Es war einmal ein Badener, der wechselte vor rund 30 Jahren der Liebe wegen ins Württembergische.
So kam es vor fünf Jahren zu einem Besuch der Öschelbronner (Württemberg) in Denzlingen (Baden). Nun wurde es Zeit für den Gegenbesuch. Am Sonntag in der Frühe parkte ein Bus mit „fremdländischem“ Kennzeichen vor der Kirche in der Gäugemeinde. Damit hatten sich 30 Denzlinger nach Öschelbronn gewagt, wo sie herzlich empfangen wurden. Das reichhaltige Buffet im Eingangsbereich der Kirche draußen bot Kaffee und sonstige Getränke, selbstverständlich auch reichlich von der Schwaben Nationalgebäck. Letzteres nicht pietistisch karg, sondern liebevoll mit Butter verwöhnt und verwöhnend. Das Wetter machte auch keinen Strich durch die Planung, der Empfang konnte im Freien stattfinden. Namensschilder zum Aufbeppen gab es. Da stellte sich schnell Vertrautheit ein, zumal für diesen besonderen Sonntag im Vorfeld ein längeres, Landesteile übergreifendes Planen stattgefunden hatte. Denzlingen ist nördlich von Freiburg in dessen „Speckgürtel“ schön, aber wohnkostenmäßig auch nicht ganz preiswert gelegen, war vom Gemeindevorsteher zu erfahren, der mitgereist war. Die bekannt angenehmen Seiten der Universitätsstadt im Breisgau können auch von Denzlingern ohne weite Wege mitgenossen werden, wurde berichtet.
Neuapostolische Christen gedenken dreimal im Jahr, u. a. am ersten Sonntag im Juli, in besonderer Fürbitte entschlafener Seelen. Der vorhergehende Sonntagsgottesdienst ist der Vorbereitung darauf gewidmet. So war es auch in Öschelbronn am letzten Sonntag im Juni. „Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.“ (Ps 116, 9). Das war das Bibelwort, das Gemeindevorsteher Frank Bitzer – er leitete den Gottesdienst – zu Beginn vorgelesen hatte.
„Ein herzliches Willkommen. Ich freue mich, dass wir uns heute im Schwabenland wiedersehen!“, so F. Bitzer zu Beginn. „Und schon haben wir etwas Verbindendes. Ich glaube nicht, dass es die Regel ist, dass Mitglieder zweier verschiedener Chöre auf Anhieb so gut zusammen singen können, wie es heute Morgen der Fall war.“, hieß es, darauf eingehend, dass selbstverständlich Öschelbronner und Denzlinger gemeinsam im gemischten Chor sangen. Was dessen Leiter, er ist der aus Baden nach Schwaben Übergewechselte, sichtlich gut gefiel.
„Wir wollen uns ein paar Augenblicke lang bewusst machen, was der Sinn unseres Lebens ist“, so der Gemeindevorsteher weiter. Eine besondere Beziehung zu Gott, den wir im Herzen tragen, ist uns wichtig. Dabei wissen wir, dass alles, was wir tun, nur Stückwerk sein kann und nichts Vollkommenes ist. Es zählt die Bereitschaft, sich Gott hinzugeben und für ihn etwas zu tun. Der Verfasser des Psalms 116 schrieb den aus einer besonderen Situation heraus: Er hatte gemeint, dem Tod geweiht zu sein. „Der Schrecken des Totenreichs hat mich getroffen.“ (Ps 116, 3). Und trotz aller Not konnte er davon sprechen, dass er vor dem Herrn wandeln werde. Ein Hinweis auf das Jenseits. Auf die Seelen dort, die wie die Lebenden das Recht haben, im Licht zu wandeln. Sie dürfen und sollen dabei auf Hilfe und Unterstützung durch die Lebenden rechnen.
Ein Beispiel aus dem Irdischen: Man spricht nicht zu Unrecht vom „Dickicht großer Städte“. Eine abgeschlossene Welt für sich. Von Hektik umgetriebene Menschen, keine Chance, sich dem Hamsterrad zu entziehen. Da bedarf es der Hilfe anderer, die sich für sie einsetzen. Sie aus ihrem Gefangensein, worin auch immer das besteht, herausführen. So ist es auch im Geistigen. Denn Gott will, dass allen geholfen wird.
