Gottesdienst in Herrenberg mit Bischof Urs Heiniger – Ein Kind wird getauft und Gemeindevorsteher i. R. Helmut Vetter (Gemeinde Gärtringen) und seine Ehefrau Brunhilde feiern 65-jähriges Ehejubiläum
„Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen.
Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen,…“
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 156, Vers 1, Text und Melodie Anders Ruuth, 1926 – 2011)
An dieses vom gemischten Chor, bestehend aus Mitgliedern der acht Gäugemeinden des Kirchenbezirks Tübingen, die alle nach Herrenberg eingeladen waren, zu Beginn des Gottesdienstes gesungene Lied knüpfte Bischof Urs Heiniger an. „Großartig, zu erleben, beim himmlischen Vater bewahrt zu sein. Wie jetzt im Gottesdienst.“ Im Alltag erlebt man so viel – Hoffnung, Enttäuschung, aber hier fühlt man sich wohl. Wenn man Gottes Liebe empfinden kann. „Dazu dürfen wir jetzt auf den Berg des Herrn, in Herrenberg.“, wurde auf den Namen der Stadt angespielt, in der man sich befand. Hochkommen – bedeutet, aus meinen eigenen Vorstellungen herauszukommen. Sich anzustrengen, sich zu überwinden, nicht nur zu konsumieren. Ein Herzensopfer zu bringen und die eigenen Gedanken beiseite zu lassen. Sich wünschend, am liebsten, wie damals die Jünger auf dem Berg der Verklärung, da bleiben zu können, wo Ewigkeit und Zeitlichkeit sich so nahe sind. „So möchte ich die Geborgenheit im Gottesdienst erleben können.“
„Es ist einem Mann eine Freude, wenn er richtig antwortet, und wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit!“ (Spr 15, 23)
„Ein Wort“, begann U. Heiniger auf das Textwort einzugehen. Worte werden so viele gesprochen. Unterwegs bei einer Bahnfahrt, endlose Monologe kann man da hören. Oder es wird ohne Punkt und ohne Komma telefoniert. Bedeutet das, dass auch etwas gesagt wird? Bringe ich so etwas rüber? Oder nur viel Lärm und wenig Sinn. Ein Paar hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nach Streit mit heftigem Wortwechsel gemeinsam einen Spaziergang zu machen. Bergauf. Je weiter sie nach oben kommen, desto stiller wird es. Ganz einfach, weil man die Atemluft für anderes braucht. Beide werden so auch innerlich still. Denken endlich mal über die Meinung des anderen nach. Und werden sich bewusst, dass sie gemeinsam, miteinander, nach oben und vorwärts streben wollen.
Wie viel Großartiges kann Gottes Wort wecken. Den Nächsten zu lieben. Ihn zu trösten. Und Gott ist das Wort. Durch sein Wort „Es werde!“ ist alles geschaffen worden. Und zwar so, dass es Bestand hat. Immer noch funktionieren Aussaat und Ernte, trotz aller menschlichen Versuche, daran „herumzubasteln“. Durch Jesus` Geburt wurde das Wort Fleisch und wohnt mitten unter uns. Und hatte die Macht, alles bis dahin Gültige aufzuheben. Ein Wort kann Großes bewirken, wenn es richtig eingesetzt wird. Aber dagegen steht das Böse: Sollte Gott das wirklich gesagt haben? Sein Wort wird relativiert: Kann ich das, was vom Altar gesagt wird, wirklich so eins zu eins übernehmen? Ist das nicht vielleicht doch nur die persönliche Meinung des Amtsträgers? Wie kann eine Frau ihren Mann trösten, der schlecht drauf ist, wenn er sie und seine Ehe in Frage stellt. Mache ich das mit einem Gottesdienst, kann ich kein Wohlfühl-Erlebnis dabei haben.
