Es war für den Bezirk Tübingen ein Novum, das Konzert dieses Orchesters.
In den einzelnen Kirchen hingen Plakate aus: „JOWO 2016“ – Best of JOWO. Zwei Termine waren annonciert, der eine in Oberndorf a. N., der andere…in Herrenberg. Eine Einladung zum Orchesterprojekt des Jugendorchesters Freiburg/Tübingen. So richtig und genau wusste man das nicht einzusortieren. Hatten wir im Bezirk Tübingen vorher noch nicht. Nun ist die Geschichte von den tapferen „Sieben Schwaben“ legendär. Allerdings waren die laut Gebrüder Grimm eher Hasenfüße. Nicht die Schwaben in Herrenberg. Außerdem waren es dort nicht nur sieben, die sich der Sache annahmen. Bedeutete, das Catering für Musiker und Gäste zu organisieren. In der Konzertpause HelferInnen fürs Büffet parat zu haben. Ebenso für ausreichend Getränke in der Pause zwischen Probenende – seit dem frühen Samstagmittag war das Orchester dabei, sich vorzubereiten - und Konzertbeginn zu sorgen. Ganz sicher mussten sich auch noch ein paar Helfer finden, um den Kirchenraum von Gottesdienst- auf Probe- und Konzertgeeignet inventarmäßig umzurüsten…und am späteren Abend dann umgekehrt. Hat aber alles prima geklappt. Da der Dank an die HelferInnen meist so schnell eben noch mal am Ende kommt, sei er hier ausdrücklich an den Anfang gestellt. Die Herrenberger Crew hat alles wunderbar gemeistert.
Und nun zum Konzert: Nach Begrüßungsapplaus und dem furios gespielten musikalischen Auftakt gab es eine kurze Begrüßung, nach der das Programm – ein gedrucktes hatte es nicht gegeben – von einem Vertreter des Orchesters vorgestellt wurde: Best of Concert. Die besten Stücke der letzten zehn Jahre, die die Orchestermitglieder selbst herausgesucht hatten, würden zu hören sein.
Carsten Dehner, Gemeindeevangelist in Herrenberg, sprach ein Gebet. Die Gabe der Musik – eine göttliche Freude. Sie möge ein besinnlicher Auftakt für den Sonntag am Tag darauf sein, so die Bitte des Evangelisten. War das Konzert dann auch, aber nicht nur ein besinnlicher… “Musik kann uns im Herzen bewegen: Uns zur Ruhe kommen lassen, mal so den Gedanken nachhängen können. Und sie kann manches Gefühl wecken, das im Alltagsgetriebe vielleicht etwas untergegangen ist“, so ein Mitglied aus dem Orchester anschließend. Vanessa und Beat wurden vorgestellt. Sie beide moderierten und erläuterten und zwischendurch…musizierten sie auch mal eben so im Orchester mit.
Zum Auftakt war jetzt Filmmusik zu hören: „Die glorreichen Sieben“. Danach, der Heiligkeit des Orts, ein Gotteshaus, angemessen, wurde mit Bruckners „Locus iste“ ein anderer Akzent gesetzt. Es folgte aus Haydns „Schöpfung“ die Schlusspassage „Vollendet ist das große Werk“, majestätisch, gewaltig, nicht zu überbieten und zu steigern. Sowohl die Gottes Werk beschreibende Musik als auch die Schöpfung selbst an einem wunderschönen Sommerabend in Herrenberg.
Ganz anders ging es weiter…“Kommt ein Vogel geflogen…“ Siegfried Ochs hat dieses Kinderlied variiert in der jeweils unverkennbaren (?) Art bekannter Komponisten. Ganz gut, dass es etwas Nachhilfe vom Orchester gab. Ein Mitglied zeigte deren Namen auf einem großen, natürlich orangefarbenem Blatt. Orange – das ist die Orchesterfarbe. Jedes Mitglied hatte sich mit ihr verziert, Krawatte, Armband, Halstuch, Schleife im Haar…Der Vogel kam immer wieder geflogen. Gezwitscher à la Bach, Mozart, Strauss, Mendelssohn, Brahms, Meyerbeer und Marsch. So wie man sich vorstellen könnte, dass sie die Melodie bearbeitet hätten. Wer, bitte, ist der Komponist „Marsch“? – Auch ein Experte hätte ihn nicht gekannt. Insoweit systemwidrig wurde hier unüberhörbar die entsprechende Musikrichtung statt eines Komponisten angezeigt.
Da der Bericht keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellt, wird nicht jedes Konzertstück erwähnt. Ohne schriftliches Programm bleibt nur das zugegebenermaßen mangelhafte Erinnerungsvermögen des Chronisten. Prinzip Mut zur Lücke oder pars pro Toto. Dies als Erklärung dafür, dass nicht alles Gebotene erwähnt wird. Es gab keine qualitativen Unterschiede. Jedes Musikstück war auf seine Art – positiv - beeindruckend.
Vor der Pause erklang u. a. noch Filmmusik: „Pearl Harbour“, an 2.400 Tote mahnend, und „Forest Gump“.