Wo Menschen zusammen sind, gibt es immer wieder Spannungen. Die enden nicht automatisch mit dem Tod eines anderen. Oft nicht einfach, die beiseite zu lassen. Das zu leben, was wir in den Gottesdiensten hören. Das umsetzen, was der Heilige Geist uns in die Seele legt. Gott sieht nicht auf die Äußerlichkeiten, sondern auf die Seele. Er lässt niemanden allein stehen. Das gilt auch für die Seelen im Jenseits, die mit uns auf die Wiederkunft Christi warten. Lasst uns unser Herz für den Nächsten öffnen. Dabei ist uns jeder der „Nächste“. Vorurteilsfrei. „Es bleibt immer etwas von dem zurück, wie wir mit dem anderen umgehen. So verstehe ich den Auftrag Gottes, Gutes zu tun. Sich geben, wie man ist. Ein Zeichen setzen, wenn etwas gegen meine Glaubensprinzipien verstößt. Mit dem Wunsch, ein Segen sein zu können für viele, auch die, die unerlöst und belastet in die Ewigkeit gegangen sind. Das wollen wir als Vorbereitung für den kommenden Sonntag mitnehmen.“
Ein Priester aus der Gemeinde Öschelbronn, der anschließend an den Altar trat, hatte sich auf den Gegenbesuch aus Denzlingen sehr gefreut. Darauf, andere Glaubensgeschwister treffen zu können. Er erinnerte an den ersten Europäischen Jugendtag der Neuapostolischen Kirche vor sieben Jahren in Düsseldorf. Da hatten im Stadion 40.000 Glaubensgeschwister gemeinsam ein Lied gesungen. Wie „aus einem Guss“: Auf ihn (Gott) allein verlass ich mich… Andere Klänge als die, wie sie jetzt bei der Fußballeuropameisterschaft in den Stadien zu hören sind. Zusammen mit den Seelen im Jenseits haben wir das eine Ziel, vollendet zu werden. Und tröstlich, zu wissen, dass Gott immer noch Gnade für uns hat.
Passend zum Besuch der Denzlinger, wurde noch ein besonderer Schatz im hauseigenen Keller erwähnt – roter Gutedel aus Südbaden, von dem muss immer etwas da sein. Davon dürfen dann auch andere gern mitgenießen. Es macht Freude, vom Eigenen abzugeben.
„Gott wird für uns in der Herrlichkeit schon eine Alternative für den Gutedel haben.“, hieß es zuversichtlich und leicht schmunzelnd. Unsere „Problemchen“ sind nicht wirklich wichtig. Wir wollen tun, was wir können. Gott sieht auf unseren Willen und nicht auf das Ergebnis.
Der „ehemalige“ Badener, jetzt Priester in Öschelbronn, freute sich in seinem Beitrag zum Gottesdienst über diesen besonderen Sonntag: 21 Jahre, Kindheit, Jugend in Denzlingen verbracht und, inzwischen mehr als 30 Jahre weiter, kommen wir in Öschelbronn zusammen. So, wie man sich auf dieses Treffen fünf Jahre lang vorbereitet hat, bereiten wir uns auf den kommenden Sonntag vor. Jeder kennt Menschen, die schon in die Ewigkeit gegangen sind. Oder man hat uns von ihnen erzählt, weil sie schon nicht mehr gelebt haben, als wir geboren wurden. Aber auch sie stehen uns nahe. Haben wir dafür das richtige Empfinden, dann werden wir spüren können, dass es auch Zeichen an uns aus der Ewigkeit geben kann.
Zur Feier des heiligen Abendmahls war eine beträchtliche Zahl baden-württembergischer Sonntagsschulkinder, die einen aus Öschelbronn, die anderen aus Denzlingen, mit ihrem Lehrer dazugekommen. Das freute sicher nicht nur ein Vorsteherherz an diesem Sonntagmorgen. Aber nur einer von beiden konnte am Altar seine Freude darüber zum Ausdruck bringen.
Der an diesem Sonntagmorgen immer mehr „zusammen gewachsene“ Chor brachte das gemeinsame Empfinden aller zum Klingen, mit einem Psalm:
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.“
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 253, Text Ps 118, 1)
Nach dem Gottesdienst wartete im Untergeschoss der Kirche die nächste Stärkung auf Gäste und Gastgeber. Um 13.00 Uhr sollte der Bus die Gäste nach Tübingen zur Stadtführung bringen. Einheimische fuhren natürlich auch dorthin. Die Fahrt ging über Herrenberg in die alte Universitätsstadt. Zur Stadtbesichtigung, informativ und dabei mit vielen Geschichten aus Tübingen angereichert, die der schwäbische Führer, auch für Badener ausgesprochen unterhaltsam, erzählte.
Ab 17.00 Uhr hatte man Plätze in einer am Schönbuch gelegenen Wirtschaft gebucht, wo der gemeinsame Abschluss stattfand. Wer wollte, konnte dort in einem Nebenraum auch die erste Halbzeit des Fußballspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen die Slowakei verfolgen. Danach war es Zeit, Abschied zu nehmen. Inzwischen sind alle wohlbehalten und voll im Zeitplan wieder zu Haus eingetroffen. Mit viel Freude bei Gästen wie Gastgebern über einen ganz besonderen baden-württembergischen Sonntag.