„Ich glaube fest, dass alles anders wird, wenn uns die Liebe immer weiter führt…. …ich hoffe auf die Zeit voll Frieden und Gerechtigkeit.
“
(aus den Versen 1 u. 2 Nr. 332, Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst, Text Martin Bogdahn, geb. 1936)
Das hatte zu Beginn des Gottesdienstes in Bondorf, zu dem auch die Glaubensgeschwister aus Mötzingen und Jettingen eingeladen waren, der gemischte Chor gesungen. Bischof Georg Kaltschmitt knüpfte an das gerade verklungene Lied an: Man macht sich so seine Gedanken, gerade wenn man selbst nicht mitsingt. Fest glauben, dass alles anders wird? Stimmt nicht in jeder Lage. Es gehört zum Menschen dazu, dass er sich nach Änderungen sehnt, wenn es mal nicht so gut läuft. Aber er würde allzu gern den Moment festhalten, wenn es, wie bei manchem, der gerade seinen Urlaub genießt, wunderschön ist. Fest daran glauben, dass es Gottes Liebe ist, die führt und regiert. Es gibt auch da ein „einerseits, andererseits“. Im Umfeld sieht es nicht immer danach aus, dass Liebe führt und regiert. Da gibt es höchst gespaltene Reaktionen bei der Konfrontation mit anderer Elend, aktuell mit dem der Vielen, die jetzt nach Europa flüchten. Mitgefühl und Hilfsbereitschaft bei den einen, Ablehnung bis zum Hass bei anderen. Beim himmlischen Vater regiert allein die Liebe. Es ist ein Grundbedürfnis des Herzens, dahin zu kommen. Dabei zu sein, wenn Jesus kommt und die Seinen zu Gott führt. Alle anderen Perspektiven sind furchterregend. Schön, daran glauben und darauf hoffen zu dürfen, bei Gott Zuflucht zu finden, sonst wäre manche Stunde sehr bedrückend und nicht auszuhalten.
„Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“ (1. Kön 19, 7, 8) Beim zu Beginn des Gottesdienstes verlesenen Text aus dem Alten Testament geht es um den Propheten Elia. Der Bischof schilderte die Vorgeschichte: Mit Gottes Hilfe war es Elia gelungen, die Baalspropheten, die das Volk in die Irre leiten wollten, zu vernichten. Gott hatte zuvor Feuer vom Himmel regnen lassen und sich so als der wahre Gott und Herrscher gezeigt. Aber damit war kein endgültiger Sieg verbunden, denn Königin Isebel schwor, Rache an Elia zu üben. Der floh in die Wüste. Verzagt, verzweifelt, sich nichts als den Tod wünschend. Da kam der Engel. Elia bekam wieder Kraft und ging, wie ihm durch den Engel von Gott befohlen, zum Berg Horeb, dem Berg Sinai, wo Mose einst die göttlichen Gesetzestafeln erhalten hatte.
G. Kaltschmitt verglich das damalige Geschehen mit der Entwicklung der Neuapostolischen Kirche bis in die Gegenwart. Da gab es auch eine Zeit, in der man denken konnte, jetzt ist der Höhepunkt erreicht, jetzt muss der Herr kommen: Jedenfalls in Süddeutschland gab es so gut wie in jedem Flecken eine neuapostolische Kirchengemeinde, so groß war der Zustrom. Heutzutage müssen aus verschiedenen Gründen Kirchengemeinden zusammengeführt werden. Kirchengebäude sind bei den Gottesdiensten leerer als früher. Man könnte, wie damals Elia, verzagen. Dem Propheten gegenüber insistierte Gott durch seinen Engel: „Iss, was ich dir schicke!“ Heute schickt der himmlische Vater uns seinen Heiligen Geist, der in jedem Gottesdienst Speise für die Seele anbietet. Hör nicht auf, das zu „essen“, was der Herr dir anbietet. Nimm sein Wort entgegen, das wird dir Kraft geben. Mit der Feier des heiligen Abendmahls gibt Gott sie dir, und die Möglichkeit, zu ihm zu kommen. So, wie damals Elia zum Berg Gottes gelangte, dem Berg, wo einst Mose die Gesetzestafeln bekam und für das Volk Israel alles seinen Anfang nahm.
