An einem Spätsommertagsabend Ende September kommt hoher Besuch in die Gäumetropole
„Singt ein Lied von Gott, dem Schöpfer dieser Welt,
dessen Allmacht niemals endet, dessen Werke ungezählt.
Gott erschuf auch uns, die Sinne, den Verstand.
Seine Gegenwart umhüllt uns und wir sind in seiner Hand.
Gott ist da,…“
(Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 344, Text und Melodie Peter Strauch,
geb. 1943)
„Gott ist da,…“ überzeugt und überzeugend, so war gerade das vom gemischten Chor, bestehend aus SängerInnen aller zum Gottesdienst eingeladenen Glaubensgeschwister aus den Gäugemeinden, Herrenberg und drum herum, verklungen. „Gott ist da, wenn er uns einlädt in sein Haus.“ , griff Georg Kaltschmitt zu Beginn den Gedanken des Lieddichters auf. „Deshalb sind wir gekommen.“ Es geht darum, das auch wahrzunehmen. Nicht selbstverständlich. Gott kann da sein und wir – merken es nicht, machen „unsere Seele nicht auf.“ Seine Gegenwart ist etwas ganz Heiliges. Wir sehen „nur“ einen Menschen auf dem Altar. In ihm den Herrn sehen, sonst ist Gott nicht da. Er will sich in jedem, in Bruder und Schwester, unter den Menschen offenbaren. „Und damit sind wir beim Textwort“:
„Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unseren Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.“ (2. Kor 3, 3)
Zum geschichtlichen Hintergrund: Den reisenden Aposteln damals, im konkreten Fall ging es von Jerusalem nach Korinth, wurden keine „Empfehlungsschreiben“ vorausgeschickt und sie führten auch keine mit sich. Paulus konnte nichts vorweisen, keinen Brief von Jesus, der ihn als Apostel ausgewiesen hätte. Seine Legitimation war das, was Gott in die Gemeinde hatte hineinlegen können. Das ist „ein Brief Christi“, wie Paulus es formuliert.
„…durch unseren Dienst“ – der Apostel drückt aus, dass die Gemeinde Brüder hat, die ihr dienen, damit man „lesen“ kann, dass in sie etwas aus dem Geist Gottes hineingelegt wurde. „Die Gemeinde heute Abend ist auch ein `Brief Christi`“. Eltern, Sonntagsschul- und Konfirmandenlehrer, Amtsträger haben Gottes Geist in sie hineingelegt. So fühle ich mich aber gerade gar nicht? Es gilt immer Gottes Wort: Ich habe dich je und je geliebt und zu mir gezogen in meiner Güte. Seine Liebe bleibt, auch wenn wir uns abwenden. Immer, auch und gerade im Leid, gibt sie uns Kraft.
Das Kapitel, dem das Textwort entnommen ist, trägt die Überschrift: „Die Herrlichkeit des Dienstes im neuen Bund“. Göttliches Leben in uns, sein Geist in uns sind gegeben, um damit zu dienen. Wir sollen zeigen, was in uns lebt. Gott will durch dich und mich in dieser Welt anwesend sein. Das muss zu sehen sein. Gott wollte mit dem Menschen ein Bild schaffen, das ihm gleich sei. Dazu gehört, Freude ausstrahlen zu können, die anderen Hoffnung gibt. Was in uns lebt, soll Außenwirkung haben. Göttliche Gaben, Jesus´ Wesen und nicht unsere persönlichen Talente wollen wir mit dem, was wir können, verwirklichen. Jesus sprach von einem neuen Gebot, das er den Seinen gibt, damit jeder erkennen kann, dass sie seine Jünger sind. Im alten Bund gab es das Gesetz auf steinernen Tafeln. Das Zeichen, Gottes Volk zu sein, bestand darin, sich an dieses Gesetz zu halten. Für den neuen Bund gilt ein neues Gesetz: Dass ihr euch untereinander lieb habt. Dieses Gesetz ist in die Herzen geschrieben und nicht auf stumme Tafeln. Wem das Wesen Gottes ins Herz gelegt ist, dem ist es ein Bedürfnis, darin zu leben. Es zu einem Stück des eigenen Wesens zu machen. Nicht wie im alten Bund Gehorsam aus Angst vor Strafe. Vielmehr aus eigener Erkenntnis, anderen diese vermittelnd, Jesus nachfolgen. Die Mitmenschen können wahrnehmen, ob das der Beweggrund für das eigene Verhalten ist oder ob es etwa um den eigenen persönlichen Vorteil geht.
