„Wohin soll ich mich wenden,…“ (aus Franz Schuberts (1797 -1828) „Deutsche Messe“, Nr. 225 Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst) Die zahlreichen Gottesdienstbesucher an einem strahlenden, nach der Gluthitze der vergangenen Julitage erfrischenden Sonntagmorgen hatten diese Frage jede/r für sich entschieden: „Zu dir, zu dir, o Vater, komm ich in Freud und Leiden, du sendest ja die Freuden, du heilest jeden Schmerz.
“ So ist die Antwort im eingangs zitierten Lied (Text Johann Philipp Neumann (1774 – 1849) formuliert. Aus Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen und Rottenburg waren die Teilnehmer des Gottesdienstes nach Tübingen gekommen. Und außer ihnen die Gemeindevorsteher des gleichnamigen Kirchenbezirks sowie weitere Besucher: die Bezirksvorsteher und ihre Vertreter, aktiv und im Ruhestand, des Bereichs Freiburg/Tübingen, dessen beide Bischöfe, Urs Heiniger und Georg Kaltschmitt, sowie ein Ruheständler ganz aus dem Süden, Apostel Wolfgang Eckhardt, der gegen Ende seiner Amtszeit neben „seinem“ ursprünglichen Bereich Freiburg auch den zu der Zeit noch selbstständigen Bereich Tübingen mitbetreute. Nicht zu vergessen die Ehefrauen der Amtsträger. Das eingangs zitierte Lied war das erste, das ein Instrumentalquintett als Einstimmung auf den Gottesdienst spielte. Orgel, Gemeindegesang und ein gemischter Chor gestalteten den Gottesdienst musikalisch mit.
Zu Beginn war vom Chor zu hören: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft…“ (Chorbuch Nr. 163, Text Jes 40, 31, Musik Hermann Ober, 1926 – 2006). Daran knüpfte M. Schnaufer an: Wer auf den Herrn vertraut, kann erleben, dass er neue Kraft gibt. Bei Krankheit, einer Situation, in der man eigentlich nur verzweifeln könnte, auf Gott bauen. Da hat schon mancher erlebt, dass eine geheimnisvolle Kraft wirkt, die ihn die Dinge anders sehen und bewältigen lässt. Ohne, dass sich äußerlich etwas verändert hätte. Etwa ein großes Wunder geschehen wäre. Ja, es gibt Höhen und Tiefen im menschlichen Leben. Und Gott hat oft genug gezeigt, dass er helfen kann und will. Aber, wie reden wir in schlimmen Situationen mit ihm? Gibt es da Indizien für Misstrauen, die man als Undankbarkeit deuten könnte? Er handelt aus Liebe zu den Menschen. Er hat uns erwählt. Sein Ziel ist es, mit uns Gemeinschaft zu haben. Aus irdischer Denkweise heraus besteht die Gefahr, Prioritäten zu verschieben. Sich nicht bewusst zu machen: Was ist das Ziel meines Lebens? Was erwarte ich wirklich? Bei richtiger Gewichtung kann die Antwort nur sein, sich auf Gott zu verlassen und auf ihn zu bauen. Er wird mir neue Kraft geben.
„Wer zu mir kommt und hört meine Rede und tut sie – ich will euch zeigen, wem er gleicht. Er gleicht einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf Fels. Als aber eine Wasserflut kam, da riss der Strom an dem Haus und konnte es nicht bewegen; denn es war gut gebaut.“ (Lk 6, 47, 48)
Dieser Text aus dem Neuen Testament lag der Wortverkündigung zu Grunde. Überschrieben „Vom Hausbau“ findet er sich am Ende der Bergpredigt, wie sie u. a. im Lukasevangelium wiedergegeben ist. „Wer zu mir kommt…“, die Worte galten nicht irgendjemandem. Vielmehr denen, die damals anwesend waren. Heute gelten sie uns, Gottes Kindern, die ihm zuhören.
„…und tut sie“ (meine Rede), der gleicht einem Menschen, der sein Haus auf einen Fels gründet.“ Das Bild spiegelt unser Verhältnis zu Gott. Die Wasserfluten, die dem Gebäude nichts anhaben können, stehen für die Bedrängnisse, denen der Mensch ausgesetzt ist: Niederlagen, Glaubensprüfungen. Dem sich stellen können. Unter dem Aspekt, dass ein jeder einmal gerichtet werden wird, sei es bei der Wiederkunft Christi oder beim Endgericht – als Brautseele oder aber nach dem Tausendjährigen Friedensreich. Voraussetzung, um bestehen zu können, ist, Gottes Wort aufzunehmen und danach zu tun.
„…meine Rede hört und tut sie - “ , das bedeutet nicht, in den Gottesdienst zu gehen, Opfer zu bringen, zu beten. Alles wichtige Dinge, aber um sagen zu können, ich tue, da geht es nicht um das, was äußerlich wahrnehmbar ist. Vielmehr bedeutet es, innerlich so fest gegründet zu sein, dass kommen kann, was will. Mein Glaube wankt nicht. Ich gestalte mein Leben so, dass ich Prüfungen Stand halten kann und bei der Wiederkunft Christi würdig bin, an der Ersten Auferstehung teilzuhaben.
