„…Er, der nie begonnen, er, der immer war, ewig ist und waltet, sein wird immerdar!“ (aus Nr. 144, Vers 1, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Johann Philipp Neumann, 1774 – 1849) Dieses Lied aus der Deutschen Messe hatte der gemischte Chor zu Beginn des Gottesdienstes gesungen.
Den leitete Urs Heiniger, der „Freiburger“ Bischof aus dem Apostelbereich Freiburg-Tübingen. Nicht zum ersten Mal war er in den Bezirk Tübingen gekommen (siehe Berichte über Tübingen 2015 und Nufingen 2013 ). Weshalb dort große Vorfreude herrschte auf einen sehr lebhaften Gottesdienst. Mit etwas anderer sprachlicher Färbung. Alemannisch, wie es in Südbaden zu hören ist. Niemand wurde von dem Besuch enttäuscht, der vom anderen Ende des Apostelbereichs angereist war. Nach Rottenburg gekommen waren auch Bezirksvorsteher Klaus von Bank, sein Stellvertreter Werner Lampprecht, viele Gemeindevorsteher des Bezirks Tübingen und die Rottenburger Nachbarn bzw. Beinahe-Nachbarn aus Ammerbuch-Pfäffingen, Bondorf und Mötzingen.
Gottesdienst an einem Samstagspätnachmittag, Beginn 18 Uhr, statt am Sonntagmorgen. Nun, das hatte seinen Grund – am darauffolgenden Tag gab es u. a. für alle Amtsträger der Neuapostolischen Kirche in Düsseldorf einen Gottesdienst mit Kirchenpräsident Neuapostolische Kirche International, Jean-Luc Schneider, der auch in Gemeinden der Gebietskirche Süddeutschland live übertragen wurde, so dass der sonst übliche Gottesdienst am Sonntag ausnahmsweise vorverlegt worden war.
Zu Beginn ging U. Heiniger auf das gerade verklungene eingangs zitierte Lied ein. Es habe das richtige Verhältnis zum himmlischen Vater aufgezeigt. Er, der nie begonnen, immer war, ewig ist…Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind eins für ihn. Bei Gott gilt immer nur das Gute im Menschen. Was nicht so gut war, das verblasst dank seiner Gnade. Im Glaubenskampf hat man nur die Sicht aus einer, der eigenen Perspektive. Nicht die umfassende, die es gibt, wenn man die Dinge von oben betrachtet. Man betet aus menschlichem Blickwinkel, „von unten“, für die Genesung eines Kranken. Sieht die als wünschenswert an. Aber Gott hat einen anderen Blick. Den dessen, für den Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins sind. Weshalb nicht alle menschlichen Wünsche erfüllt werden. Wir können mit unseren Möglichkeiten, die Dinge wahrzunehmen, im Gegensatz zu Gott nicht wissen, was aus seiner alles umfassenden Sicht das Richtige ist. Aber das Bewusstsein, dass der himmlische Vater über Allem steht, das möge uns immer wieder innere Ruhe geben.
„Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.“ (Joh 14, 14)
Gott will, jeden Tag aufs Neue, auch bei dir etwas tun. So begann U. Heiniger auf das zu Beginn verlesene Bibelwort einzugehen. Und zwar mit dessen zweitem Teil. Gott will etwas tun – bin ich immer damit einverstanden? Entspricht es meiner Meinung? Wie oft denken wir, mein/e Partner/in, mein Vorsteher, der liebe Gott, hoffentlich tun sie das und das endlich! Aber sich fragen, was will Gott tun, was will er schaffen, dann die eigene Herzenseinstellung dahin überprüfen, ob ich das auch will. Petrus damals meinte es gut, nachdem Jesus von seinem bevorstehenden Opfer gesprochen hatte. Das könne nicht sein, meinte der Jünger, der Sohn Gottes sei doch der Größte. Jesus` Reaktion: Tritt hinter mich, Satan! Entscheidend ist ein Gedanke: Was will Gott tun. Und wo stehe ich dabei? Wenn er einen ganz anderen Weg gehen will, wie groß ist dann unsere Enttäuschung? Jesus kam als Erlöser, um allen Menschen das Heil zu bringen. Dass er hier und da Gutes tat, war bezogen darauf ein eher nebensächliches Detail. Aber nicht die Hauptsache.
Meine Gemeinde soll eine Wohlfühlgemeinde sein. Das möge der Vorsteher richten und wehe, wenn nicht? Wir legen die Füße hoch und warten drauf. Funktioniert schon zu Haus in der Familie nicht. Der himmlische Vater will uns zu sich führen. Das ist mit Arbeit verbunden. Unter dem Gesichtspunkt die eigenen Wünsche betrachten. Da sollten die irdischen keine Priorität haben. Jesus kam, um Heil für die Seele zu schaffen. Daher sollten wir Gott um nichts bitten, was nicht diesem und damit seinem Sinn entspricht.