Besinnen auch wir heute uns auf unseren persönlichen Anfang, wenn Zweifel aufkommen, wir enttäuscht und kraftlos sind. Jeder hat seinen eigenen Punkt gehabt, an dem er zum Glauben Stellung beziehen musste, sei es als Erwachsener oder als Konfirmand. Er hat sich da für die Liebe zu Gott entschieden und mit ihm einen Bund geschlossen. Wenn sich die Verhältnisse in den Gemeinden auch ändern, so ist doch Gottes Liebe nicht weniger geworden. Der Gottessohn hat sich damit nicht geändert und die Kraft, die in seinem Opfer für die Menschen liegt, ist nicht weniger geworden. Wenn mein Nächster aufgibt, nicht mehr glauben kann oder will, ist das für mich kein Anlass, das auch zu tun. Für mich ändert sich dadurch nichts an meinem Verhältnis zu Gott: Dahin, wo die Liebe regiert. Damals auf dem Berg Sinai drückte sich dessen Liebe dadurch aus, dass er seinem Volk Gesetze gab. Jesus gab später ein neues Gesetz, das der Liebe: Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst. Da ist auch das Bild vom Hirten, der sein verlorenes Schaf sucht, aus Liebe, obgleich er eine ganze Schafherde hat. Er gibt nicht auf, bevor er es wiedergefunden hat. So sollen auch wir, als Zeugen Gottes, alles daran setzen, um eine verlorene Seele zurückzuführen. Wer das tut, hat mehr als die ganze Welt gewonnen. So hoch bewertet Gott die Liebe. Auf dem Berg Karmel damals hatte Gott Elia seine große Machtfülle gezeigt (1. Kön 18, 38 ff). Auf dem Berg Horeb später gab es großen, starken Wind, Erdbeben, ein Riesenfeuer – aber Gott zeigte sich nicht darin. Danach aber kam „ein stilles, sanftes Sausen“. Jetzt erst sprach Gott zu Elia (1. Kön 19,11 ff). Es gibt keine Regeln dafür, wie Gott sich offenbart. Unsere Vorstellung ist nicht maßgebend. Gott zeigt, dass er der Allmächtige ist. Er zeigt dies so, wie er es will. Er allein entscheidet, ob, wann und wie er etwas tut. Gott ist immer der Handelnde. Er legte damals fest, wer der neue König in Israel und in Syrien und auch, wer der Nachfolger Elias werden sollte (1. Kön 19, 15, 16). Wohlgemerkt, Gott bestimmte selbst bei den Feinden Israels, den Syrern, wer Herrscher wurde.
Was auch immer in der Welt passiert – Gott hat die Fäden in seiner Hand. Sowohl bei seinem Volk als auch bei allen anderen. „Daher – wo ist das Problem?“, zitierte G. Kaltschmitt Stammapostel und Kirchenpräsident Neuapostolische Kirche International, Jean-Luc Schneider, der zuvor in einem anderen Ort einen Gottesdienst geleitet hatte, dem auch dieser Text aus dem Alten Testament vom Propheten Elia zugrunde lag. Wie damals bei ihm – Gott zeigt sich mal gewaltig, mal unauffällig. Aber immer bestimmt er das Geschehen. Das gibt eine große Sicherheit und lässt uns durch nichts aus der Bahn werfen. Wir vertrauen unserem himmlischen Vater.
Walter Huber, Gemeindevorsteher am „anderen Ende“ des Bezirks Tübingen, in Pfrondorf, griff den Gedanken auf: Gott hält uns in der Hand. Drei Begriffe aus einem Lied (Chorbuch Nr. 144, Vers 2, Text Johann Philipp Neumann, 1774 – 1849) kamen W. Huber dazu in den Sinn: Allmacht, Wunder, Liebe. Mit diesen Worten wird dort die Heiligkeit Gottes definiert. Und Größe und Erhabenheit, wurde ergänzt. Tiefes und unerschütterliches Vertrauen zu Gott dürfen wir haben. An uns ist es, seine Liebe zu erwidern, an ihn, der Leben und Segen gibt. Wenn wir sie in uns haben, wird er uns nie enttäuschen, egal, was auch kommt.
Zur Feier des heiligen Abendmahls überleitend, betonte G. Kaltschmitt, dass eine große Sicherheit auch darin besteht, dass in jedem Gottesdienst wieder neu Gottes Gnade erlebt werden kann. Er schickt niemanden weg, auch wenn der Mensch immer wieder mit demselben Problem zu ihm kommt. Seine Gnade bringt jedes Mal wieder in Ordnung, was dem Menschen misslungen ist. Gott ist allmächtig und seine Gnade unendlich. Bemühen wir uns, seinen Willen zu tun und sein Wesen in uns zu tragen. Da gibt es keinen Raum für Hass, Gewalt und Unmenschlichkeit.
Der als Bußlied folgende Gemeindegesang vor der Feier des heiligen Abendmahls bestärkte das mit dem Versprechen (aus Vers 3, Nr. 50 neuap. Gb, Verf. unbekannt, Quelle Herrnhuter Brüdergemeine, 1778):
„In Wort und Taten will ich rühmen, will danken, loben täglich neu und lieben dich für dein Versühnen, für deine große Lieb und Treu.“