Wo muss ich noch etwas tun? Auch dazu gibt es Hinweise in der Bergpredigt. „Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch .“ (Lk 6, 31). Wie gehen wir miteinander um? Ein Sprichwort drückt es aus: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“
Was tue ich? Wie rede ich über andere? Reagiere ich auf deren Fehler verständnisvoll? Wer das schafft, der schafft damit auch ein sicheres Verhältnis zu Gott. Wer versucht, mit aller Kraft, so zu sein, erlebt Gottes Segen. Dessen Verlässlichkeit sicher ist. Wenn auch Himmel und Erde vergehen mögen, sein Wort vergeht nicht. Was Jesus vor rund 2000 Jahren gesagt hat, stimmt inhaltlich bis heute. Wer sich selbst zurücknimmt, erlebt dadurch keine Nachteile. Abraham war bereit, zugunsten des Jüngeren, Lot, zurückzustehen, obgleich ersterer das Vorrecht des Älteren gehabt hätte. Aber Abraham war es wichtiger, Gottes Willen zu tun als sich persönliche Vorteile zu sichern. Und dessen Segen wurde ihm zuteil. Ist es mir heute schon wichtiger zu vergeben als nachzutragen? Wer daran arbeitet, der wird erleben, dass Gottes Worte Bestand haben. Er wird Erfahrungen machen, die seinem Glaubensgebäude einen sicheren Stand geben.
„Und legte den Grund (des Hauses) auf einen Fels.“ Direkter Kontakt zwischen Bauwerk und festem Untergrund ist notwendig. Keine „Erde“ dazwischen in Form menschlichen Denkens. Etwa Bedingungen stellen. Gott muss etwas tun, etwas verändern, dann glaube ich. Es geht nicht darum, das irdische Leben zu optimieren.
Was ist dein Bild Gottes? Er hat uns aus Liebe erwählt. Jesus begab sich aus Liebe auf die Erde. Er erwählte die Seinen, nicht umgekehrt. Gott ist die Liebe und wir fordern Beweise? Umgekehrt. Es ist an uns, unsere Liebe zu zeigen. Gott handelt aus Liebe. Er steht zu seinem Wort. Das soll fest in uns verankert sein, damit wir Fortschritte machen, um bereit zu sein für die Wiederkunft Christi.
Eingangs wurde es schon erwähnt, die Bischöfe, Bezirksvorsteher und ihre Vertreter aus dem gesamten Apostelbereich waren nach Tübingen gekommen. Nur einige davon konnten aus zeitlichen Gründen einen Beitrag zum Gottesdienst leisten, leider, wie M. Schnaufer feststellte.
Bezirksevangelist Dieter Winzenried, Bezirk Villingen-Schwenningen, wurde vorgestellt als jemand mit Tübinger Vergangenheit. Der sich zurück getraut hatte, obgleich er eine Tübingerin seinerzeit „mitgenommen“ hatte. Aber dort kann man verzeihen…D. Winzenried kam auf die Bitte des Apostels im Eingangsgebet zurück: Herr, erfülle dieses Haus mit deiner Heiligkeit. Nicht eine Kirche, so schön die Tübinger auch ist, das Haus Gottes ist es, in dem er mit uns redet. Im Gottesdienst geht es um Gottes Wort. Ein einfaches Wort, aber es liegt viel Kraft darin. Der Glaube wird gestärkt. Fragen werden beantwortet. Weil es sein Wort ist. Was verändert es auch und gerade im Alltag bei uns? Es gilt, authentisch zu sein: In Wort und Werk, in allem Wesen, sei Jesus und sonst nichts zu lesen! So wurde abschließend aus einem bekannten Lied zitiert.
Bezirksältester Horst Schneider, Bezirk Dornhan, freute sich, ein Teil der Gottesdienstgemeinschaft an diesem Tag sein zu können. Aber es gilt, nicht nur passiv zur Gemeinschaft in der Gemeinde zu gehören. Nicht nur so durchs Leben zu „rutschen“. Vielmehr etwas zu tun: den festen Grund in Jesus suchen und finden. Darin das Urvertrauen verankern. Wenn ich nicht weiß, wie es weitergehen kann – sich sicher sein, Gott ist da. Er gibt keine Antworten wie ein Automat, in den man eine Münze hineinwirft und dann kommt, wenn es richtig läuft, bestimmt auch etwas heraus. Und Gott ist treu. Sein Sohn als Vorbild hat anderen aus Liebe nicht zugerechnet, was ihnen vorzuwerfen war. Gottes Liebe haben wir erfahren. Die mögen wir weitergeben an unsere Brüder und Schwestern. Vollkommen ist niemand, aber wir haben ein gemeinsames Ziel, das uns verbindet.
