Unter der Leitung von Rainer Gottschalk musizieren der Gäuchor, Klavier und Schlagzeug
„…Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8, 22)
Mit der tröstlichen göttlichen Zusage endete die auszugsweise Lesung aus der Genesis von Ulrike Haß, die die Rolle der Sprecherin der die einzelnen Musikvorträge inhaltlich verbindenden Texte hatte. Meist las sie, vom Klavier, Jan-Thilo Bayer, begleitet, der auch viele der Lieder, u. a. gemeinsam mit dem Schlagzeug, Eric Kromer, souverän mit beeindruckender Treffsicherheit für den in jeder Weise richtigen Ton auf dem Piano akustisch „auf den Punkt“ brachte. Die Leitung des Gäuchors, bestehend aus etwa 60 SängerInnen, Mitglieder der acht Gäugemeinden des Kirchenbezirks Tübingen, hat Rainer Gottschalk/Gemeinde Nufringen seit 2013. Viele der Lied- und Instrumentalsätze der Kantate sowie auch einige Texte hatte er selbst verfasst. Deren Thema waren, dem Erntedanktag an diesem 2. Oktober 2016 entsprechend, die Bitte um und der Dank für das tägliche Brot.
Was ihn bewegte, als er seine „Erntegedanken“ formulierte, in Musik umsetzte, mit dem Chor und den Instrumentalisten in zehn Übungsstunden gestaltete, war vor dem Konzert in einer Bildpräsentation auf einer Leinwand an der Wand rechts vom wunderschön geschmückten Erntedankaltar in der Herrenberger Kirche zu sehen: Da gab es Fotos und Texte zum Reichtum der Erde einerseits und zum Hungern und Sterben großer Teile der Menschheit in Erdteilen außerhalb Europas andererseits. Üppige Teller, leckerer Fisch, viele Brotsorten, Früchte und Gemüse, in Vielfalt gegenübergestellt ernüchternden Zahlen, die den Appetit zum Hineinbeißen in die Köstlichkeiten abrupt schwinden ließen: 800 Millionen Menschen weltweit müssen Hunger leiden. Einer von neun Bewohnern dieser Erde muss hungrig schlafen gehen. Und das jeden Tag.
Eindrucksvoll demonstrierte die Sprecherin das Leid und Elend durch Hunger bei ihren einleitenden Worten: Alle drei Sekunden stirbt ein Mensch, weil er nicht genug zu essen hatte: Jetzt…jetzt…jetzt… Das Wasser kommt aus der Leitung? Zur Not wird eben künstlich bewässert, wurde vor dem Konzert im Bild gezeigt. In anderen Breiten – verdorrte Äcker, Böden mit tiefen, der Trockenheit geschuldeten Furchen. Da wächst garantiert – nichts. Und wir, so die Sprecherin, gehen in den Supermarkt und haben Auswahl in Fülle und freuen uns an der sorgsam gehegten und gepflegten Tomatenpflanze auf dem eigenen Balkon. Nichts, gar nichts ist selbstverständlich.
Werner Lampprecht, stellvertretender Leiter des Bezirks Tübingen, sprach zu Beginn ein Gebet. Er betonte die Dankesschuld Gott gegenüber, denn „der Mensch kann nichts wachsen lassen,“ und wünschte jedem „guten Empfang mit Herz und Ohren.“
Choräle und Lieder, u. a. von Arno Pötzsch (1900 – 1956), dazwischen Lesungen, und Eigenkompositionen des Dirigenten folgten. Auch das altbekannte Gedicht von Matthias Claudius „Wir pflügen und wir streuen…“, in dem „das schöne Frühlingswetter“ wie auch „Schnee und Ungetüm“ als Gottes Gaben gewürdigt werden, durfte nicht fehlen. Das alles ließ die Zeit im Flug vergehen. Als Letztes dann „Danket dem Herrn“ (Text Ps 116, 1, Musik nach J. H. Lützel (1823 – 1899) mit Klavier, Schlagzeug und Chor. Das tröstliche Versprechen am Ende des Psalms „…und seine Güte währet ewiglich“, kam, an Lautstärke nicht mehr zu überbieten (?), vom Chor…doch, das Schlagzeug konnte noch gewaltig mehr: beim Ausklang des Gesangs ein letztes Auftrumpfen des Instruments, kurz, mehr als kräftig und garantiert jeden noch einmal nachmittags gegen 16 Uhr hellwach machend. Die schwäbischen Mauern der Herrenberger Kirche sind nicht die von Jericho.
Verdienter Beifall forderte eine Zugabe: Es folgte noch einmal, mit Chor, Klavier und Schlagzeug, ein Lied aus der Kantate: „Danke für alle guten Gaben“, Text unbekannt, Melodie Martin Gotthard Schneider, geb. 1930. Darin wird u. a., gesungen nur von den Frauenstimmen, die gerade aktuelle Jahreszeit beschrieben „Danke für alle bunten Blätter, wenn der Sommer geht…“ und den kräftigeren Männerstimmen, weniger lyrisch, dafür aber sehr pragmatisch, bleibt vorbehalten ein „Danke, für jeden guten Tropfen…“
„Danke“ an alle Beteiligten für Musik und Gedanken zum Erntedanktag 2016. Solisten, Sprecherin und Dirigent bekamen, mehr als verdient, als Solitär oder Strauß, einen sommerlich strahlenden Blumengruß von einer noch recht jungen Glaubensschwester mit mütterlicher Begleitung überreicht.