Erster Fresh-up-Gottesdienst im Kirchenbezirk Tübingen: In die Gemeinde Jettingen kommen an einem Mittwochabend viele Jugendliche aus anderen Gemeinden und unterstützen den Chorgesang im Gottesdienst.
O heil`ger Wille meines Herrn, du trägst und hebst mich, wo ich bin.
Das ist die höchste Freiheit mir, gebunden sein in deinem Sinn.
(Nr. 166, Vers 3 Chorbuch für den neuap. Gottedienst, Text nach William Tidd Matson, 1833 -1899)
Es war ein Sommerabend, der diese Bezeichnung verdiente. Die Türen der Jettinger Kirche blieben bis zum Beginn des Gottesdienstes weit geöffnet. Im Foyer war alles für einen freundlichen Empfang der erwarteten jugendlichen Gäste hergerichtet worden. Dekorierte Stehtische, ein Tisch mit Getränken und, ganz wichtig, freundliche Gastgeber, die den Weg in den Gottesdienstraum, gelegen im Obergeschoss, zeigten und Chorbücher parat hatten. Zu Gottesdienstbeginn war eine Hälfte des Kirchenschiffs so gut wie voll mit SängerInnen, deren Durchschnittsalter an diesem Abend erheblich vom sonst üblichen des Chors abwich. Fresh-up: optisch wie akustisch, ansteckende jugendliche Frische bereicherte Chor und Gesang, der mehr und mehr klang, als hätte man schon immer in dieser Konstellation zusammengesungen.
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Kreuz der Knechtschaft auflegen! (Gal 5, 1)
„Zuerst möchte ich natürlich unsere jugendlichen Gäste in Jettingen willkommen heißen.“ Ein über die stattliche Anzahl der zusätzlichen Gottesdienstbesucher erfreuter Jettinger Gemeindevorsteher, Gotthilf Kohfink, strahlte über das ganze Gesicht. Auf das eingangs verlesene Bibelwort aus Paulus` Brief an die Galater eingehend hieß es: Freiheit, wer will die nicht? Andererseits bedarf es aber auch eines sicheren Grunds, eines Fels, wie in der ersten Strophe des eingangs zitierten und vom Chor zu Beginn des Gottesdienstes gesungenen Lieds der „heil`ge Wille des Herrn“ umschrieben wird. Ein fester Grund ist nötig, um das Lebensschiff verankern zu können. Der Anker, das sind Glaube und Gottvertrauen, damit ich nicht orientierungslos im Leben „schwimme“. Wenn man manches Erlebte im Nachhinein betrachtet, sieht man erst, wie oft dieser sichere Anker Halt und Schutz gegeben hat. Wer darauf verzichtet, seine vermeintliche Freiheit und Ungebundenheit ausnutzt, musste schon oft erfahren, dass er genau dadurch in die Enge geraten ist.
Adam und Eva im Paradies hatten es gut. Sie kannten gar nichts anderes. Aber es hätte ja noch Besseres geben können, das ihnen vorenthalten wurde. Eine – verbotene – Frucht essen, um wie Gott sein zu können? Wer will das nicht. Und dann die große Enttäuschung. Aber auch die Zusage, dass einer kommen werde, der Satan, der verführerischen Schlange, den Kopf zertreten wird: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“, wie es im Textwort heißt. Wovon befreit? Von der Sünde. Durch das Sakrament der heiligen Wassertaufe, mit der die Freisprache von der Erbsünde erfolgt. Und mit der Sündenvergebung bei der Feier des heiligen Abendmahls.
Was ist eine große Sünde? Das Böse tun. Das kann ganz schnell gehen, wenn man nicht aufpasst. Wer ist nicht schon der Versuchung erlegen, eigene Stärke auszuspielen, anderer Schwächen nutzend, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Wie gern ist man dann bereit, sich herauszureden: Ich bin eben so, meine Gene, schon mein Vater und mein Großvater…Aber ich bin eigenverantwortlich. Und gut beraten, nicht nur auf kurze Sicht meine Entscheidungen zu treffen. Sondern zukunftsbezogen. Wenn wir etwas lieben, dann zieht es uns dorthin. Wenn wir den Sohn Gottes lieben, dann suchen wir seine Nähe. Verzichten dafür auf anderes, ja. Mancher Mensch, der nur das Gegenwärtige im Blick hatte, hat sich am Ende gefragt, war es das jetzt? Was habe ich erreicht, wozu gelebt? Wir wissen, wozu wir leben. Details kennen wir nicht. Aber es gibt die Aussicht und die Zusage, im Reich der Erlösten keine Sorge und kein Leid mehr erfahren zu müssen. Das zu erreichen, dafür lohnt sich jeder Einsatz.
Wir können nur die Vergangenheit und die Gegenwart sehen. Das Morgen sehen wir nicht. Gott, der Allewige, hat eine andere Sicht. Er kennt auch das, was in der Zukunft ist. Wir können aber das Heute nutzen, um für das Morgen zubereitet zu sein. Gott steht über allem. Er hat auch die Macht über das Böse. Wir haben die Möglichkeit, diese Kraft zu nutzen. Mit dem heiligen Abendmahl nehmen wir, symbolisch mit der Hostie, Leib und Blut Jesus` in uns auf. Sein Geist wirkt in uns. Darin ist unsere Freiheit begründet (vgl. 2. Kor 3, 17). Jesus dienen, bedeutet wahre Freiheit. Er gibt uns ewige Freiheit gleich ewiges Glück. Daher Paulus` Mahnung im Textwort: Lasst euch nicht wieder in Verhältnisse führen, die euch binden. Nicht wie Adam und Eva den kurzfristigen Vorteil sehen und auf lange Sicht kommen die Fallstricke. Menschlich verständlich. Auch ein Apostel, Paulus, war dagegen nicht gefeit: Man will zwar eigentlich das Gute und doch…tut man das Gegenteil. Aber, nicht verzagen, es immer wieder aufs Neue versuchen. „Gott ist mit uns und hilft uns.“
Ein Priester der Gemeinde Jettingen freute sich über das „Erfrischende eines fresh-up-Gottesdienstes“. Gott will uns umfassende Freiheit schenken. Aber Nächstenliebe üben? Kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Und andere Geister gibt es auch noch…Profitgier z. B. Wer von ihr besessen ist, wird zum Gefangenen seiner selbst. Es kommt darauf an, die richtige Richtung einzuschlagen, die zur göttlichen Freiheit. Was nicht bedeutet, auf alle irdischen Freuden zu verzichten. Die Erde ist ein Geschenk Gottes an die Menschen. Er soll sich daran freuen können. Aber dabei immer den klaren Blick dafür behalten, wo Gefangenschaft oder absolute Freiheit bei Gott zu finden sind. Für letztere lohnt sich jeder Kampf.
Nach dem Gottesdienst bedankte sich G. Kohfink bei den Jugendlichen für ihr Kommen. „Die (vom Altar aus gesehen) linke Hälfte war so voll…“, hieß es. Und noch ein letztes Mal wurde es musikalisch lebendig, den im Gesang anbetend, dem der Dank gebührt:
„Alles Leben strömt aus dir…
Deiner Hände Werk sind wir.“
(Chorbuch Nr. 131, Text Caroline Rudolphi, 1753 – 1811)
Dass der Einladung zum anschließenden kleinen Imbiss ausgiebig und gern gefolgt wurde, dazu sprechen die Bilder.