Nach der ersten Frostperiode des Winters 2015/2016 – sie war zwar kurz, ging aber im Südwesten Deutschlands bis in zweistellige Minusgrade – gab es einen schnellen Wetterumschwung.
Ausgerechnet zum Samstagmorgen hin wurde in den Medien vor Eisregen und Glätte gewarnt. Alle, die vorhatten, nach Tübingen zu kommen, sei es als BetreuerIn vom kids-aktiv-Team oder Elternteil mit Chauffeursdiensten, hatten sich daher gesorgt, ob man überhaupt und auch gefahrlos werde fahren können. Man konnte, dafür hatten die den Teilnehmern wohlgesonnenen himmlischen Mächte gesorgt. Da mag manches Gebet erhört worden sein. Der Wetterumschwung kam in der Nacht bzw. am sehr frühen Morgen, so dass rechtzeitig vor 10 Uhr – Beginn des Kurses – die Hauptstraßen problemlos passierbar waren. Wer bei der Tübinger Kirche – Ort der Veranstaltung – ankam, musste sich daher angesichts eines davor stehenden Rot-Kreuz-Fahrzeuges keine Sorgen machen. Das war nur fürs Foto kurz mal in der Brunsstraße vors Kirchengebäude gefahren worden, bevor es wieder auf dem Parkplatz abgestellt wurde. In den Tübinger Nebenstraßen war es aber immer noch spiegelglatt. Man fühlte sich auf vier Reifen erheblich besser als auf zwei Füßen auf dem Gehsteig. Aber alles ging gut und es konnte, was Erste Hilfe anbetrifft, bei der Theorie und lediglich Beispielen aus der Praxis bleiben.
Bei der Einladung, der rund zwanzig Kinder gern gefolgt waren, war angekündigt worden, dass ausgebildete Sanitäter den Amateuren richtiges Verhalten bei kleinen und großen Notfällen zeigen würden. Und einen Einblick in die Arbeit der Profis sollte es auch geben. Keineswegs zu viel versprochen…
Andreas hatte einen Bildervortrag vorbereitet. Er übernahm auch die Vorstellung der Protagonisten: Tanja, im Kirchenbezirk Tübingen Beauftragte für den Sanitätsdienst. Was bedeutet, dass sie sich u. a. darum kümmert, dass es in jeder der zwölf Kirchengemeinden jemanden mit entsprechenden Kenntnissen gibt, der bei einem plötzlichen Notfall bei einer kirchlichen Veranstaltung das Richtige tut und/oder veranlassen kann. Andreas selbst, früher hauptberuflich und jetzt ehrenamtlich im Rettungsdienst tätig. Außerdem Sophie und Madeleine, beide Nachwuchssanitäterinnen.
Nach einem Gebet, das einer der zwei anwesenden Priester sprach, wurden noch Grüße von einem nicht unbekannten Tübinger ausgerichtet: Bischof Georg (Kaltschmitt). Der wäre gern auch mal vorbeigekommen, war aber aus nachvollziehbaren persönlichen Gründen zeitlich dazu nicht in der Lage.
Da man sich in der Kirche befand, folgte in Fortsetzung der „Liturgie“ eine Lesung, wie Andreas anmerkte. Zu hören war ein Text aus dem Neuen Testament, vorgelesen von einem der Kinder. Andreas hatte ihn herausgesucht: Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter. Der einem Überfallenen Erste Hilfe leistete, indem er Wein und Öl in dessen Wunden goss – Desinfizieren und Pflegen mit den damals üblichen Mitteln.
Es folgten noch ein paar Hinweise: Zweckmäßigerweise vor praktischen Übungen Schmuck, Brillen und Handys außer Reichweite ablegen, damit sich niemand daran verletzen konnte. Beim Üben sich einen in etwa gleichgroßen „Partner“ aussuchen, um ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis zwischen Patienten und Helfer zu schaffen. Und, besonders wenn der, dem Hilfe geleistet werden soll, schon nicht mehr ganz neu auf der Welt ist, rückenschonend agieren. Kein Resultat sollte sein: Patient zwar am Leben geblieben, aber wegen der Rettungsmaßnahmen jetzt an der problemlosen Fortbewegung gehindert.