„Richtig antworten“ – eine Freude. Schon ein Schulkind ist glücklich über seinen Erfolg, wenn es eine zutreffende Antwort geben kann. Gott redet mit uns. Wenn wir unser Herz öffnen, ist das eine großartige Kraftquelle. Dann erreichen wir ein richtiges Ergebnis. Das Wort Jesus` hat die einen erfreut, die anderen geärgert. Richtig reagieren auf sein Wort. Nehmen wir es mit dem Verstand auseinander, kann es nur unpassend sein und nicht erfreuen.
Wie wohl tut ein Wort „zur rechten Zeit“. Aber auch mal still sein können. Damit kann manchmal mehr gesagt werden als durch viele Worte. Zur rechten Zeit – aus der Emotion heraus ein Wort gesprochen und es fällt ungerecht aus. Das rechte Wort zur rechten Zeit. Drei „Filter“ sind da angebracht: Wie ist gerade meine Herzenseinstellung? Will ich mich nur selbst rechtfertigen? Sind meine Worte von der Liebe zu Gott und dem Nächsten getragen? In ganz einfachen Worten können Kraft und Macht liegen. In Jesus` Wesen hineinwachsen. Den Nächsten wirklich wahrnehmen und lernen, sich selbst zu beherrschen. Herz und Seele öffnen, damit der Heilige Geist die richtigen Impulse geben kann. Um die Weisheit Gottes flehen. Aus deren Quelle, Jesus Christus, schöpfen. Viele Aufgaben…aber sie in Angriff nehmen. Um die Wirkung richtiger Worte zu erleben, getragen von Nächstenliebe. Dann fühlen wir uns wohl in der Gemeinde.
„Ein hochinteressantes Wort, weil praxisnah. Jeder hat sich darin gefunden.“, fuhr Hirte Lothar Dopf, Gemeindevorsteher in Rottenburg, fort. Der Mensch, jedenfalls er selbst, neigt dazu, das Herz auf der Zunge zu tragen und später – tut es einem leid und man ist um Schadenswiedergutmachung bemüht. Für sich selbst habe er auch ein probates Rezept, um nach Meinungsverschiedenheiten wieder „runterzukommen“: Mit dem Hund einen ausgedehnten Spaziergang machen. Der widerspreche nicht. An sich selbst arbeiten: Kann ich zu dem, was ich im Gottesdienst höre, ja und amen sagen oder ist meine Reaktion ja und aber? Der damals zu Jesus kam, damit sein Knecht geheilt werde, konnte sagen, sprich nur ein Wort, Herr, und er wird gesund. Die Jünger, die als erprobte Fischer nichts gefangen hatten, folgten Jesus´ Rat wider alles fachmännische Wissen und meinten nicht etwa, na, der hat gut reden. Ihr Glaube wurde durch reichen Fang belohnt. „Des Herrn Wort ist `ja` und `amen` und das soll gelten.“
Zur Vorbereitung der Feier des heiligen Abendmahls griff U. Heiniger eine „Problemstelle“ im menschlichen Zusammenleben besonders auf: Worte – schnell dahergesagt und wie abgeschossene Pfeile, die man nicht zurückholen kann. Und die den Nächsten treffen. Gott schenkt Gnade, aber das setzt den Willen voraus, nicht im alten Stil weitermachen zu wollen. Buße zu tun. Sich selbst zurückzunehmen. Warum kannst du sicher sein, dass in jedem Gottesdienst deine Sünden vergeben werden? Weil danach wirklicher Friede das Herz erfüllt. Der nie tiefer erlebt wird als nach der Freisprache. Man kann gesund sein, reich, sich riesig freuen, dass es jetzt sechs Wochen Sommerferien am Stück gibt – ohne Frieden ist das alles nichts wert. „Die Macht der göttlichen Liebe schafft Reichtum in der Seele. Das wollen wir erleben.“
Nach der Feier des heiligen Abendmahls sollte Emily das Sakrament der Heiligen Wassertaufe empfangen. Die Eltern waren mit ihrem Kind auf dem Arm nach vorn getreten. Ein weibliches Gesangs-Duo mit Klavierbegleitung, Verwandte des Täuflings, wünschte der Kleinen musikalisch viele gute Dinge, die jeder Mensch gern hätte. Und immer wieder im Refrain: Gottes Segen. Daran knüpfte der Bischof an: Gottes Segen – nichts Mysteriöses, weit Entferntes, und nichts, was mit irdischem Reichtum zu tun hat. „Ein Segen, dass ihr Emily haben dürft. Und ihr dürft ein Segen für euer Kind sein.“ Sechs Mal in der Nacht aufstehen müssen, ein Segen? Und später, wenn das vorbei ist, andere Herausforderungen, ein Segen? „Gott schenkt euch die Kraft, ein Segen sein zu können.“ Dass ein Kind glauben kann, ist in ihm angelegt. Aber der Glaube muss gepflegt werden. Miteinander reden, mit und für das Kind beten. Ihm vorleben, dass man die Fehler anderer in Liebe tragen kann.
