Am Nachmittag des letzten Februartags des Jahrs 2016 traf man sich zur Übergabe eines Spendenschecks - 1.500 - Euro an den Reutlinger Verein „Autismus verstehen e. V.“. Als dessen Vertreterinnen waren die 1. und die 2. Vorsitzende, Frau Inke Haußmann und Frau Aurica Andres, gekommen.
Die Gemeinde Ammerbuch-Pfäffingen wurde durch deren Vorsteher, Walter Seidt, vertreten. Außerdem war die Mutter eines autistischen Kinds aus der Kirchengemeinde anwesend. Sie und ihre Familie hatten nach langem vergeblichen Suchen in dem Verein eine Anlaufstelle gefunden, wo sie kompetente Hilfestellung bekamen. Die Mitglieder der Kirchengemeinde teilen die Freude ihrer Glaubensgeschwister über die Erleichterung einer schwierigen Lebenssituation und wollten gern zusammen mit ihnen etwas zurückgeben. Weihnachten, das Fest, das besonders von christlicher Nächstenliebe geprägt ist, war der äußere Anlass, diese ganz praktisch unter Beweis zu stellen: Sich an einer Spendenaktion zugunsten des Reutlinger Vereins zu beteiligen. 500 Euro kamen zusammen. Apostel Martin Schnaufer, Bereich Freiburg/Tübingen, gab aus seinem Budget 1.000 Euro dazu. Der Spendenscheck wurde in der Ammerbuch-Pfäffinger Kirche übergeben.
Aber nicht sofort, denn die beiden Vereinsvorsitzenden hatten zum Glück auch etwas Zeit mitgebracht. Die wurde von allen gern genutzt, um in einem der Nebenzimmer der Kirche eine Weile zusammenzusitzen und über die Arbeit des Vereins zu sprechen. Gegründet 2008 und entstanden aus einer kleinen Selbsthilfegruppe. Die hatte sich aus schierer Verzweiflung zusammengefunden, denn viele Eltern fühlten sich mit der Diagnose „Autismus“ für ihr Kind völlig allein gelassen. Die Initiative wurde öffentlich bekannt gemacht und…alle, alle kamen sie. Nicht nur die Eltern kleiner Kinder, sondern solche aller Altersstufen, zum Teil schon lange im Großelternalter. Aber immer noch, manche jahrzehntelang, mussten sie sich mit dem Problem ihrer Kinder befassen. Zum Teil waren die, lange erwachsen geworden, immer noch nicht zu einem eigenständigen Leben fähig.
Die 1. Vorsitzende ist Sonderschullehrerin und bekam in ihrer beruflichen Tätigkeit mit dieser besonderen Art von Problem-Kindern zu tun. Schnell erkannte sie, dass Hilfe unerlässlich ist. Sie wurde langjährige Mitarbeiterin in einer Frühförderstelle und ist Supervisorin von SchulbegleiterInnen autistischer SchülerInnen. Ohne Übertreibung steht sie quasi Tag und Nacht per E-Mail und Telefon Ratsuchenden zur Verfügung. Inzwischen nach jahrelanger harter Arbeit ist auch die notwendige ständige Verbindung zum Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg und zum Landkreis Reutlingen, Sitz des Vereins, fest etabliert. Mit vielen Gremien bestehen die notwendigen persönlichen Kontakte und es gibt die unerlässliche Vernetzung mit allen Stellen, die eine Rolle spielen, wenn es darum geht, das Leben der Menschen mit Asperger-Syndrom und ihrer Angehörigen zu erleichtern.