In den folgenden 20 Minuten Pause hatte Orchesterleiter und Dirigent Carsten Belz nicht völlig frei. Es blieb ihm nicht erspart, sich den Fragen des Chronisten stellen, der gern etwas mehr über das Orchester gewusst hätte. Vor 17 Jahren war der Gedanke da, dass es nicht schlecht wäre, ein Jugendorchester zu gründen. Und zwar stand die Wiege der Idee in Villingen-Schwenningen. Die echt badisch-württembergische Stadt im Ländle. Und so, sieht man den weiteren Verlauf bis heute, absolut passend für ein baden-württembergisches Projekt. Damals fanden sich rund 40 SpielerInnen zusammen. Im Konzert in Herrenberg waren es etwa 65 von derzeit 80 insgesamt. Seit 10 Jahren kann man das Jugendorchester als „feste Institution“ bezeichnen mit jährlich einer Probenfreizeit (2016 in Oberndorf am Neckar) und einem Aufführungsprojekt. 2016 waren es zwei Konzerte in Oberndorf (28.5.16) und in Herrenberg. Nachdem im Apostelbereich Freiburg/Tübingen Badener und Schwaben vereint sind, wird es Zeit, dass das Jugendorchester Mitglieder aus beiden Landesteilen hat. Der Anfang ist gemacht. Derzeit kommen aus dem Bischofsbereich Tübingen zwei Hornisten, eine Bratsche und eine Geige, die sich im Jugendorchester mit einbringen. Da haben wir, auch wenn wir nur aus vier Bezirken bestehen, im Bischofsbereich Freiburg sind es jetzt noch fünf, hierzulande etwas aufzuholen. Und auch dies war ein Zweck des Herrenberger Konzertabends: Liebe Tübinger, ihr seid herzlich eingeladen, im Jugendorchester mitzuspielen.
Das Orchester-Konzept im Apostelbereich Freiburg/Tübingen ist, dass es einerseits ein Sinfonieorchester gibt, in dem der/die mitspielt, der/die höheren musikalischen Ansprüchen zu genügen vermag. Altersunabhängig. Und außerdem gibt es das Jugendorchester, bei dem das Kriterium „Jugendliche/r“ maßgeblich ist. Unverheiratet und noch mit weit in der Zukunft liegenden Renten- und Pensionsansprüchen.
Das Schlagzeug werde nach der Pause wieder zum Konzert rufen, wurde angekündigt. Traf zu. Nach reichlichen 20 Minuten lockte die Triangel – beharrlich, ausdauernd und letztlich nicht vergeblich – die rund 180 Konzertbesucher wieder ins Kirchenschiff. Jetzt war es um die Oberhoheit des Dirigenten geschehen. Eine Fernbedienung in der Hand des Moderators entmachtete ihn. Programm, Lautstärke, Pause, Stop, Auswahl, mal mehr oder weniger klassisch, modern, Kirchenmusik und andere, Dur oder Moll, ein Trompetensolo. Was immer das Herz begehrte, diese Fernbedienung steuerte das Orchester. Demonstriert u. a. am Beispiel des alten Gesangbuchlieds „Lasst die Herzen immer fröhlich…“. Klick, schon kannte man sein altvertrautes Kinderlied nicht wieder. Schön Fetziges wird gewünscht? Wie wäre es mit dem Radetzkymarsch? Zum Glück waren die Kirchenfenster geschlossen, sonst hätte man sich in der Nachbarschaft Gedanken gemacht, ob die Herrenberger Kirche eventuell umgewidmet worden war, und es hätte Irritationen gegeben, wenn man am Tag danach die Gottesdienstbesucher wie immer ihrer Kirche zustreben sah. Vermutlich sind die Mauern in Herrenberg stabiler als die von Jericho, gut zu wissen. Die Fernbedienung konnte die Musik auch vor- und zurücklaufen lassen. Einen knarzenden Schallplattenspieler, tief aus dem vorigen Jahrhundert, in Gang setzen. Die Nadel auf der Platte hängen lassen. Ein CD-Spieler gefällig, bei dem es solche Probleme nicht gibt? Dafür aber andere. Plötzlich gar kein Ton mehr. Nun half leichtes Klopfen mit der Fernbedienung auf den Hinterkopf des Dirigenten, damit es zum pompösen musikalischen Schluss kommen konnte.
Dann Walzerklänge, ein Saxofonsolo, Queen Julietta mit langhaariger blonder Perücke – war es eventuell King Jules? – wusste, gemeinsam mit dem Orchester, auf der mechanischen Schreibmaschine zu musizieren…mit anschlagender warnender Klingel vor dem notwendigen Zeilenwechsel. Der etwas ältere Konzertbesucher erinnerte sich an durchgetippte Nächte vor der fristgemäßen Abgabe von Hausarbeiten und regen Gebrauch von Tipp-Ex. Einen „Liebesbrief – „Salut d`amour“ gab es mit schluchzenden Geigen. Und ausgiebige Wetterimpressionen. „Schließen Sie die Augen“, hieß es. Sanfter Regen war zu hören, sich bis zum Stakkato peitschender Hagelkörner auf Fensterscheiben und Autokarosserien steigernd. Was Musiker alles ohne Instrumente mit ihren Händen, sie aneinander reiben, mit den Fingern schnipsen, imaginieren können, war bewundernswert. Dann heftiges Gewitter mit Blitz und Donner. Da waren wieder die Instrumente gefragt, insbesondere die Pauke. Nach und nach wurde es wieder ruhig. Schadensmeldungen an Versicherer waren nicht notwendig.
Im weiteren Verlauf des Konzerts erklang von einem Gesangsoktett zusammen mit dem Orchester „You Raise Me up“. Damit hatte das Jugendorchester Stammapostel Jean-Luc Schneider anlässlich eines Gottesdienstes in Rottweil erfreut.
Die Musiker bedankten sich beim Publikum und für die Gastfreundschaft in Herrenberg. „Kommt alle gut nach Haus,“ hieß es. Der Wunsch galt besonders den Orchestermitgliedern selbst. Wenn man mal so die Autokennzeichen der um die Kirche geparkten Autos den Herkunftsorten zuordnete, dann hatten viele einen doch recht langen Heimweg.
Standing Ovations, eine Zugabe noch und dann – Ende der Premiere: Zum ersten Mal ein Konzert des Jugendorchesters Freiburg/Tübingen im Bischofsbereich Tübingen. Herzlichen Dank. Da capo!