Sonntag, 21. August 2016 – Gottesdienst für die Gemeinden Tübingen, Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen und Rottenburg in der Universitätsstadt
„Großer Gott, wir loben dich. …“(Neuap. Gesangbuch Nr. 255, Text nach dem „Te Deum“ des 14. Jh. von Ignaz Frank)
spielte die um zwei Nachwuchsmusiker bereicherte Tübinger Instrumentalgruppe vor dem Gottesdienst. Den Schöpfer aller Dinge an einem frischen, dennoch schönen, wenn auch den beginnenden Herbst schon ahnen lassenden Sonntagmorgen loben zu können, das war sicher keine so große Herausforderung wie sie es ab und an im Alltagsgeschehen dieser Tage ist. Aber auch dann festhalten können am Glauben, unter anderem diese Bitte, für alle Christen, lag dem Bischof im Eingangsgebet am Herzen.
„Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.“ (Mt 5, 39 – 41)
„Heute morgen wird ganz viel über die Liebe zu hören sein.“, so zu Beginn der Bischof. Wenn ich davon überzeugt bin, Gott liebt mich, wenn ich davon erfüllt bin, dann bin ich auch mehr und mehr bereit, aus Liebe zu handeln und sie anderen zu schenken. „Wir sind gekommen, um Gottes Segen zu teilen.“ Wenn man sich bei einem gemeinsamen wunderschönen Menü untereinander austauschen kann über die Freude am Genießen, dann verdoppelt sie sich, mindestens. Geteilter Segen wird für den Einzelnen nicht anteilmäßig weniger. Vielmehr ist Segen unbegrenzt da und nicht nur, „solange der Vorrat reicht.“
Das dem Gottesdienst zugrunde liegende Bibelwort ist dem Kapitel des Evangeliums entnommen, in dem es um die Bergpredigt geht. Sie steht am Anfang der Tätigkeit des Gottessohns auf Erden. Jesus kam als Teil der dreieinigen Gottheit zu den Menschen. Er wollte ihnen klarmachen, dass, anders als im alten Gesetz, in dem es „nicht zimperlich“ zuging, was die Konsequenzen bei Nichtbefolgung von Geboten anbetraf, Gott die Menschen nicht strafen, sondern ihnen helfen will. Er will, dass sie göttliches Wesen aus innerer Überzeugung heraus zu ihrem eigenen machen. Jesus nahm Beispiele aus dem alten Gesetz und zeigte auf, dass nach göttlichem Willen jetzt und zukünftig anders mit Manchem umzugehen ist. Die Begründung: Ich komme vom Vater, „Ich aber sage euch…“
Aus dem eingangs verlesenen Text aus dem Matthäus-Evangelium folgt, dass nach dem Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn keine Versöhnung entstehen kann. Dagegen nach einem Schlag „auf deine rechte Backe“ auch die andere dafür hinhalten – einen krasseren Gegensatz gibt es nicht. Letzteres entspricht nicht dem Urtrieb des Menschen. Vielmehr ist es eine Kunst, Böses mit Gutem zu vergelten. Aber sie zeigt Außenwirkung: Jesus, der, schon am Kreuz, noch seinen Vater bitten konnte, den Feinden zu vergeben, da sie nicht wussten, was sie taten, vermochte den römischen Hauptmann, der das hörte, zu überzeugen: „Wahrlich, er war Gottes Sohn.“
„…und dir deinen Rock nehmen (will), dem lass auch den Mantel.“ Also nicht um Materielles streiten. Vielmehr sich den eigenen Frieden mehr wert sein zu lassen und dafür Verzicht üben zu können.
„…wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.“ Unter römischer Besatzung war bei entsprechender Aufforderung durch einen Soldaten dieser eine Meile auf seinem Weg zu begleiten. Nun sogar zwei? Ja, denn es gilt nicht zu rechnen, sondern einfach die Liebe walten zu lassen. Was nicht bedeutet, dass sich ein Christ alles gefallen lassen muss. Es gibt Gesetze und staatliche Institutionen, die für deren Einhaltung sorgen. Wir dürfen
Gott um die richtigen Gedanken und Entscheidungen bei solchen Problemen bitten. Mit dieser Einstellung in sich hineinhorchen und er wird uns helfen, das Richtige zu tun.
Fazit: Es ist keine Kunst, sich den menschlichen „Urgefühlen“ hinzugeben. Zum Beispiel beim Missgeschick eines anderen, der uns geärgert hat, Schadenfreude empfinden. Eine wahre Kunst hingegen ist es, aus innerer Überzeugung heraus sich an Jesus` Handeln ein Beispiel zu nehmen. Wenn das gelingt, hat man Mut und Motivation, das immer wieder zu probieren.
Hirte Lothar Dopf, Vorsteher der Gemeinde Rottenburg, hatte, wie er es formulierte, an dem Textwort „ganz schön zu schlucken“. Nächstenliebe in der Praxis zeigen – kann nur durch Liebe gelingen. Frisch Verliebten fällt jedes Opfer für den anderen ganz leicht. Und auch, wenn „die Schmetterlinge im Bauch“ in späteren Jahren vielleicht etwas langsamer fliegen – mit Liebe geht alles leichter. Durch den Heiligen Geist haben wir die Liebe Gottes empfangen. Was nicht bedeutet, dass jeder mit uns machen kann was er will. Aber bei einem Diskurs nicht noch Öl ins Feuer gießen. Vielleicht das Ganze auch mal vom Standpunkt des Anderen betrachten. Und nie vergessen: Liebe ist das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es verschwendet.
„Gott ist Liebe pur.“, fuhr der Bischof fort. Die Liebe macht den Himmel zum Himmel. Wenn die Liebe Gottes in der Neuen Schöpfung allein regieren wird, dann bedarf es der Zehn Gebote nicht mehr, so Kaltschmitts Überzeugung. Und heute schon wird uns aus dieser Liebe heraus immer wieder aufs Neue Gnade geschenkt. Gnade ist keine unverdiente Liebe: Wenn mir vergeben wird, dann vergebe ich auch. Es reicht nicht aus, nur äußerlich nicht zurückzuschlagen, aber das mit viel innerem Groll. Vielmehr sich so weit überwinden können, dass auch im Herzen, und nicht nur nach außen hin, alles vergeben ist. „Gott hat zugelassen, dass wir immer wieder angefochten werden. Weil er das weiß, ist er auch immer wieder bereit, Gnade zu schenken.“
In Baden-Württemberg genießen derzeit noch viele die Ferien- und Urlaubszeit, auch in Tübingen und Umgebung. „Wunderschöne Tage, und bis zum nächsten Mal.“, verabschiedete sich daher der Bischof. Und hatte einen Wunsch für sich, dessen Erfüllung er ganz sichtlich genoss: Noch einmal sollte die Instrumentalgruppe spielen. Was sie auch tat. Und was war zu hören? Nun, es hat schon seinen Grund, dass der oben nur zum Teil zitierte Gesangbuchvers hier vervollständigt wird:
„…Herr, wir preisen deine Stärke.
Vor dir beugt die Erde sich und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.“