Zu den Grundsätzen des Vereins gehört, dass eine/r der Vorsitzenden selbst zum betroffenen Personenkreis gehören soll. Die 2. Vorsitzende ist Heilpädagogin und Asperger-Autistin. Außerdem hat sie zwei inzwischen 17 und 18 Jahre alte Söhne, die dasselbe Problem haben. Sie und die Mutter aus der Kirchengemeinde wussten daher dem interessiert fragenden Gemeindevorsteher aus eigenem Erleben viel aus ihrem reichem Erfahrungsschatz im Umgang mit Kindern zu berichten, die hochsensibel, empathisch, aber auch zutiefst misstrauisch sind. Weil sie ihre eigene Gefühlswelt haben, die der „normale“ Mensch nicht kennt bzw. ohne Anleitung dazu nicht einmal ansatzweise zu fassen vermag. Das führt dann im Umgang miteinander zu wechselseitigen Verletzungen, hinter denen von beiden Seiten, z. B. Eltern wie autistischen Kindern, nicht die geringste böse Absicht steckt. Was einem erst mal klar werden muss…
Nach Angaben von Frau Haußmann sind bundesweit 2% der Bevölkerung direkt von dem Syndrom betroffen. Leicht vorzustellen, wenn man das persönliche Umfeld dazurechnet, dass mindestens noch einmal so viele als Eltern, Ehepartner, Kind, z. B., davon tangiert sind. Alltagssituationen von beiden Seiten besser bewältigen können, dazu gibt der Verein Hilfestellung: Ärzte, Pädagogen informieren, „Dolmetscher“ für Behördengänge stellen. Der Bedarf ist riesig. Es gibt auch viel zu wenige Fachleute, Psychologen und Psychiater, die sich mit dem speziellen Problem auskennen. Die paar Fachkräfte in der Tübinger Universitätsklinik sind hoffnungslos überlastet und vermissen die Möglichkeit der fachkundigen Nachbetreuung. Auch da versucht der Verein zu unterstützen und Abhilfe zu schaffen. Außerdem sorgt er dafür und hat es in der Vergangenheit getan, dass landesweit Selbsthilfegruppen entstehen, denen er mit Rat und Tat zur Seite steht.
Wenn es nicht so schwierig wäre…manches, was die beiden Mütter aus ihrer Erfahrung berichteten, entbehrte nicht einer gewissen Komik, und sie konnten mit Schmunzeln davon erzählen. Was soll man sagen, wenn das Kind nach sechs Wochen Unterricht als schuluntauglich nach Haus geschickt wird, man verzweifelt eine andere, hoffentlich besser geeignete Schule sucht, was dauern kann. Und es kommt die Androhung von Zwangsmaßnahmen seitens der Schulaufsicht. Schließlich bestehe Schulpflicht! Dabei hätte man eigentlich wissen müssen und können, dass die seitherige Schule das Kind nicht mehr hatte unterrichten wollen. Oder das Kind ist es gewohnt, es muss einfach so sein, nicht mit Marmelade verschmierten Fingern sein Trinkglas anzufassen. Niemand im Kindergarten gibt ihm eine Serviette, wie die Mutter es zu Haus automatisch immer tut. Also ist das Kind im Kindergarten als Flüssigkeitsverweigerer gesundheitlich gefährdet. Kann da nicht bleiben. Denn syndrombedingt erklärt es nicht, weshalb das mit dem Trinken nicht einfach so geht. Ist doch zwingend notwendig, das Saubermachen, oder? Muss man doch nicht extra sagen…
Kommunikation und Information sind unerlässlich. Und da braucht es auch Gedrucktes für alle, die Umgang mit Betroffenen haben. Damit z. B. ein Arzt weiß, dass und warum Terminvereinbarungen nicht funktionieren. Weil Termine den gewohnten Ablauf stören. Also muss beobachtet und abgepasst werden, wenn die Situation gerade günstig ist, und dann kann man mit dem Kind zum Arzt. Eine Ultraschalluntersuchung tut zwar nicht weh. Das ist nicht entscheidend. Unvorbereitet belästigt sie den „besonderen“ Patienten und führt zur Abwehrreaktion. Einfach so mal nebenher geht gar nichts.
Es müssen daher viele Informations-Flyer an Ärzte, Psychologen, Lehrer u. a. verteilt werden, deren Inhalt von den Vereinsmitgliedern aufgrund eigener Erfahrungen erarbeitet wird. Papier und Druckpatronen kosten – in Mengen benötigt – viel Geld. Und da kommt die Spende gerade recht, wie die beiden Vorsitzenden sehr zufrieden ihre Dankbarkeit der Kirchengemeinde gegenüber begründeten. Gutes getan für einen guten Zweck.