Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege, des der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.
(Neuap: Gb. Nr. 146, Text Paul Gerhardt, 1608 – 1676)
Mit diesem Lied, gespielt von einem Instrumentalquintett, begann die musikalische Einstimmung auf den Gottesdienst. Der Text des Dichters, der die Schrecknisse des Dreißigjährigen Kriegs miterleben musste, zeugt von einem durch nichts zu erschütternden Gottvertrauen. Sich am Allmächtigen orientieren, was auch immer kommen mag, das war auch der gute Rat im Gottesdienst. Mit Gemeindegesang, gemischtem Chor, der Instrumentalgruppe und der Orgel, dynamisch und freudig gespielt von Jan-Thilo Bayer, wurde der Gottesdienst musikalisch mitgestaltet. Bis auf die aus den Gäugemeinden waren alle Glaubensgeschwister aus dem Bezirk Tübingen zum Gottesdienst in die Universitätsstadt eingeladen.
Apostel Martin Schnaufer lag es am Herzen, so hieß es zu Beginn, dass jeder im Gottesdienst sein Herz öffnen möge und ablegen könne, was er so an persönlichen Belastungen mitgebracht hat. Vielleicht bange Fragen, was aus diesem und jenem wohl werden mag. Gott hat das gesehen, er ist da. Er will uns mitgeben, wie wir die nächsten Schritte tun können. Er ist der Allmächtige und sieht weit über den menschlichen Tellerrand hinaus. An das Ziel der ewigen Gemeinschaft mit ihm denken und nicht nur kurzfristig gültige Entscheidungen treffen, so wie die uns gerade sinnvoll erscheinen. Gottes Größe lässt sich nicht beschreiben. Uns erscheint schon der natürliche Himmel endlos. Wir hätten zwar manchmal gern einen Beweis, was und wie Gott tatsächlich ist. Aber er kann uns nicht alles sagen. Wir würden Vieles nicht verstehen können. „Hab Vertrauen, dann wirst du erkennen! Nehmen wir Gott als den Allmächtigen, der alles aus Liebe für uns tut und uns die beste Zukunft bereitet.“
Damit leitete der Apostel zum eingangs verlesenen Bibelwort über:
„ Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten….Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte.“ (Joh 2, 19 u. 22).
Hintergrund ist das Geschehen zwischen Karfreitag und Ostern – lediglich drei Tage. Jesus hatte angekündigt, was in dieser Zeit geschehen würde. Als es eintrat, war es dennoch überraschend. Immer wieder gab und gibt es Momente des Zweifelns, trotz aller Vorankündigungen. Bei den Jüngern damals, bei uns heute. Es gab den emotionalen Absturz an Karfreitag. Durch die Auferstehung entstand wieder Vertrauen. Tod und Hölle waren besiegt. Jesus` Werk lebte weiter, seine Kirche begann. Die Jünger wurden motiviert, sein Evangelium zu predigen. Das gilt auch heute: Auf Christi Auferstehung gründen sich unser Glaube und unsere Zukunftshoffnung. Wenn wir das nicht glauben, sind Predigt und Glaube vergeblich (vgl. 1. Kor 15, 14). Unser Glaube daran ist die Basis dafür, dass Jesus wiederkommen, es eine Erste Auferstehung geben wird – die Sicherheit für unsere Zukunft. Sein Weg ist mein Weg zum Glauben. Daran, dass ich eine Zukunft habe. Wir sind auf der Seite des Siegers über Hölle und Tod. Er kann mir schenken, auch Sieger zu sein. Und er hat nie jemanden von sich gewiesen, dessen Glaube mal schwach wurde und bei dem Zweifel aufkamen.
Der Glaube lässt mich auch Enttäuschungen überwinden. Wir haben manchmal eigene Vorstellungen. Auch davon, wie Kirche zu sein habe. Glaube ich (Vierter Glaubensartikel), dass er (der Herr Jesus) seine Kirche regiert? Tue ich das, auch wenn mir Manches seltsam erscheinen mag? Und sich nicht mit meiner Vorstellung deckt? Glaube ich an Christi Auferstehung, dann gibt mir das auch heute die Kraft, zu glauben: Was auch geschieht, der Herr wird sein Werk vollenden. Das gab den Jüngern damals Kraft und uns heute auch. Die christlichen Hochfeste in diesen Tagen mögen Anstoß sein: Ja, wir glauben an die Auferstehung. Gott hat die Kraft, sein Werk zu vollenden. Er ist der Allmächtige im Geistigen wie im irdischen Alltag. Jesus war nichts zu viel, um die Erlösung der Menschen zu schaffen. Er wollte, dass da, wo er ist, auch die sind, die ihm der Vater gegeben hat. Daran zweifeln zu wollen, wäre kleinlich. „Im Glauben an seine Größe erwarten wir seine Wiederkunft.“
Bezirksevangelist Werner Lampprecht ging auf menschliche Erwartungen ein: In der Familie, der Gemeinde, der Wunsch nach Erfolg, gesund zu sein…Auch dann, wenn ich felsenfest glaube, es wird nicht automatisch alles gut. Gott geht es um unsere Zukunft, das Erreichen des Glaubensziels, auf ewig bei ihm sein zu können. Meine eigene Vorstellung von dem, was ich so gern im Leben hätte, spielt dabei keine Rolle. „Folgen wir nach, bleiben wir `auf der Spur`, um zu erleben, was Gott uns zugesagt hat.“
Der Apostel wusste zum Thema „menschliche Vorstellungen“ ein Beispiel aus dem praktischen Leben, das für leichtes Schmunzeln allenthalben sorgte: Vielleicht wollte manche/r schon mal im Alter von fünf Jahren unbedingt eine bestimmte Person später heiraten…o je, wenn das so geschehen wäre. Hinterher sieht man oft erst, dass es gut war, wenn ein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist.
