos, hieß es weiter.
Ein Tag der Ruhe ist etwas Wunderschönes. Der ist aber nicht gleichzusetzen mit totaler Entspannung. Wir benötigen auch Seelenruhe. Für manche schwer erträglich. Sie lenken sich ab mit Aktionismus. Um bloß nicht ins Grübeln kommen zu müssen. Ängstlich zu werden beim Nachdenken über das eigene Leben, die eigene Zukunft und dabei keine Antworten finden zu können. „Wir kommen im Gottesdienst zusammen, machen uns bewusst, welche Fragen sich stellen und wir bekommen eine Antwort. Können Sicherheit aus Gottes Wort und dem Glauben an ihn erfahren.“
Das Sabbatgebot und die Vielfalt der mosaischen Gesetze: Gott hat damals Vieles in Gebote gefasst. Vorsichtsmaßnahmen, Hygiene- und Speisevorschriften, weil er es mit den Menschen gut meinte und sie vor Gefahren schützen wollte. Dem Menschen ist es eigen, das dann noch weiter auszuführen, zu verschärfen. Darum ging es den Schriftgelehrten. Da war es ein Gesetzesverstoß, wenn man am Sabbat über ein Feld ging und auch nur eine Ähre zum Verzehr aufhob. Es wurde über Jesus gerichtet, weil er an einem solchen Tag Kranke geheilt hat. Die Reaktion des Gottessohns: Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen, nicht umgekehrt. Daraus folgt, dass es nicht um das Nichtstun als solches geht. Vielmehr darum, den Tag, soweit es den Umständen nach möglich ist, für das eigene Seelenheil zu nutzen.
Mit dem Wochentag hat das nichts zu tun. Der Sonntag heute ist von Menschen definiert worden als freier Tag. Aber wir können ihn nutzen, um Gottes Wort zu erleben. Das, was der Heilige Geist lebendig macht. Der uns als Tröster gegeben worden ist. Im heiligen Abendmahl Jesus ganz nahe sein können. Gemeinschaft zu erleben, in der man sich, wie es sich Jesus gewünscht hat, untereinander liebt. Wenn auch heute nicht mehr so wie bei den frühen Christen, die in einer Art Kommune zusammengelebt, alles miteinander geteilt haben. Ein Gottesdienst, das ist rund eine Stunde. Das ist zwei- bis auch mal dreimal pro Woche zu viel an Zeit? Wie viel davon verwendet man auf andere Dinge. Es ist ein Angebot unseres himmlischen Vaters. Wenn ich es nicht nutze, ist es eine verpasste Chance. Was fehlt mir, wenn ich anderes bevorzuge? Entscheidend ist unser Bewusstsein: Sehe ich den Heiligen Geist als großen Helfer, der uns treibt? Nehme ich seine Impulse wahr? Dann setze ich die Schwerpunkte richtig. Wenn jemand diese Erde verlässt, kann das ein Denkanstoß für andere sein. Was mache ich daraus – zur Tagesordnung übergehen oder daran denken, die eigene Seele zuzubereiten? „ Machen wir uns bewusst, was unser Lebensziel ist. Nehmen wir Gottes Angebot an.“
Gemeindevorsteher Gotthilf Kohfink freute sich über den Denkanstoß: Sich darauf zu besinnen, was unser himmlischer Vater für uns getan hat. An das „diamantene Paar“ gerichtet, war er sich sicher, dass sie in der Rückschau erkennen können, dass da immer ein Gott-Erleben war in den vergangenen 60 Jahren. Aber auch für jeden in diesem Gottesdienst ein Anstoß, sich zu fragen, wer bin ich, was ist meine Zukunft? Heute wird das gern verdrängt, um nicht über die Sinnhaftigkeit des Lebens nachdenken zu müssen. Gott hat uns nicht geschaffen, damit wir nur ans Arbeiten denken und/oder daran, wie wir uns ein schönes Leben machen. Vielmehr sich in Nachdenklichkeit Gedanken darüber machen, was er Großes getan hat. Prioritäten setzen – was ist mir wirklich wichtig. Dann Gott an erste Stelle setzen und erleben können, dass mit ihm Vieles machbar und sogar leichter zu schaffen sein wird.
Nach der Feier des heiligen Abendmahls trat der Bezirksälteste zu den Eheleuten Stockinger. Er knüpfte an den gerade verklungenen Gesang ihrer Nachkommen und deren Partner an. „Vor 60 Jahren habt ihr von denen noch nichts wissen können. Und heute dürft ihr dem lieben Gott dankbar sein für alles, was in der Zeit seit der grünen Hochzeit entstanden und gewachsen ist. Kinder, Enkel, Urenkel – das Allerschönste und –größte, was man haben darf. In eurer Ehe wart ihr geführt durch das Empfinden, untrennbar ins Glaubensleben eingebunden zu sein. So habt ihr als Vorbild gelebt. Immer mit der Liebe als treibende Kraft. So, wie jetzt aus der Liebe heraus gesungen worden ist. Es gab Tage der Freude, der Trauer, der Widerstände. Das wurde gemeinsam bewältigt. Heute erlebt ihr gemeinsam einen Tag der Gnade Gottes. “Diesen Tag sollt ihr in Dankbarkeit in vollen Zügen genießen. Habt einfach Freude an der Liebe, die euch entgegengebracht wird.“ Gottes Segen sollt ihr bekommen. Er hat euch über Jahrzehnte beieinander erhalten. Das bleibt auch in Zukunft so. Seine Liebe, sein Nahesein sollt ihr auch in der Zukunft erleben. Auch in schweren Zeiten. Durch seine Gnade dürft ihr die Liebe derer spüren, die euch nahe stehen. Ihr wart ein Segen für viele. Das soll so bleiben. Göttlicher Friede steht höher als menschliche Vernunft. Nur Gott kann euch segnen. Nehmt aus allen Glück- und Segenswünschen eine besondere Kraft.“
Das Bibelwort zum Ehejubiläum fehlte? –Der Bezirksvorsteher hatte kein Schöneres finden können als das, das in jedem Gottesdienst zur Liturgie gehört: “Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Kor 13, 13), wie er nach dem Schluss-Segen erklärte.
Nach Beendigung des Gottesdienstes wurde ein Gemeindehelfer vom Bezirksältesten bestellt. Ein weiterer Segen…
Der Schlussgesang durch den familiären Chor folgte und danach, von einem Sohn des Paars in klaren und unwiderstehlichen Worten vorgetragen, die Einladung aller zum anschließenden von den Angehörigen liebevoll vorbereiteten Umtrunk mit Nahrhaftem dabei. Es wurde voll im Foyer der Kirche…
Am Ende des Berichts sollen Verse aus dem Lied stehen, das der gemischte Chor nach der Segenshandlung nicht nur als Bitte des „Jubelpaars“ vortrug:
„Dein Segen ist wie Tau den Reben, nichts kann ich selbst;
doch dass ich kühn das Höchste wage, sei du mit mir…“
(Vers 2, Nr. 148 Chorbuch für den neuap. Gottesdienst, Text Emanuel Geibel, 1815 – 1884)