„Mit dir, o Herr verbunden, fühl ich mich nie allein…“ (Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche Nr. 189, Text Jane Cross Simpson, 1811 – 1886) hatte zu Beginn des Gottesdienstes ein großer gemischter Chor, bestehend aus SängerInnen der Gemeinden Öschelbronn, Nebringen und Jettingen, gesungen.
Mitglieder der drei Gemeinden, viele Gemeindevorsteher aus dem Bezirk Tübingen, dessen Leiter und sein Stellvertreter sorgten an einem wunderschönen Sommerabend für eine mit insgesamt 125 Gottesdienstbesuchern gut gefüllte Kirche. Ein Instrumentalquartett, die Orgel mit dem bekannt dynamischen Spieler der Gemeinde Öschelbronn und der gemischte Chor sorgten vor dem und im Gottesdienst für die Musik. Noch war Sommer – das zeigte auch der mit bunten Blumen, diese der Jahreszeit entsprechend, mit sichtlich viel Liebe zusammengestellte Schmuck des Altars.
Zu Beginn griff G. Kaltschmitt das gerade verklungene vom Chor gesungene eingangs zitierte Lied auf. „Der Gesang hat uns spüren lassen, besonders die, die mit Sorgen gekommen sind und sich vielleicht verlassen fühlen: Ein doppeltes Glück ist es, sich an einem Mittwochabend mit dem Herrn zu verbinden.“ Da muss sich niemand allein fühlen. Jeder darf unter Brüdern und Schwestern die Gemeinschaft der Gotteskinder erleben. In der man sich freut, dem anderen zu begegnen. Anteil nimmt, wenn man die Sorgen seiner Glaubensgeschwister spürt und für sie betet. Und das gemeinsame Erleben hat, miteinander Gottes Wort hören zu dürfen.
„Er zog mich aus der grausigen Grube, aus lauter Schmutz und Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich sicher treten kann; er hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unseren Gott. Das werden viele sehen und sich fürchten und auf den Herrn hoffen.“ (Ps 40, 3 u. 4)
Ein „gruseliger“, dramatischer Text, begann der Bischof auf den eingangs verlesenen Psalm einzugehen. David wird ihn als Verfolgter, aus der Not heraus Gekommener geschrieben haben. Aus der Gott ihn gerettet hat. Von dem Leben und Sicherheit kommen.
Die „Grube“ steht für Unglück und Leid. „Schmutz und Schlamm“ symbolisieren die Traurigkeit über die Situation. Aus der Gott den Menschen herausziehen will, um ihn auf festen Grund zu stellen. Letzterer steht für den Glauben, das Vertrauen auf den Vater im Himmel, der alles wenden kann.
Die „grausige Grube“ auf seelischem Gebiet ist im Alten Testament ein Bild für das Totenreich. Jesus hat darauf eine andere Sicht gegeben: die der geistigen Welt. „Schmutz und Schlamm“ entsprechen der Sünde, aus der Gott uns wie auch vom ewigen Tod durch das Opfer seines Sohns befreit hat. Dem natürlichen Tod sind wir alle gewidmet. Jesus hat uns aber das ewige Leben erschlossen, in das Gott uns hineinführen möchte. Vom „Schmutz“ befreit uns die Sündenvergebung. Aus eigener Kraft schaffen wir das nicht.
Die „Füße auf einen Fels“ gestellt: Der ist Jesus, dessen Worte nach seiner Aussage nicht vergehen werden. Der Petrus damals als „Fels“ bezeichnete, nachdem der Gottessohn sich dessen Liebe zu ihm vergewissert hatte. Dann erst hieß es: Du, Petrus, bist der Fels, auf den ich meine Gemeinde gründe. Rund 2000 Jahre vorher hatte der Psalmist vom sicheren Felsen gesprochen, bis es hieß, du bist der Fels. Der Fels als Bild des Apostolats. In großer Konstanz hat Gott seinen Plan über eine lange Zeit verfolgt und umgesetzt.
„Ein neues Lied“ gegeben – der Bischof wusste Beispiele für „alte Lieder“ anzuführen: Früher war alles besser…niemand versteht mich…und das neue Lied: O selig, ein Gotteskind zu sein, von der Gnade des Herrn zu singen, ein Ziel weit über allem Irdischen haben zu dürfen, seine Gnade wertzuschätzen und ihm nahe sein zu dürfen.
G. Kaltschmitt zitierte (Offb 14, 1, 3) aus dem Neuen Testament den Text, in dem es um die hundertvierundvierzigtausend geht, die ein neues Lied singen, das niemand außer ihnen kennt. Es gilt, dieses Lied zu üben. Das kann keiner mal eben vom Blatt singen, was ohnehin schon im natürlichen Leben nicht jedem gegeben ist. Und zusammen klingen soll es auch. Die Harmonie muss stimmen. Dies gelingt nicht, ohne zuvor geübt zu haben.
„Das werden viele sehen …“ – heißt, nicht nur verbal Gott zu loben. Vielmehr durch Taten zu zeigen, dass Gottes Geist bei den Seinen lebendig ist. Die es sehen, werden „sich fürchten und auf den Herrn hoffen“: Fürchten ist hier im Sinne von staunen zu verstehen. Auf den Herrn hoffen lässt ihn uns heute schon loben, indem wir seinen Willen tun. Das bleibt nicht ohne Außenwirkung. Und uns soll es glücklich machen, wenn wir uns immer wieder Gottes Liebe vergegenwärtigen, so der Bischof abschließend.
Und die Befreiung von „Schlamm und Schmutz“, von zähem, oft unvermeidbarem Dreck, der sich überall absetzt, so der Bischof später vor der Feier des heiligen Abendmahls, die kann man bei jeder Sündenvergebung erleben: das wunderbare Gefühl, dass alles „abgewaschen“, rein und sauber ist.
Die Gemeinde Tübingen hatte in einem Gottesdienst Ende Juli 2015 einen neuen Evangelisten zur Unterstützung des Vorstehers bekommen: Klausjürgen Zahn, der an diesem Abend in einer Gäugemeinde, sozusagen auf der anderen Seite des Kirchenbezirks, einen Beitrag zum Gottesdienst leistete. Heraus aus der „gruselige(n) Grube“ – ein dazu passender Liedtext wurde zitiert: „Schmücke dich o liebe Seele! Lass die dunkle Kummerhöhle,…“, hatte ein Dichter es formuliert, der die Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges miterleben musste (Johann Franck, 1618 – 1677, Neuap. Gb Nr. 94). Im Alltag, der einen oft depressiv werden lassen kann, sich davon losreißen und dennoch sich dazu aufraffen, in den Gottesdienst zu gehen. Und oft erlebt man dann etwas, das einen herausbringt aus den eigenen trüben Gedanken, in denen man sich verfangen hat. So, wie vielleicht jemand, der an einer pathologischen Depression leidet, während einer Kur aufgebaut und arbeitsfähig wird. Immer wieder aufstehen und Gott entgegen gehen können, das war der Wunsch des „neuen“ Evangelisten für alle.
Ein wunderschöner, langsam dämmrig werdender Sommerabend im August – wen soll es da wundern, dass der Bischof mit seinem Vorschlag, sich draußen im Freien zu verabschieden, nur Zustimmung ernten konnte.