Still und demutsvoll ergeben stehe ich an heil`gem Ort, warte voller Heilsverlangen, Herr, auf deines Geistes Wort.
Nimm mich hin, mein Herz ist offen. Kehre ein, ich bitte dich. Lass mich wieder selig werden. Herr, ich warte, segne mich.
(Chorbuch für den neuap. Gottesdienst Nr. 124, Text u. Musik Günter Brücher, 1930 – 2009)
Nach Herrenberg waren, ausgenommen die Mitglieder der drei Tübinger Gemeinden, alle Glaubensgeschwister des Kirchenbezirks eingeladen. Apostel Martin Schnaufer griff zu Beginn des Gottesdienstes das gerade verklungenen Chorlied auf: „…dass mein schwacher Fuß nicht gleite…“ (aus Vers 3, Chorbuch Nr. 131, „Alles Leben strömt aus dir…“ Text Caroline Rudolphi, 1753 – 1811). Jeder hat Jahreswechsel erlebt, wenn auch eine unterschiedliche Anzahl davon. Und immer – wieder – nimmt man sich etwas fürs neue Jahr vor. Mal gelingt es und mal auch nicht. Aber man sollte immer sich des eigenen „schwachen Fußes“ bewusst sein. Gott bitten, schenk mir deine Hilfe, deine Gnade. Lass mich Sieger sein. So, wie Kirchenpräsident Neuapostolische Kirche International und Stammapostel Jean-Luc Schneider es als Jahresmotto 2016 für neuapostolische Christen formuliert hat: „Wir wollen mit Christus siegen!“ Und neben dem „schwachen Fuß“ gibt es auch den hinderlichen „schwachen Kopf“. Gott will uns etwas zeigen – es geht an uns vorbei. Schließlich haben wir doch unsere eigene Erfahrung. Oft kommen wir erst lange Zeit später zu der Erkenntnis: Gott, du hattest Recht! Die Umkehr erfolgt nicht immer so dramatisch wie seinerzeit bei Saulus, der auf dem Weg nach Damaskus zum Paulus wurde. Und auch der wurde nicht sofort ein anderer Mensch, nachdem ihm der Herr erschienen war. Sein bisheriges Leben lag in Trümmern. Er musste sich neu orientieren. Das war kein „kurzer Prozess“, wie man zu formulieren pflegt. So wie Paulus nach seinem besonderen Erleben hellwach wurde, gilt für uns, nicht in Routine zu verfallen. Regelmäßig zum Gottesdienst gehen und seine Opfer in dieser und jener Form bringen und das ist es dann. Vielmehr dazu bereit sein, unsere Seele zu öffnen. Die persönliche Begegnung mit Gott an seinem Altar suchen, dann wird es die auch geben. Mit Christus siegen bedeutet, den Geist der Wahrheit zu erleben und nicht dem des Irrtums zu verfallen.
„Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. … Kinder, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“ (1. Joh 4, 1 u. 4)
So lautete das zu Beginn des Gottesdienstes verlesene Bibelwort.
„…glaubt nicht jedem Geist…,“ Der Teufel beherrscht es ganz gut, mit Un- und Halbwahrheiten und Fragezeichen setzen zu arbeiten. Und der Mensch ist empfänglich dafür. Das begann schon im Paradies, als es um die verbotenen Früchte ging. Sollte Gott das wirklich so gesagt haben? Esst davon und ihr werdet sein wie Gott. So der Teufel. Du brauchst dich doch nicht reglementieren zu lassen von einer Institution namens Kirche. Und nach dem Sündenfall damals kamen schnell die Ausreden: Eva verwies darauf, die Schlange habe gesagt…und Adam schob Eva die Schuld zu…Hat man einen Sündenbock gefunden, ist ein Problem schnell gelöst (?).
Bei Jesus in der Wüste kam der Teufel: Mach aus Steinen Brot. Du hast es doch gar nicht nötig, so zu leiden…Als der Gottessohn von seinem zukünftigen Schicksal zu seinen Jüngern sprach, gab es Protest von Petrus: Das widerfahre dir nicht! Es ist aber nicht so, dass Gottes Wirken darin besteht, das irdische Leben zu optimieren. Ihm geht es um das ewige.
In Vers 3, 1. Joh 4 wird der Antichrist angesprochen, der nicht von Gott ist. Den gibt es bis heute. Soll das Evangelium in unseren Tagen noch eine Bedeutung haben? War doch alles schon vor 2000 Jahren. Es gibt aber keine zeitliche Befristung der Gültigkeit des Evangeliums. Damals war das Apostelamt nötig. Heute spielt es doch keine Rolle mehr? Ich suche am besten meinen eigenen Weg? Auf Jesus` Wiederkunft warten - mein Herr kommt doch noch lange nicht. Schon vor sechzig Jahren wurde sie erwartet – ich sehe nichts davon. Ich habe zu mehr als hundert Prozent alle Voraussetzungen dafür erfüllt und was ist, nichts. Dann verliert man den Blick für den Wert der Gnadenzeit, wie die meisten Menschen, und auch die Motivation, sich zur Braut Christi zu entwickeln.