Gott muss auch keine Wunder tun, um sich zu beweisen. Das hat er bereits, indem er seinen Sohn, den Erlöser, geschickt hat. Dessen Auferstehung ist der Beweis. Du warst nicht dabei? Möchtest das selbst erleben? Das tust du in jedem Gottesdienst. Feiern wir nicht das heilige Abendmahl im Gedächtnis an Jesus` Tod und Auferstehung? Spüren wir nicht Gottes Liebe in den Sakramenten? In der Lebensgemeinschaft mit Gott? Verändert das heilige Abendmahl nicht etwas in mir, fühle ich da nicht Jesus` Gegenwart?
In bedrängten Situationen, im Leid, wenn es keine Möglichkeit der Heilung mehr gibt, wie sieht es dann aus? Da ist jeder schon angesichts des vielen Elends in dieser Welt in Gefahr, zu sagen, ja, wenn Gott wirklich ein lieber wäre, dann…Jesus` Opfer ist der Beweis für die Liebe seines Vaters zu den Menschen. Kannst du die Kraft darin fühlen oder ist dafür kein Raum, weil irdische Wünsche im Vordergrund stehen. So nach dem Motto, zuerst soll mal mein Leben in Ordnung gebracht werden. Der junge Mensch sagt, Glaube ist etwas für die Älteren. Ich muss erst mal meine persönlichen Ziele verfolgen. Der Ältere verweist auf seine ach so große Lebenserfahrung. Da sei das mit dem den Glauben leben doch eigentlich mehr was für die Jüngeren. Wer will nicht gern einen besonderen Segen? Unser Herz ist da zwiespältig. Geht es uns schlecht, soll Gott ihn uns schenken. Wenn wir schon selbst unsere eigenen Pläne haben, dann…möge Gott sich da, bitte, nicht hineinmischen. Gott kann nur segnen, wenn wir ein ungeteiltes Herz haben. Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Wenn zuerst die Frage gestellt wird, lieber Gott, was willst du tun, dann ehrlich sagen können, dass das auch mein Wille ist, dann dürfen wir ihm alles sagen. Als eine Gemeinde: Vater, dein Wille möge geschehen.
Arndt Bayer, „alter“ Rottenburger und jetzt Gemeindevorsteher in Tübingen, ging noch einmal auf die Zusage ein „…, das will ich tun.“ . Zuerst fragen, was will Gott eigentlich – dass du und ich für immer bei ihm sind im ewigen Leben. Da ist in der Bibel zu lesen, man möge den Herrn bitten, dass er Arbeiter in die Ernte schicke (Mt 9, 38). Da könnte man auf den Gedanken kommen, ja, mehr Amtsträger oder mehr Geschwister sollten es schon sein in einer Gemeinde. Geht es nur um Quantität oder nicht vielleicht um Qualität?
Der Mensch neigt in allen Bereichen gern dazu, sich auf Nebenschauplätzen zu verkämpfen. Könnte auch mal in einer Gemeinde so sein. Dann sich bemühen, wieder die Hauptsache richtig zu gewichten: Was bringt mich/uns wieder dahin, die Dinge richtig zu werten auf dem Weg zu Gott. Die Wohlfühlgemeinde basiert nicht auf Äußerlichkeiten. Vielmehr darauf, dass alle dasselbe Ziel haben: Auf ewig beim Herrn. Da ist mehr Qualität bei der Arbeit im Hinblick auf dieses Ziel gefordert.
Und, wie der Bischof im Folgenden dazu ergänzte: Der Mensch hat oft besondere Vorstellungen, wie denn nun die erbetene Unterstützung in Persona auszusehen habe. Und übersieht, dass die Hilfe schon lange da ist. Man selbst sie nur nicht sieht, sehen kann, weil einen vielleicht der eine oder andere äußere Umstand, irgendetwas an einer Person, das völlig nebensächlich sein kann, davon abhält, sie um ihre Hilfe zu bitten. Und wer sagt denn, dass das eventuell Störende nicht irgendwann Geschichte sein könnte.
Ein Männerquartett hatte vor der Feier des heiligen Abendmahls, noch vor dem gemeinsam gesungenen Bußlied, mit einem beeindruckenden Gesangsbeitrag erfreut, bei dem es ganz still in der Kirche wurde. Aus dem Text sei das zitiert, was der Bischof aufgriff:
„Lass mein Herz überwärts, wie ein Adler schweben und in dir nur leben!
(Gerhard Tersteegen, 1697 – 1769)
Gott will jetzt ein Wunder tun. In unseren Herzen. Äußerlich nicht sichtbar. Aber, bildlich gesprochen, schön, wie ein Adler schweben zu können, über den Schmerz hinaus, über manchen Stein des Anstoßes hinweg. Wenn mein Nachbar nicht so wäre, wie er nun mal ist, dann wäre alles gut? Nein. Jesus trat für seine Feinde ein. Gott möge deren böses Tun ihnen nicht anrechnen. Das ist schwer. Und das kann man nicht mal eben so nebenher tun. Im Natürlichen strebt der Mensch oft Dinge derart versessen an, dass er alles andere dafür aufgibt. Mit dieser Intensität um das Heil der Seele kämpfen: „Ich will mit der Sündenvergebung, der Feier des heiligen Abendmahls erleben, dass Gott durch seine Gnade ein Wunder tut. Wir wollen in unserer Seele die Voraussetzungen dafür schaffen.“