Vom Lehren und vom Lernen…
Es war ein feuchter Sonntagmorgen, an dem die Glaubensgeschwister aus Tübingen, Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen , Rottenburg, Mitglieder der Italienischen Gemeinde im Raum Stuttgart, für die der Gottesdienst simultan in ihre Sprache übersetzt wurde, sowie viele Gemeindevorsteher des Kirchenbezirks in die im Bauhausstil errichtete neuapostolische Kirche der alten Universitätsstadt kamen. Wer früh dort war, konnte sich vom Orgelspiel – Jan-Thilo Bayer – trösten lassen: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet…“ (Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 191, Text Ps 91). So wurde ein besonderer Schutz musikalisch in Erinnerung gebracht, der mehr als die Unbilden eines stabilen Tiefs abzuwehren im Stande ist.
„Wir sind nicht gekommen, weil zufällig Sonntag ist. Heute will Gott uns begegnen. Mit Glaubensbruder und -schwester möchten wir Gemeinschaft haben. Neu verspüren können, dass Gott uns lieb hat und wir uns untereinander auch. Wir brauchen Gnade und Gott wird sie uns schenken. Diese Sicht auf seinen Vater hat Jesus gelehrt. Im Alten Testament gab es ein anderes Bild: Gott als der mit der Strenge des Gesetzes Strafende. Sein Sohn dagegen erzählte von ihm als dem Vater, von dessen Liebe, die sich mit den Menschen aussöhnen will. Jesus hat die göttliche Lehre in Wort und Tat gelebt. Sein Verhalten entsprach göttlichem Wesen. Es geht im Neuen Testament um den Gott der Liebe und der Gnade. Seine Lehre, das Evangelium, zeigt auf, wie er den Menschen Heil schenkt und sie auf den Weg zu ihm führt.“
Damit leitete der Bischof zum eingangs verlesenen Bibeltext über: „ Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ (Mt 11, 29)
Lernt von mir – Jesus als Lehrer:
Damit kann in unseren Breiten, in denen Schulpflicht besteht, jeder etwas anfangen. Da gab und gibt es gute Lehrer, was die Schüler oft erst im Nachhinein zu schätzen wissen, und andere. Letztere tun ihre Pflicht, arbeiten den Lehrstoff ab, aber mehr auch nicht. Ihnen liegt es nicht am Herzen, ihren Schülern etwas Bleibendes auf deren Weg mitzugeben. Der Gottessohn war ein optimaler Lehrer. Der seine Schüler liebte. Dazu gibt es das Bild vom guten Hirten. Mit unendlicher Geduld, wenn es um seine Schafe geht. Jesus war auch ein absolut kompetenter Lehrer. Er lehrte als wahrer Mensch und als wahrer Gott. In seiner Bergpredigt wurden zwar die geltenden Gesetze zitiert. Aber nach jedem Zitat hieß es: Ich aber sage euch…und es folgte die Auslegung der Gebote im Sinne seines Vaters, dem es um Liebe und Gnade den Menschen gegenüber geht. Was vor 2000 Jahren galt, ist heute noch genauso aktuell. Gesellschaftliche Veränderungen ändern nichts daran: Fest steht, was die Seele braucht, was wir fühlen, dass Gott uns erlösen will. Unverändert gilt Jesus` Lehre.
Was hat Jesus gelehrt?
Das Gebot der Liebe. Gottesliebe und Nächstenliebe. Beides ist unzertrennbar miteinander verbunden. Das Evangelium, das der Gottessohn lehrte, war das neue Gebot. Sich untereinander zu lieben als das Erkennungszeichen dafür, ein Jünger Jesu zu sein. Gnade zu suchen und sie zu schenken. Noch am Kreuz konnte Jesus um Vergebung für die bitten, die ihm das angetan hatten. Wie oft vergeben? Auf diese Frage wusste der Gottessohn nur eine Antwort: Vergebungsbereitschaft soll ein Lebensgrundsatz sein. Da wird nicht gezählt, wie oft man etwas dem anderen vergibt.
Das Vaterunser – das immerwährende Muster eines Gebets für alle Christen:
Es gibt ihnen das Gefühl, so eng miteinander verbunden zu sein. Eine Gewohnheit? Es lohnt sich, da mal genau hinzuschauen, wie Jesus als Lehrer das Beten gelebt und Prioritäten gesetzt hat. Unser Vater – nichts Fernes. Für die irdischen Belange unser tägliches Brot gib uns heute. Vergeben und Vergebung bekommen können. Und die Hoffnung: Dein ist das Reich, deine Herrlichkeit streben wir an.
