„Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ Nein, es waren doch nicht alle verreist oder der Urlaub lag schon hinter oder noch vor dem einen oder anderen.
Die Kirche in Tübingen war mit einheimischen und Glaubensgeschwistern aus den Gemeinden Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen sowie Rottenburg gut gefüllt an einem wunderschönen Spätsommersonntagmorgen.
„Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes,…“ (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 400, Text Röm 8, 35, 38 , 39) hatte zu Beginn der gemischte Chor gesungen. G. Kaltschmitt knüpfte daran an: Die Liebe Gottes – es gibt wohl auch manche, die sie gar nicht so empfinden können. Die denken, bei meinen Lebensumständen vermag ich von dieser Liebe nicht viel zu verspüren. Aber wenn man den Blick anders ausrichtet, eröffnet sich: Wir sind heute da im Gottesdienst. Es war uns möglich, zu kommen. Wir leben noch. Es ist noch Glaube in uns, sonst wären wir nicht anwesend. Also gibt es noch ein Stück göttlichen Lebens in uns. Das sollte Grund zur Dankbarkeit sein. Mancher wäre froh, überhaupt noch gehen und kommen zu können. Und wer das nicht mehr kann, auch den hat Gott lieb. Der ist auch auf schwerem Weg da. Wir wollen an die denken, die nicht kommen konnten.
Auf das zu Beginn verlesene Textwort eingehend: „Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ (2. Mose 33, 18) schilderte G. Kaltschmitt zunächst die Umstände, die den damaligen Führer des Volkes Israel zu dieser Bitte veranlassten. Er war traurig, niedergeschlagen, lag am Boden. Er wollte erleben, dass Gott groß ist. Daher diese Bitte. Menschliche Fähigkeit reicht nicht aus, um Gott denken zu können. Aber Mose zeigte er sich. Später konnten Menschen aufgrund von Jesus` Beschreibungen Gott wahrnehmen, der zu ihnen von seinem Vater sprach. Gott, der allmächtig ist. Zeitlos, was sich der Mensch, für den alles einen Anfang und ein Ende hat, gar nicht vorstellen kann. Gott, dessen Liebe unermesslich ist.
Der Allwissende – es gibt nichts, das er nicht weiß. Der alles erschaffen hat, auch den Menschen. Seine Schöpfung lässt uns ihn bewundern. Die sich schon im Irdischen als herrlich und nicht mehr steigerungsfähig zeigt, wenn wir manche Naturschönheiten betrachten. Im Gotteshaus wollen wir ihn erleben und seine Herrlichkeit sehen. In den Dimensionen, die menschenmöglich sind. Nicht mit den stofflichen Augen, sondern mit dem Herzen.
G. Kaltschmitt schilderte das damalige Geschehen: Mose, der das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hatte, war auf den Berg Sinai gegangen. Dort sollte er von Gott die die mit dessen Finger beschriebenen Tafeln des Gesetzes bekommen. Währenddessen fiel das Volk von Gott ab. Verehrte einen Götzen, den die Menschen sich selbst gemacht hatten. Als Mose das bei seiner Rückkehr feststellen musste, zertrümmerte er im Zorn die Gesetzestafeln. Völlig niedergeschlagen bat er Gott: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Der Bischof schilderte das weitere Geschehen (2. Mose 33, 19 ff, 34). Die Herrlichkeit Gottes konnte Mose nicht sehen. Das hätte kein Mensch ertragen können. Aber spüren durfte Mose sie. Er war auf Gottes Geheiß wieder auf den Berggipfel gegangen, um noch einmal dessen Gebote auf steinerne Tafeln geschrieben zu bekommen. Nachdem Gott vor Moses Angesicht vorübergegangen war, konnte der rufen: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue,… “ (2. Mose 34, 6). Danach erhielt er die Gesetzestafeln. Als Mose zum zweiten Mal zu seinem Volk zurückkehrte, lag immer noch göttlicher Glanz auf seinem Gesicht, so dass er es verhüllen musste, wenn er mit ihnen redete, um niemanden zu blenden (2. Mose 34, 29 ff).
Was will uns das sagen? Mose hatte sich dem Herrn geweiht. Verzichtete auf alles, was sonst sein Leben ausgemacht hätte, um den erhaltenen Führungsauftrag zu erfüllen. Und trotzdem gab es Niederlagen. Da brauchte es Trost: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Auch wir sind Gottes Ruf gefolgt. Verzichten dafür auf Manches. Und trotzdem gibt es Niederlagen. Dinge, die uns tieftraurig machen. Dann um Gottes Zuwendung bitten. Wenn wir die Macht des Bösen spüren, unsere eigene Fehlerhaftigkeit, dann zu Gott an den Ort kommen, wo er uns begegnen will. Im Gottesdienst ist er für uns da. Erleben wollen, wie er vorüberzieht. Spüren können, Gott ist da und wir dürfen ein Stück seiner Herrlichkeit sehen. Im Gottesdienst wird sein Erlösungsplan bewusst gemacht: Menschen von ihren Sünde, vom Irdischen befreien und sie ins ewige Leben führen. Das Evangelium Jesus` ist göttliche Herrlichkeit. Sie zeigt sich darin, wie er gelebt, gefühlt, gehandelt hat. Gottes Güte will Menschen nicht strafen, sondern erretten. Weil er ein Gott der Liebe ist. Dessen Sohn für uns gestorben ist. Der treu ist. Den menschliches Fehlverhalten nicht davon abhält, helfen zu wollen.