Göttliches Wesen macht uns Jesus ähnlicher und führt in die Gemeinschaft mit ihm und seinem Vater. „Dahin wollen wir!“
Bezirksevangelist Werner Lampprecht vertiefte den Gedanken des „lesbaren Briefs“: Wie oft stellt man bei Kindern fest, sie seien „ganz der Vater“ oder „ganz die Mutter“. Man kann erkennen, aus welcher Familie sie kommen. So wollen wir, dass deutlich wird, wo wir unsere Kraft hernehmen. Wie wir unsere Zeit verbringen. Um das zu vermitteln, reicht der sonntägliche und der unter der Woche einmal stattfindende Kirchgang nicht, den andere sehen können. Vielmehr sollen wir immer ein lesbarer Brief Christi sein. Aufmerksam machen durch unsere Kraft und Freude, die wir ausstrahlen. Mit dem Lebenswandel zeigen, dass es da etwas ganz Besonderes als Quelle gibt.
G. Kaltschmitt, in Tübingen zu Haus, wollte an diesem Abend auch noch etwas von „seinem“ Vorsteher hören, Hirte Arndt Bayer: Ein lesbarer Brief sein – er wolle das für sich dahin gehend umsetzen, dass man von ihm sagen könne, er bemühe sich, ein Christ zu sein. Ein Thema dabei – wie gehe ich mit eigenen Fehlern um? Kann ich dazu stehen? Ehrlich um Entschuldigung bitten, wenn etwas daneben gegangen ist? Wie gehe ich mit den Fehlern anderer um? Freue ich mich über „Verbündete“ oder suche sie gar, die genauso wie ich mit dem Finger auf den zeigen, der sich nicht korrekt verhalten hat. Oder kann ich, wenn so etwas geschehen ist, am anderen Tag den anderen gegenüber eingestehen, dass das so eigentlich nicht richtig war und ich mich vielmehr mit dem, der daneben getappt ist, versöhnen möchte. „Perfekt werde ich nicht werden. Aber wenigstens soll es von mir heißen, ich bemühe mich, wie ein Christ zu leben.“
„Gott weiß, dass wir Fehler machen. Er hat eine Riesenquelle von Versuchungen zugelassen. Aber zum Glück gibt es Gnade. Dafür hat Jesus sein Leben gelassen. Er bezahlt für uns. Ohne Gnade könnten wir nicht vor Gott bestehen.“, leitete der Bischof zur Feier des heiligen Abendmahls über.
„Vielen Dank, dass ihr gekommen seid“, hieß es nach dem Ende des Gottesdienstes vom Altar.
Hirte Klaus Giringer, Gemeindevorsteher in Herrenberg, sprach anschließend aus, was wohl so manchen Gottesdienstbesucher an diesem Abend auch bewegt hatte: Der bevorstehende Ruhestand des Bischofs. Mit ziemlicher Sicherheit war dieser Gottesdienst der letzte, den Georg Kaltschmitt in Herrenberg geleitet hatte: „Herzlichen Dank für deine Arbeit für uns!“ Diesen Worten des Hirten ist eigentlich nichts hinzuzufügen und der Bericht könnte enden. Womit man aber den Herrenbergern und ihrem Gemeindevorsteher nicht gerecht werden würde. Die hatten im Foyer der Kirche zum Abschied, damit der nun nicht zu traurig ausfiel, ein Buffet mit Ess- und Trinkbarem hergerichtet. Dazu ließ man sich nicht zweimal bitten. Und so konnte im Gäu mit einem lachenden und einem weinenden Auge das nahende Ende einer wunderbaren Zeit mit einem aktiven Bischof Georg Kaltschmitt angegangen werden. Die Floskel mit dem wohlverdienten Ruhestand wird hier nicht strapaziert. Sicher nicht nur wir aus den Gäugemeinden wünschen uns, mit Gottes Hilfe, einen aktiven Bischof Georg Kaltschmitt (wenn auch i. R.).