Zu einem ganz besonderen Gottesdienst kommen, nicht nur aus dem Bezirk Tübingen, Glaubensgeschwister aus nah und fern am Mittwochabend zusammen
…und hätte die Liebe nicht,…“ (aus 1. Kor 13)
Um die ging es in seinem letzten Gottesdienst, den der Bischof, wie er das eh offene Geheimnis am Mittwochabend verriet, in „seiner“ Heimatgemeinde Tübingen halten wollte. Nach rund fünfzehn Jahren Tätigkeit als Bischof im Apostelbereich Tübingen (jetzt Freiburg/Tübingen) wird er Mitte Oktober in den Ruhestand gehen. Dem Anlass angemessen war so manche/r auch von weit und weiter her angereist. Das verrieten die Kennzeichen der vor der Kirche und drum herum abgestellten Pkw. Gekommen waren die Vorsteher der 12 Gemeinden des Kirchenbezirks und bis auf zwei, die krankheitshalber nicht hatten dabei sein können, auch alle Vorsteher und ihre Vertreter der (nur noch vier, denn es gehörten zwischenzeitlich auch die Bezirke Calw und Sindelfingen zum Bereich Tübingen) Bezirke Albstadt, Freudenstadt, Nagold und Tübingen, die zukünftig von Urs Heiniger, bisher nur Bischofsbereich Freiburg, mitbetreut werden. Er wird dann für alle derzeit neun Bezirke des Apostelbereichs zuständig sein. „Bringt ihm dieselbe Liebe und dasselbe Vertrauen wie mir entgegen.“ Sich das für seinen Nachfolger zu wünschen, war G. Kaltschmitt nach dem Gottesdienst ganz besonders wichtig.
…und hätte die Liebe nicht,… - das Eingangszitat ist nicht dem Textwort des Gottesdienstes entnommen, aber diese im Brief des Paulus an die Korinther mehrfach wiederholten vier Worte schwangen im Hintergrund mit in einem Gottesdienst, in dem es um die Liebe Gottes zu den Menschen und deren Liebe untereinander ging. Dem Bischof spürbar ein Herzensanliegen, die Bedeutung der Liebe und deren hohen Wert zu vermitteln. Aus der Liebe heraus zu denen, die ihm anvertraut waren. Kein Vermächtnis, denn ein Bischof im Ruhestand wird auch zukünftig ein offenes Herz für „seine“ Tübinger haben. Womit in dem Fall nicht nur die der Gemeinde Tübingen, sondern alle Glaubensgeschwister „seines“ bald ehemaligen Bereichs gemeint sind.
„Wir kommen ja aus einem Werktag. Im Alltag wird uns plastisch vor Augen geführt, was das Leben bietet: Positives und Vieles, was man sich so nicht wünschen würde. Und wenn es gut und schön ist, dann, so wissen wir, wird es nicht von Dauer sein. Alles, was wir anfassen, ist einem Wandel unterworfen wie wir selbst auch. Allein der ewige Gott ist beständig von Ewigkeit zu Ewigkeit. Für uns schwer zu begreifen: Er ist vollkommen, muss sich nicht wandeln oder gar verbessern. Was von Gott kommt, leuchtet in unser Leben. Kann uns im Diesseits schon Momente der Ewigkeit geben und Auswirkungen für die Ewigkeit haben: Liebe und Treue. In diesen Gaben können wir uns beständig zeigen und das wirkt in die Ewigkeit.“
So G. Kaltschmitt zu Beginn, bevor er auf das eingangs verlesene Textwort einging. Es zeigt die Bedeutung der Liebe in einer besonderen, nach dem Verständnis vieler Zeitgenossen Jesus` sicher nur schwer, wenn überhaupt zu verstehenden Begegnung des Gottessohns mit einer Sünderin: „Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben.“ (Lk 7, 47 u. 48)
Der Bischof erläuterte den Hintergrund der Bibelverse: Jesus, der zu Beginn seiner Lehrtätigkeit versuchte, auch den Pharisäern Gottes Willen und Wesen nahe zu bringen, war von einem von ihnen, Simon, zusammen mit anderen zum Essen eingeladen worden. Die Gesellschaft hatte sich zu Tisch gelegt, was den damaligen Sitten entsprechend wörtlich zu nehmen ist. So konnte die Frau, die einfach dazugekommen und von hinten an ihn herangetreten war, an Jesus´ Füße herangelangen, sie küssen und salben. Der Pharisäer war schnell fertig mit seiner Bewertung des Geschehens: Wäre Jesus ein Prophet, wüsste er, dass die Frau eine Sünderin ist und ließe dergleichen nicht zu. Jesus durchschaute ihn. Fragte, wer wohl Großzügigkeit mehr schätzen und den Gläubiger dafür auch mehr lieben würde. Der, dem wenig oder der, dem viel an Schulden erlassen worden ist? Simon hatte zuvor die üblichen Gepflogenheiten einem Gast gegenüber an Jesus versäumt. Dazu hätte u. a. gehört, Jesus das Haupt mit Öl zu salben. Die Sünderin aber hatte mit dem Küssen und Salben der Füße weit mehr als das getan: Ihre durch Handeln bewiesene große Liebe zeigte, dass ihr alle ihrer vielen Sünden vergeben worden waren. Deshalb war ihr die geschilderte liebevolle Zuwendung zum Gottessohn ein Herzensbedürfnis. „Dein Glaube hat dir geholfen;“, mit diesen Worten Jesus` an die Sünderin schließt das Kapitel.
