Eine kleinere, aber an diesem Abend erweiterte Gemeinde im Gäu bekommt besonderen Besuch
„Gott ist gegenwärtig! Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten!...“
(Text Gerhard Tersteegen, 1697 – 1769, Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche Nr. 103)
Ein Duett - Sopran und Alt - sang dieses Lied mit einfühlsamer Klavierbegleitung zu Beginn des Gottesdienstes. Am Abend des bis dahin heißesten Tages in Baden-Württemberg im Jahr 2016. Geteilte Freude ist mindestens doppelte und, nur weil es recht warm war, gleich von geteiltem Leid sprechen zu wollen, wie es der Redensart entspricht, nein. Die Gärtringer jedenfalls teilten ihre Freude über den hohen Besuch an diesem Abend gern mit den engeren und etwas entfernteren Nachbarn, den Nufringern und Öschelbronnern, den Gemeindevorstehern des Bezirks Tübingen, dessen Bezirksvorsteher Klaus von Bank nebst Vertreter Werner Lampprecht, Apostel Martin Schnaufer und Bischof Georg Kaltschmitt, um nur einige der Nicht-Gärtringer zu nennen, die auch da waren. Wieso gerade Gärtringen – Was auch immer der Grund war, die Freude über dieses wohl einmalig bleibende Erlebnis eines Gottesdienstes mit Bezirksapostel Michael Ehrich in der eigenen Kirche wird den Gärtringern lange bleiben.
„Gott ist gegenwärtig…“, griff der zu Beginn das gerade verklungene Lied auf. Empfinden wir diese Gegenwart noch, die wir „geübte“ Gottesdienstbesucher sind? Die so ungefähr 100-mal im Jahr in ihre Kirche gehen? Trotz dieser Häufigkeit das Bewusstsein pflegen, dass es dort um Gottes Gegenwart geht. Die ist nicht am Äußeren festzumachen. An so Manchem, was menschlicher Unvollkommenheit geschuldet ist. Vor etwa 2000 Jahren war der Gottessohn selbst gegenwärtig. Und viele blieben beim Irdischen stehen. Ja. Es gab Wunder. Kranke wurden durch ihn gesund, Tote lebendig. Für so manche blieb Jesus trotzdem nicht mehr als vielleicht ein großer Prophet. Aber dass mit ihm Gott gegenwärtig war? Im Gottesdienst erleben wir Amtsträger, die uns vertraut sind – Gott ist gegenwärtig? Es ist wichtig, sich selbst „ins Obligo“ zu begeben. Ich will Gott erleben. Gott muss sich nicht beweisen. Wenn man diese Einstellung hat, dann kann man ihn im Gottesdienst durch Menschen erleben. Tiefen Frieden empfinden. Anregungen bekommen, sein Leben mit Gott zu gestalten. Durch gelebte Gemeinschaft Kraft bekommen. „Wir wollen heute Gottes Gegenwart wahrnehmen und in der Sicherheit des Glaubens bestärkt werden.“
„Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er würde gehorchen.“ (Lk 17, 6)
Die Jünger hatten Jesus darum gebeten, dass er ihren Glauben stärken möge. Darauf erwidert der Gottessohn, wie es im Textwort des Gottesdienstes wiedergegeben ist. Zur Vorgeschichte: Da geht es um die Beschaffenheit des Glaubens: Ein kleiner Samen, das Senfkorn, und doch, es kann zu einem großen Baum werden. Entscheidend ist, dass es das Leben in sich trägt, zu etwas Riesigem wachsen zu können. Ein lebendiger Glaube ist dazu notwendig. Wer schon als Kind zur Neuapostolischen Kirche gehörte, bei dem besteht die Gefahr, dass der Glaube halt zur familiären Tradition gehört. Nur noch als eine äußere Form. Die wäre vergleichbar mit der nach einem Feuer verbliebenen Asche. Tot. Tradition soll aber das Feuer weitergeben und bewahren. Glaube, klein wie ein Senfkorn, aber lebendig. Dann kann er unmöglich Scheinendes bewirken. Nur lebendiger Glaube erschließt die Macht Gottes.