„…denn der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“
Das bedeutet, das Urvertrauen in Gott zu bewahren. Er ist der Allmächtige. Dann kann sein Wort etwas bewirken. Nicht es immer wieder nur hören. Es soll etwas verändern. In der Gemeinde eins miteinander sein können. Nicht sagen, ja klar, aber mit dem und dem und dem kann das nicht gehen. Was mache ich aus Gottes Wort? Was bringe ich ein in die Gemeinschaft?
David wusste, Gott wird siegen und er mit ihm. Die äußeren Konstellationen, das Größenverhältnis, die Großmäuligkeit Goliaths – alles ohne Belang für den Hirtenjungen. Der Antichrist „kratzt“ am Glauben, argumentiert, das war damals, das passt nicht mehr in die heutige Zeit, die Verhältnisse haben sich geändert…Maria bekam die Verheißung, den zukünftigen König zur Welt zu bringen. Sie musste miterleben, wie ihr Sohn den Tod eines schäbigen Verbrechers sterben musste. Sie bezweifelte trotzdem nicht den Wahrheitsgehalt des Verheißenen. Sie blieb bis zum Kreuzestod bei ihrem Sohn.
Gott steht zu seinen Zusagen. Der Herr verzieht nicht. Es gilt, am Verhältnis zu ihm festzuhalten. Gott will unser ewiges Heil. Daran misst er seine Entscheidungen. Was sein Heiliger Geist lehrt, bringt uns ins ewige Leben.
Bischof Georg Kaltschmitt setzte fort: Es gilt, nicht auf Verführungen hereinzufallen. Auf etwas, das nichts wert ist und ins Verderben führt. Adam und Eva genossen „paradiesische Zustände“. Die sind bis heute Synonym für ein Optimum. Kein Schmerz, kein Leid. Und der Teufel konnte den ersten Menschen trotzdem durch gutes „Marketing“ verkaufen, es könne ihnen doch noch besser gehen. Sie verloren alles. Und wir, sind wir uns bewusst, wie gut es uns geht? Wir dürfen Verbindung zu Gott haben mit der Aussicht, auf ewig bei ihm sein zu können. Adam und Eva damals hatten täglich persönlichen Kontakt zu Gott. Sie hätten ihn nach dem Verführungsversuch des Teufels befragen können. Er hätte ihnen zu helfen vermocht, damit sie keinen „Totalverlust“ erleiden. Passen wir auf. Glauben wir nicht jedem Geist. Bleiben wir bei dem, was der Herr uns sagt.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls ging es M. Schnaufer besonders um die Dankbarkeit. Ein „Immunsystem“, um dem Teufel zu widerstehen. Nicht zu sehen, was einem fehlt, sondern das, was man an Gutem hat. Göttliche Kraft annehmen können, die in seiner Gnade liegt. Wenn es Irritationen gibt, nicht in Bruder und Schwester Feinde vermuten. Der Böse will Zwietracht säen, aber davon profitiert nur er. Der Weg zur Gnade ist die Versöhnung.
Einem kleinen Jungen und einem kleinen Mädchen wurde das Sakrament der Heiligen Versiegelung gespendet. Als die beiden Elternpaare mit ihren Kindern an den Altar getreten waren, hieß es vom Apostel: Was jetzt geschieht, ist nur äußerlich unspektakulär. Aber Außergewöhnliches geschieht. Euer – der Eltern Glaube – ist, von Gott erwählt zu sein, ehe er die Welt geschaffen hat. Das empfindet ihr auch so für eure Kinder, die das selbst noch nicht wissen können. Ihr könnt ihnen Sicherheit geben, so dass sie nicht wie ein im Wasser treibendes Stück Holz jeder Strömung nachgeben müssen. Vielmehr eine besondere Verbindung zu Gott zu haben, die sich nicht in regelmäßigen Kirchgängen erschöpft. Wenn Eltern um die Weisheit beten, richtige Entscheidungen zu treffen, dann wird er helfen, das Kind im Irdischen wie auch im Geistigen vor Schaden zu bewahren.
Die passende Replik kam am Ende des Gottesdienstes vom Chor:
„Der Herr ist mein Licht und ist mein Heil…“
(Text nach Ps 27, 1-4; Chorbuch Nr. 162)
Es blieb nicht bei diesem frommen Wunsch, den der Gäuchor, vor dem Gottesdienst gesungen, zum Ausdruck brachte. Die Bitte wurde auch erfüllt. Dies sei vorweggenommen.