Bezirksältester Klaus von Bank stellte die Frage, wovon unsere Erwartungen geprägt sind. Von der Lehre des Evangeliums, vom Heiligen Geist? Das zu hinterfragen, richtig auszurichten, dafür sind Gottesdienste wichtig. Wenn wir uns zurückziehen, nur in der Welt unserer eigenen Vorstellungen und Erwartungen leben, könnte es sein, dass wir die Dinge falsch gewichten. Gottes Herrlichkeit können wir uns nicht vorstellen. Wenn wir meinen, aber das muss ich doch begreifen können – man kommt nicht umhin, glauben zu müssen. Und damit auch Vieles erst im nachhinein richtig zu sehen, um dann auch Wunder Gottes aus eigenem Erleben wahrnehmen können. Ein besonderes Anliegen hatte der Bezirksvorsteher noch. Eine Bitte aus dem Eingangsgebet des Apostels aufgreifend ging es darum, in der Gemeinde ein Zuhause erleben zu dürfen. „Bruder und Schwester sind nie unser Feind.“ So wollen wir die Gnade im Gottesdienst erleben.
M. Schnaufer leitete mit dem Gedanken zur Feier des heiligen Abendmahls über: Wir wollen gemeinsam unser Ziel erreichen. Und wenn es doch Unstimmigkeiten geben sollte, wollen wir versöhnungsbereit sein und so dem Teufel jede Macht nehmen. Wer will uns verdammen, wenn Christus uns gerecht macht?
Zwei kleinen Kindern wurde das Sakrament der heiligen Versiegelung gespendet. In seiner Ansprache an die Eltern betonte der Apostel: „Gott hat schon vor langer Zeit gewusst, dass Ihr die richtigen Eltern sein würdet.“ Kinder müssen lernen, ihr Leben selbst zu gestalten. „Gott traut euch zu, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Heute versprecht ihr, euer Kind dabei zu unterstützen, sein Leben im Sinne Jesus Christi auszurichten. Dabei trägt euch der liebe Gott. Die Seele des Kindes kann von Anfang an spüren, wenn auch noch nicht verstehen, dass Frieden und geistiger Reichtum die Atmosphäre im Elternhaus ausmachen. Enttäuschungen wird es immer wieder geben, aber das Grundvertrauen muss da sein, dass die Kinder ihren eigenen Weg gehen können und Gott sie dabei in Liebe trägt. Im festen Glauben an Jesus als Fixpunkt, der uns auf ewig bei sich haben wird.“
Ein Diakon aus der Gemeinde Tübingen wurde in den Ruhestand verabschiedet. Trotz schwerer Schicksalsschläge, gesundheitlicher Probleme, die man niemandem wünscht, wurde ihm von seinem Gemeindevorsteher bescheinigt, dass der ihn bei Besuchen, auch in der Klinik, „nie an der Klagemauer erlebt hat.“ Ein großes Vorbild mit einer positiven Ausstrahlung und Herzenswärme, die ihm ungefragt selbst das Klinikpersonal bescheinigte, wenn man sich bei einem Besuch nach dem Zimmer des Diakons erkundigte. „Nein, keine Laudatio an dieser Stelle, aber ein herzliches Dankeschön hat er sich schon verdient,“ so M. Schnaufer. Und sicher, eine andere gesundheitliche Situation als die nun einmal gegebene wäre wünschenswert. Aber, der Apostel habe die Zuversicht, dass der Diakon, jetzt im Ruhestand, auch trotzdem weiter für die Gemeinde als freudiges Gotteskind ein lebendiges Zeugnis Gottes sein wird.
Für die Gemeinden Tübingen und Rottenburg wurde je ein Diakon zum Priester ordiniert. Wenn Gott euch als Priester haben will, ihr dazu euer „Ja“ gebt, dann wird die Gemeinde dadurch Segen und Freude haben. „Herzlich willkommen im Bereich der priesterlichen Ämter!“ Ein offenes Herz haben für Jung und Alt, da sein, wo man gebraucht wird, ein Vorbild im Leben des Evangeliums und in Versöhnungsbereitschaft, die Bereitschaft zum eins sein Können in der Gemeinschaft der Amtsbrüder, so die Aufgabenstellung. „Seid ein Segen und seid gesegnet!“
M. Schnaufer hatte am frühen Morgen noch mit einem im Bischofsbereich Tübingen nicht ganz unbekannten Einheimischen telefoniert. Der hatte gesagt: „Ein Tübinger Sonntag ist immer ein schöner Sonntag.“ Der Apostel bestätigte das überzeugt und überzeugend nach dem Gottesdienst.