Fazit: Glaube, Vergebung, Liebe – Gottes Liebe zu uns, die unsere zu ihm und anderen Menschen, bilden eine nicht voneinander zu trennende Kette.
Der Glaube an Jesus, an seine Gesandten und deren Auftrag, an sein Opfer und seine Gnade
Die Vergebung der Sünden erleben, den Wert der Gnade erkennend: Jesus ist für uns gestorben. Damit bezahlt Gott selbst für unsere Schuld. In diesem Sinn wird uns vergeben und vergeben wir anderen. So weit wir bereit sind, unsere Sünden zu opfern, so weit werden sie auch getilgt. In jedem Gottesdienst. Immer und immer wieder. Und was folgt daraus ?
Die Liebe. Unsere Liebe zum Herrn. Etwas zu tun: Selbst anderen vergeben. Auf den eigenen Stolz verzichten. Sich entschuldigen können. Vor Gott können wir mit dem, was wir aus Liebe tun, nie etwas falsch machen. Menschen können uns missverstehen. Gott nicht. Er ist kein Formalist und erkennt, wenn wir uns von der Liebe leiten lassen. „Die kann nie zu viel sein. Gibt es etwas Schöneres, als Gott und dem Nächsten Liebe zu schenken?“
G. Kaltschmitt war, wie er sagte, „sehr bewegt“. Davon, dass alle „seine“ Bezirksvorsteher nebst Vertretern, soweit möglich, am Abend nach Tübingen gekommen waren. Aber, so der Bischof, man möge Verständnis haben, er wolle an diesem Abend „seinen“ Bezirksältesten zu Wort kommen lassen. Mit dem habe er schon gemeinsam, beide als Diakon, an der Kirchentür gestanden, um die Glaubensgeschwister zu begrüßen. Später sei der „sein“ Vorsteher und danach „sein“ Bezirksältester gewesen. Und das ist Klaus von Bank für ihn als Tübinger auch weiter, erklärte der Bischof.
Das ließ den Bezirksvorsteher nicht völlig unberührt, schwäbisch sparsam formuliert. Wie ihn überhaupt dieser „letzte“ Gottesdienst des Bischofs, künftiger ein solcher im Ruhestand, sehr bewegte. „Als aktiver Amtsträger sich vorzustellen, den letzten Gottesdienst zu halten…“, das sind Gefühle, die man nicht in Worte kleiden kann, begann der Bezirksälteste. Es bedeutet, einerseits zurückzuschauen, andererseits aber auch wieder nach vorn. Nach so viel Ernst bekam wieder die heitere Seite des Bezirksvorstehers Oberhand: „Hilft nichts. Wir müssen da durch. Möge der Bischof so halbwegs bei uns selig werden…“ Und, wieder ernsthaft: „Seine Unterstützung, seine Gebete, seine liebe Zuwendung und Zuneigung zu uns werden weiterhin da sein.“
Auf das Textwort eingehend hieß es, da sei bei diesem Gastmahl damals einiges anders gelaufen als es eigentlich sollte. Wenn die Liebe sich so ungewöhnlich zeigt, wie es bei der Sünderin der Fall war, wie reagieren wir? Es nicht wahrhaben wollen, sich gewaltig aufregen? Jesus hat sich nie gescheut, die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie nicht jedem gefallen konnte. Einerseits. Andererseits, haben seine Jünger Fehler gemacht, zum Beispiel gegen das für Juden geltende Sabbatverbot verstoßen, dann hat er sie immer in Schutz genommen.