Jesus lehrte Demut. Als „guter Meister“ angesprochen, verwies er darauf, dass nur Gott gut ist. Die Herzenseinstellung sei, nicht das eigene Verdienst in den Vordergrund zu stellen, Beispiel Pharisäer und Zöllner. Bekennen zu können, ein Sünder zu sein, denn dem kann vergeben werden. Auch Demut gegenüber dem Nächsten üben. Jesus wusch beim Letzten Abendmahl allen seinen Jüngern die Füße. Wohl wissend, dies auch für Judas, den Verräter, zu tun.
Kampf gegen das Böse – der ist täglich zu führen. Das musste auch der Gottessohn. Der Teufel wusste zwar durchaus, mit wem er es zu tun hatte. Und dennoch versuchte er, Jesus zu verführen…er könne doch aus Steinen Brot machen…jederzeit sich durch Engel aus einer misslichen Situation befreien lassen. Nein, womit auch immer der Böse kommt, nicht auf seine Stimme hören, so Jesus´ gelebtes Vorbild.
Jesus als Lehrer – die „Hauptfächer“ sind genannt. Es gibt auch „Nebenfächer“, das sind die vielen anderen Tugenden, die es außerdem gibt. Schön, wenn jemand sie hat und sie lebt. Aber, wir Menschen sind nun einmal unterschiedlich begabt. Deshalb gibt es keinen Grund, auf andere, die vielleicht weniger vermögen, herabzusehen. Jesus als Lehrer – ein Bild. Vieles wird in den Gottesdiensten immer wieder angesprochen, weil es ein „Hauptfach“ ist. „Diese Unterrichtsstunden des Heiligen Geistes wollen wir nutzen“, so abschließend der Appell des Bischofs.
Was lag näher, als einen, der Lehrer von Beruf ist, zu bitten, etwas zum Gottesdienst beizutragen. Gemeindevorsteher und Hirte Arndt Bayer, Tübingen, wusste auch sogleich Lehrreiches: In unserer heute maßgeblichen Bibelübersetzung ins Deutsche ist die Rede von Jesus` Jüngern. Im Urtext geht es dabei aber um Schüler. Als die sich die Jünger auch gesehen haben. Und wie ist es so mit den Schülern? Na ja, da sträubt sich Mancher erst einmal, auch noch am Nachmittag Hausaufgaben zu machen. Das Alphabet verinnerlichen? Für ein Kind meist weniger Lust als Last. Aber, wenn die Hausaufgaben nicht gemacht werden, bleibt man Analphabet und damit verschließen sich einem Horizonte und weiterführende Perspektiven. Womit die Frage, weshalb lernen, beantwortet wäre. Fürs Leben, nicht für die Schule. Wie es schon ein alter Text aus der Römerzeit auf den Punkt bringt, der jedem, der Lateinunterricht hatte, sehr vertraut sein dürfte. Die Zehn Gebote – für die Kirche lernen? Glaubensinhalte lerne ich für mein persönliches Leben. Nicht für die Theorie. Sondern für die Praxis. Das Einmaleins lernen – es dient der Konzentration, der Disziplin, und beides kann ich mein ganzes Leben lang gebrauchen. Und zum Schluss hieß es: „Wir als Christen `lernen` Gemeinschaft, indem wir den Nächsten lieben wie uns selbst!“
Ein paar Punkte vertiefte G. Kaltschmitt noch einmal vor der Feier des heiligen Abendmahls: Unterricht – fürs ewige Leben lernen, das ist „Schulpflicht“. Toleranz – alles, was wir da von Jesus lernen, wird uns in Ewigkeit erhalten bleiben, denn es macht unsere seelische Persönlichkeit aus. Lernen und Prüfungen ablegen müssen, denn am Ende zählt, was jemand kann und beherrscht? So ist es in der Schule. Beim lieben Gott ist das anders. Da zählt letztlich nicht die Leistung. Nicht, was wir gemacht und angestrebt haben oder was uns misslungen ist. Jesus betrachtet uns aus der göttlichen Perspektive von Gnade und Vergebung. Dafür ist er als sündloser Mensch seinen Opfertod gestorben. Seinen Leib und sein Blut genießen dürfen zu seinem Gedächtnis, sich dessen bewusst sein. Und an ihn denken als den großen liebevollen Lehrer. Im Glauben an die nächste Stufe, die der ewigen Gemeinschaft mit Gott.
Nach dem Gottesdienst (mit so viel Unterricht) wünschte G. Kaltschmitt eine „gute Praxisphase“ und „alles Gute bis zum Wiedersehen“.