Nicht genug der feierlichen Momente an diesem letzten Julisonntag 2016 in der Herrenberger Kirche. Helmut und Brunhilde Vetter, Gemeinde Gärtringen, sollten den Segen zu ihrer Eisernen Hochzeit gespendet bekommen. Helmut Vetter war in Gärtringen Gemeindevorsteher (1978 – 1993). Immer unterstützt von seiner Frau. Und auch danach, solange es physisch noch irgendwie ging, haben sie Vieles für ihre Gemeinde getan. Blumenschmuck, Putzen…und ganz besonders eins – von Frühjahr bis Herbst, wann auch immer man unter der Woche bei der Gärtringer Kirche vorbeikam, irgendwie war mindestens einer von den beiden mit der Pflege der Außenanlage beschäftigt. Wiederum hatten Familienangehörige, dieses Mal Querflöte und Klavier, für die musikalische Einleitung der feierlichen Handlung gesorgt. „Tief bewegt und dankbar“, drückte U. Heiniger das Empfinden nicht nur des „Jubelpaars“ aus. In vielen Jahrzehnten hat man Höhen und Tiefen gemeinsam durchlebt und ist denselben Glaubensweg gegangen. Wie lange noch, das weiß niemand. „Aber solange Gott euch die Gnade schenkt, wollt ihr miteinander gehen.“ Trotz mancher körperlicher Einschränkungen nach vorn sehen, mit Zuversicht im Herzen. „Legt eure Sorgen in Gottes Hand. Fühlt euch darin miteinander geborgen. Seid fröhlich dabei.“ Was nicht bedeutet, zu jauchzen und zu springen. Aber im Herzen innere Freude und Sicherheit verspüren zu können. „Solche Augenblicke wünsche ich euch!“ Mit auf den Weg gegeben wurde den Beiden ein Wort aus der Bergpredigt: „Seid fröhlich und getrost: es wird euch im Himmel gelohnt werden.“ (Mt 5, 12)
Für eine besondere Zeit mit ganz besonderen Herausforderungen gab es einen besonderen Segen Gottes, verbunden mit der Zusage: „Ich bin mit euch!“
„Wir als Gemeinde freuen uns aus ganzem Herzen, euch in der Mitte zu haben.“, so zum Schluss der Bischof.
Der freute sich nach dem Gottesdienst auch darüber, in Herrenberg einen besonderen Sonntag erlebt zu haben. Das Ergebnis – man sehe doch besser nicht so auf die Uhr. Trotzdem hoffe er wiederkommen zu dürfen. Und dass es nun am Ende des Gottesdienstes eine halbe Stunde später als sonst sei… So gegen 10.30 Uhr hatte es Blitz, Donner und einen gewaltigen Regenguss gegeben. Inzwischen habe es sich auch ausgeregnet, sagte der Bischof. Die 30 Minuten länger seien durchaus von Vorteil. Ein schwer wiegendes Argument. Aber so, wie sie strahlten, hatten die Besucher ohnehin die zusätzliche halbe Stunde Gottesdienst mit dem Besuch aus Südbaden gut verschmerzt.