Nun ging es, wie der Apostel anmerkte, auf die „Rheintalschiene“, jenseits des Schwarzwalds gelegen, von Tübingen aus gesehen. Den Anfang machte Bezirksältester Jürgen Schmidt, Bezirk Offenburg. Ihm ging es noch einmal um das Haus. Selbst dann, wenn es auf Fels gebaut wird, es wird auf Erden nie fertig sein. Es ist dort dauernd fremden Einflüssen ausgesetzt. Da kann sich niemand entspannt zurücklehnen und darauf verweisen, wie lange er nun schon seinen Glauben hat und/oder dass bereits seine Vorfahren neuapostolische Christen waren. Danach geht es nicht. Man muss sich immer wieder fragen, ob tatsächlich das Haus schon fest auf dem Felsen steht oder ob nicht doch so viele menschliche Wünsche dazwischen stehen. Der Bezirksälteste erinnerte an die Drei Männer im Feuerofen. Sie konnten ihn dank Gottes Willen und Tun völlig unversehrt und sogar ohne jeden Brandgeruch verlassen. So wirkt der himmlische Vater. So wollen wir ihn auch wirken lassen, um unbeschädigt von allem um uns herum vollenden zu können.
Anschließend ging es im Rheintal weiter nach Süden bis an die Schweizer Grenze: Bischof Urs Heiniger trat an den Altar. Er erinnerte sich an seine Schulzeit. Passend zu diesen Tagen Ende Juli an seine Versetzungszeugnisse. Manches Ergebnis konnte nicht gefallen. Oft fühlte er sich nicht gerecht behandelt. Dann schob er das Zeugnis stillschweigend seinem Vater zu. Dessen Reaktion: Wir müssen mal miteinander reden…Wenn später im Geschäft der Chef das sagte, war klar, um eine Gehaltserhöhung würde es nicht gerade gehen. In jedem Gottesdienst will Gott mit uns reden. Aus Liebe und Fürsorge heraus. Nicht wie damals der Vater, da konnte es trotz Liebe und Fürsorge schon unangenehm werden, oder beim Chef, dem es um das Wohlergehen der Firma und nicht um das des Mitarbeiters ging. Gott redet mit dir ganz persönlich. Es geht ihm nur um dich. Er schaut auf das Bemühen in deiner Seele. Auch auf das um Versöhnung mit dem Anderen. Geben wir dem himmlischen Vater großen Raum in unseren Herzen. Lasst uns auf Gottes Gnade bauen.
Nach der Feier des heiligen Abendmahls wurde offiziell, was schon alle Tübinger wussten: Gemeindeevangelist Carsten Dehner würde in die Gemeinde Herrenberg wechseln. Aber die „Stelle“ sollte nicht vakant bleiben. Priester Klausjürgen Zahn wurde als Gemeindeevangelist für Tübingen ordiniert. Der Apostel war sich sicher, der bringe die dazu notwendige Ruhe mit. Hatte er ihn doch noch vor dem Gottesdienst mit ruhiger Hand fotografieren gesehen. Trotz Kenntnis davon, dass eine neue Aufgabe auf ihn zukommen würde. Als enger Mitarbeiter des Hirten, des Vorstehers, in der Gemeinde da sein und sehen können, wo man gebraucht wird – so die „Stellenbeschreibung“ des Apostels. Sein Wunsch an und für den Evangelisten: besondere Kraft, besondere Freude, eine große Liebe für alle. Das Evangelium soll durch ihn in Wort und Tat erlebt werden können. Er möge die Kraft haben, manches, auch Ungerechtigkeiten, ertragen zu können. Und einen tiefen Frieden verspüren, der sich in aller Herzen auswirken kann. „Der Segen Gottes sei mit und bei dir!“
Hirte Arndt Bayer, Tübingens Gemeindevorsteher, verabschiedete Carsten Dehner, der drei Jahre lang in Tübingen gewirkt hatte, davon zwei als Gemeindeevangelist, mit Dank und einem Präsent als kleinem Andenken an die Gemeinde in der Universitätsstadt. Die ist zum Glück von der neuen Wirkungsstätte Herrenberg aus nicht aus der Welt. Und im Kirchenbezirk bleibt er damit auch.
Nach dem Gottesdienst gab es noch eine Spendenübergabe ( Siehe gesonderten Bericht. ).
Warum die vielen Gottesdienstbesucher von außerhalb? Dieses jährliche Zusammentreffen aller Vorsteher der zehn Bezirke des Apostelbereichs Freiburg/Tübingen und ihrer jeweiligen Vertreter, zusammen mit den Ehefrauen, fand 2015 am letzten Sonntag des Monats Juli in Tübingen statt. Für die rund 80 Teilnehmer war sorgfältig ein Programm zusammengestellt worden. Los ging es nach dem Gottesdienst mit einem reichhaltigen Büffet im Gartengeschoss der Tübinger Kirche. Danach sollte unter kundiger Führung von Bezirksevangelist i. R., Manfred Bayer, Tübingen zu Wasser und zu Lande erkundet werden. Altstadtbesichtigung, Stocherkahnfahren und was die alte Universitätsstadt sonst noch so lebens- und liebenswert macht. Fürs leibliche Wohl unterwegs war umsichtig geplant und geeignete Restaurantplätze waren reserviert worden, damit niemand verhungern und/oder verdursten musste. Für optimales Wetter, trocken und nicht zu heiß, hatte der himmlische Vater gesorgt.