Bevor es nun endlich in medias res gehen konnte, musste noch etwas ganz Wichtiges erledigt werden. Unter den Kindern befand sich ein Geburtstagsjunge. Der war zwar inkognito gekommen, gekleidet in das Trikot mit der Nummer 13 der deutschen Fußballnationalmannschaft und damit als Stürmer Thomas Müller. Aber René konnte enttarnt werden. Ein Mini-Geburtstagskuchen mit brennender Kerze darin wurde ihm feierlich überreicht. Und ein Geschenk gab es zusätzlich auch noch. „Aber erst in der Pause auspacken!“, hieß es. Elisabeth vom kids-aktiv-Team übernahm fachkundig das Dirigat des Geburtstags-Kanons: „Viel Glück und viel Segen…“, erklang laut und kräftig gesungen. Eingeteilt in zwei Gruppen und tatsächlich gemeinsam endend. Immer das Bestreben beim Kanon, auch wenn es zwischendurch mal etwas wuselig zugehen kann. Anschließend folgten von Elisabeth noch wichtige Hinweise. Es gab für durstige Kehlen Mineralwasser, im Foyer bereit gestellt. Bitte, nicht immer eine neue Flasche aufmachen, sich vielmehr auf eine zur Zeit beschränken und die mit dem eigenen Namen beschriften, hieß es. Und das zweckmäßigerweise nicht auf dem Preiscode, denn dann kann die Pfandflasche nicht als solche zurückgegeben werden. Die BetreuerInnen haben schon so ihre Erfahrungen gemacht…
Danach ging es endlich mit dem eigentlichen Kurs los: Die ersten Bilder wurden „an die Wand geworfen“ und im Dialog mit Andreas besprach man, welche Fehler die darauf zu sehenden Verkehrsteilnehmer machten. Zwei Radfahrer, die sich, nebeneinander fahrend, an den Händen festhalten. Und das noch ohne Helm! Geht gar nicht…Andreas wusste aus eigener Erfahrung zu berichten, wie ihn einmal bei einem gefährlichen Sturz der Helm geschützt hat. Letzterer hatte dabei eine tiefe Kerbe bekommen und musste entsorgt werden. Aber der Kopf war heil geblieben. Den muss man sich wie ein rohes Ei vorstellen, erläuterte Andreas dessen Fragilität sehr plastisch.
Damit nahm der Kurs programmgemäß seinen Fortgang. Bevor der Chronist wieder nach Haus fuhr – er blieb nicht die ganze Zeit dabei - konnte er sich bei einem Blick in die Kirchenküche davon überzeugen, dass wieder bestens vorgesorgt worden war: Zum Mittagessen gab es Salate, Spaghetti, wahlweise mit Bolognese oder Tomatensoße, und Süßes wartete auch in ausreichender Menge auf die Lehrgangsteilnehmer. Herzlichen Dank an alle, die wieder gern und mit viel Spaß dazu beigetragen haben, dass es nicht nur ein lehrreicher, sondern auch ein fröhlicher gemeinsam verbrachter Samstag wurde.
Nachfolgend wird aus dem Bericht einer der Glaubensschwestern vom kids-aktiv-Team zitiert, die den ganzen Tag über an der Veranstaltung teilgenommen hat:
„Wie wichtig es ist, einige Grundregeln der Ersten Hilfe zu wissen, verdeutlichte Sanitäter Andreas so: Wenn man nur bedenkt, dass durch das morgendliche Glatteis so viele Menschen zu Schaden gekommen waren, dass in der Klinik wohl mit gefühlten 9 Stunden Wartezeit zu rechnen ist. Aber auch in der Kirche, beim Gottesdienst kann so einiges passieren, wobei schnelle Erste Hilfe gebraucht wird. Den Kindern fiel so manches ein, was anderen und ihnen selbst schon begegnet war.
Großes schauspielerisches Talent bewiesen später René und auch der kleine Max, die Bewusstlosigkeit und/oder Schmerzen vorspielen sollten. Dabei ging es um die rechte Vorgehensweise und wichtige Fragen wie: Wo ist der Verbandskasten, wie und womit setze ich einen Notruf ab (dabei kamen die Nummern 112 und 110 ins Gespräch, die man ohne Vorwahl überall in Europa verwenden kann) und welche 5 Fragen man klären sollte. Man kann sich da auch als Kind als Held erweisen: Nämlich H wie Hilfe rufen, E wie ermutigen und trösten, L wie lebensnotwendige Funktionen überprüfen und D wie Decke unterlegen, wenn man daran denkt, ruhig zu bleiben und seine eigene Sicherheit zu beachten.
Abschließend wurde noch die stabile Seitenlage erklärt und Andreas zeigte, dass auch kleine Kinder einen schwerer wiegenden Körper bewegen können.
Nach dem Mittagessen, frisch gestärkt, ging es dann mit Beatmung und der Verwendung von Desinfektionsmitteln weiter. Die Kinder durften selbst Fingerkuppenpflaster zuschneiden und zu ihrem großen Vergnügen auch allen anwesenden Erwachsenen Kopfverbände anlegen.
Eigentlich hatte Andreas erklärt, dass man Verletzten nichts zu trinken und zu essen geben dürfe. Das schmälerte aber nicht den Appetit der anwesenden „Kopfverletzten“, als anschließend ein üppiges Gebäckbüffet serviert wurde. Muffins, ein leckerer Zebrakuchen, Flachswickel und „Schleck“ in allen Variationen, sogar glutenfrei, wurden angeboten.
Zum Abschluss wurde den Kindern noch der Krankentransporter gezeigt. Andreas mahnte zum vorsichtigen Umgang, da der Wert 120.000 Euro beträgt und erklärte die Bedeutung der auf der Seite angebrachten Nummern. Es gibt wohl auch vier verschiedene Autotypen (81 großer Notarztwagen, 82 Notarzt, 83 Krankentransporter, 85 kleiner Krankenwagen). Nach der ausführlichen Besichtigung und Probe liegen von der kleinen Helene aus Tübingen wurde noch jedem Kind eine Urkunde überreicht.“