Auf das auch im Lied angeklungene Thema des Abends, die Liebe eingehend, die im Gemeindegesang bei allen drei Liedern im Mittelpunkt stand, u. a. „Mehr lieben möcht ich dich,…“ (Eingangslied, Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche Nr. 236, Vers 1, Text Elisabeth Prentiss, 1833 – 1919), hieß es ganz pragmatisch: „Da haben wir viel zu tun.“ Und es folgte der Wunsch: „Gott entwickele dich in die richtige Richtung.“
Und zum Schluss als Ermunterung, einen Gedanken aus einem Gottesdienst mit Stammapostel (i. R.) Dr. Wilhelm Leber in Tübingen (2008, siehe Bericht….) aufgreifend, sagte der Bezirksvorsteher: „Was hindert uns, schon jetzt Leben und Freude in den Gemeinden zu schaffen, wie wir sie in der Ewigkeit erleben wollen?
Danach der Bischof, zur Feier des heiligen Abendmahls überleitend: Liebe ist der Maßstab. Äußerlichkeiten, die äußere Form spielen keine Rolle. Hauptsache, er, Gott, ist da. Liebe – lassen wir sie einfach wirken. Sie kommt so ins eigene Herz zurück. Im Vaterunser beten wir: Vergib, wie wir vergeben. Das ist der Maßstab. Aus Liebe zum Nächsten wird uns vergeben. Was die Liebe nicht schafft, kann anderes Bemühen nicht bewirken. Liebe ist die Eigenschaft, die auch in alle Ewigkeit in Gottes Gegenwart bestehen wird.
Im Textwort sagt Jesus zur Sünderin dem Sinne nach, sie möge nun in Frieden gehen und sich nicht an den anderen stören. Wir können aus jedem Gottesdienst den Frieden mitnehmen. Mit der Freisprache heißt es: Und der Friede des Auferstandenen sei mit dir! Das im Glauben ergreifen und wir haben Frieden. Ich kann ihn mitnehmen, verschenken, muss ihn nicht allein für mich behalten. „Wir wollen heute Abend auch in Frieden gehen dürfen!“
Das ging nach der Feier des heiligen Abendmahls und dem Schlussgebet nicht gleich sofort, sonst hätte man etwas verpasst. Es folgten noch ein paar sehr persönliche Worte „unseres“ Bischofs:
„Ich möchte euch danken, dass ihr gekommen seid aus nah und fern. Viele haben mich mit ihrem Kommen überrascht. Ich fühle so viel Liebe und Zuneigung.“ Und er gab nach einem Rückblick auf das Gewesene auch gleich einen Ausblick auf das Kommende: Tübingen ist meine Heimatgemeinde. Hier bin ich getauft, versiegelt, konfirmiert worden. Habe den Segen zur Verlobung und mein erstes kirchliches Amt bekommen. Danach war ich kurz Priester und Dirigent. Nun wurde arg gekürzt: „Dann ging es in die weite Welt.“ Der Bischof weiter: Heute schließt sich ein Kreis. Bei allen gemischten Gefühlen ist meine Gemeinde mein Trost, die hoffentlich auch weiter gnädig mit mir ist. „Das darf ich jetzt erleben und ich freue mich drauf. Wir wünschen uns gemeinsam eine tolle Zukunft!“
Die hätte nicht besser beginnen können. Gemeindevorsteher Arndt Bayer lud alle ein, gemeinsam mit dem Bischof im Gartengeschoss der Kirche beisammen zu bleiben. Durst und Hunger würde niemand erleiden müssen. Dafür hatten die Tübinger gesorgt und waren so schon mal im vorauseilenden Gehorsam ihrem Vorsteher gefolgt, der abschließend an sie appellierte:
„Nehmt ihn, einen ganz lieben Bischof, mit der Liebe auf, die heute Abend das Thema war!“