Mose bekam die Gesetze ein zweites Mal, nachdem er zuvor Gottes Herrlichkeit hatte spüren können. Das zeigt, Gott gibt erst Gnade, danach kommt das Gesetz. Das uns nicht „drangsalieren“, sondern vor dem Bösen bewahren soll. Er will uns den Blick öffnen für seine göttliche Herrlichkeit, nicht für das Irdische. Zwar konnte sein Sohn viele menschliche Nöte durch Wunder beseitigen. Aber er kam auf die Erde zum Heil der unsterblichen Seele. Gottes Herrlichkeit liegt in der geistigen Schöpfung.
Mose damals durfte Gott, der an ihm vorüberzog, nachschauen und dessen Herrlichkeit so wahrnehmen. Geht es uns nicht oft auch so, wenn wir auf unser Leben zurückschauen? Was wir in der Situation selbst nicht sehen können – hinterher wird klar, es war doch richtig so. Der himmlische Vater hat sich unendlich um mich bemüht, mich angenommen. Lässt mich die Vergebung meiner Sünden erleben. Was wäre ich sonst? Das zu erkennen, dazu bedarf es eines besonderen Blicks, den wir uns immer mehr schaffen wollen. Das gelingt nur mit einem reinen Herzen. Gott rechnete es damals Mose nicht an, dass der verzweifelte. Er wusste, ihm wieder Kraft zu verschaffen und hielt fest an seinem göttlichen Plan. Gott wird auch an seiner Verheißung festhalten, dich und mich in sein Land zu führen.
Später erwähnte der Bischof noch, dass nach derzeitigen hochrangigen wissenschaftlichen Erkenntnissen menschliches Wissen so etwa drei Prozent von dem erfasst hat, was im gesamten Universum passiert. Es mögen vielleicht auch nur drei Prozent sein, die das ausmacht, was wir wirklich von Gottes Willen verstehen. Aber es lohnt sich, den Weg zu gehen, den Jesus im Evangelium aufgezeigt hat, um Gottes Herrlichkeit in Gänze sehen zu können.
Hilmar Stockinger, Gemeindevorsteher in Nebringen, war einer der wenigen anwesenden Amtsträger, die gerade nicht Urlaub hatten. Ist halt so in Baden-Württemberg im Monat August. H. Stockinger beschäftigten zwei biblische Verheißungen: „…und dann werden wir ihn (Gott) sehen, wie er ist…und wir werden ihn nichts mehr fragen.“ Wir haben schon Vieles gehört von dem, was war, von dem, was ist. Und haben ein Ziel: In einer anderen Welt hineinzublicken in das Gesicht Gottes. Und keine Fragen mehr zu haben. Unvorstellbar, denn heute beschäftigen uns Hunderte.
Für Gott ist es unerheblich, ob wir im Diesseits oder im Jenseits leben. Wichtig ist, dies zukünftig in der Gemeinschaft mit ihm zu tun. Dazu gehört, wie Jesus es gelehrt hat, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. In dem Sinn freuen wir uns auf eine herrliche Zukunft.
„Herzlich willkommen am Altar!“, begrüßte der Bischof nach der Feier des heiligen Abendmahls ein „goldenes“ Hochzeitspaar, das den Segen zum Ehejubiläum gespendet bekommen sollte. „Dass ihr hier steht, ist Gnade Gottes. Ihr dürft einander haben. Habt alle Fährnisse der letzten fünfzig Jahre überstanden. Viele Dinge, die euer Eheleben geprägt und auch belastet haben. Aber ihr wusstet und wisst, von wem letztlich alles kommt. Dieses Gottvertrauen soll euch auch in die Zukunft begleiten. So möchte ich euch freudig stimmen für die kommende Zeit!“ Einen „neuen“ Segen zum Ehejubiläum gab es auch, aber nicht etwa deshalb, weil der „alte“ verbraucht wäre, wie G. Kaltschmitt anmerkte. „Gott will einfach segnen. Das dürfen wir jeden Tag erleben.“ Das vom Chor zuvor gesungene Lied, das sich die Eheleute gewünscht hatten, weil es, wie der Bischof es sagte, deren Einstellung zum himmlischen Vater wiedergibt, sei hier - auszugsweise – zitiert (gilt nicht nur für „goldene“ Hochzeitspaare):
„Ich will beten, du wirst hören; Herr, du hast es zugesagt… …Ich will beten, du wirst geben, denn von dir kommt alles her.“
(Chorliederbuch Nr. 150, Text nach Gottfried Gottschling, 1680 – 1723)