Was glauben wir? Der Bezirksapostel gab eine kurze Inhaltsangabe der zehn Glaubensartikel nach neuapostolischem Bekenntnis. Da wird auch der Glaube daran gefordert, dass Jesus Christus wiederkommen wird, um die Seinen zu sich zu holen. Damit sie in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde mit Gott Gemeinschaft haben werden. Ewiges Leben, ein völlig neues Sein mit Gott. (Aus dem neunten Artikel des neuapostolischen Glaubensbekenntnisses in Verbindung mit dem dritten) Ihn dann sehen zu können, wie er ist. Der Glaube stößt bei Vielem an Grenzen menschlichen Vorstellungsvermögens. Wie die existieren, die uns gläubig in die Ewigkeit vorausgegangen sind? Wissen wir nicht. Der Verstand hilft uns da nicht weiter. Wer kann sich schon die Wiederkunft Christi im Einzelnen vorstellen? Wie es sein wird, unmittelbare Gemeinschaft mit Gott haben zu können? Wenn wir aber den Glauben daran zur Grundlage unseres Lebens machen, dann haben wir das Vertrauen in Gott: Dass bei ihm nichts unmöglich ist. Weil bei ihm andere Kategorien als die menschlichen maßgebend sind. Beispiel Abraham – er hatte das Vertrauen, trotz recht fortgeschrittenen Lebensalters auf Gottes Geheiß in ein unbekanntes Land zu gehen. Und wider sämtliche biologische Gesetze Stammvater „aller Geschlechter“ zu werden. Abraham konnte glauben und das gereichte ihm zur Gerechtigkeit.
Die Kraft des Glaubens – der Berge, gleichzusetzen mit unüberwindbar scheinenden Hindernissen - versetzen kann. Das schaffst du nie? Bei allen Unvollkommenheiten ist es möglich, die Vollendung anzustreben. Obgleich wir Sünder sind. Wenn wir glauben, verhilft uns der Herr durch seine Gnade zur Vollendung.
Der Maulbeerbaum, ein Bild dafür, dass unmöglich Scheinendes möglich werden kann, durch den Glauben. Trotz widriger Verhältnisse. Die wir in unseren Breiten noch nicht einmal haben. Wie viele sind durchaus an Kirche, Gott, Evangelium interessiert. Aber am Sonntagmorgen herrscht mehr Gedränge beim Brötchenholen als in den Kirchen. Denken wir an die Verfolgung der ersten Christen. Unter Druck und Lebensgefahr kamen sie zusammen und konnten trotzdem das Evangelium damals verbreiten. Beschämend, wie komfortabel dagegen wir es heute haben. Zum Christentum gehört auch, ohne jemanden dabei bedrängen zu wollen, das Evangelium zu verbreiten. Den eigenen Glauben zu bekennen, indem wir ihm entsprechend leben. Wozu auch Gottesdienstbesuche zählen, sonst gäbe das ein wenig überzeugendes Bild. Vergebungsbereit zu sein.
Damit leitete M. Ehrich zur Feier des heiligen Abendmahls über. Das Vaterunser ist kein gewohnheitsmäßiges Ritual. Das Herz muss dahinter stehen. Da mag Manchem großes Unrecht widerfahren sein, so dass ihm ein Vergeben nicht möglich ist. Aber er kann darum bitten, dass Gott ihm die Kraft schenken möge, dem Ideal, vergeben zu können, näher zu kommen. Dann wird Gott viel Gnade schenken. „Er will, dass du und ich erreichen, bei ihm sein zu können.“
„Danke, es war wunderschön in Gärtringen. Man könnte sich dran gewöhnen“, hieß es nach dem Gottesdienst vom Altar.
„Und bis wir uns wiedersehn, halte Gott dich fest in seiner Hand.“,
so der Refrain des vom großen gemischten Chor aus Gärtringern, Nufringern und Öschelbronnern zum Schluss gesungenen Lieds, dem nichts hinzuzufügen ist.
(Volkslied aus Irland, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 365)