D er Allwissende und Allgegenwärtige… …stand im Mittelpunkt an diesem Mittwochabend im Gottesdienst.
Nach Nufringen waren auch die Herrenberger und die Gärtringer gekommen. Nicht immer einfach, wenn man aus dem Alltagsgeschehen heraus den Gottesdienst besucht, dieses am Abend zurücktreten lassen, um sich anderem zuwenden zu können. Die Organistin, die schon vor dem Gottesdienst für die musikalische Einstimmung sorgte, wechselte zwischendurch das Instrument und vermochte es, mit ihren auf dem Klavier gespielten Variationen bekannter Chorlieder, u. a. „Es lag in Nacht und Graus die Erde…“ (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 140, Musik Hans Georg Nägeli, 1773 – 1836), unaufdringlich und doch beharrlich dafür zu sorgen, dass bei dem, der bereit war, sich darauf einzulassen, innere Ruhe einkehren konnte.
G. Kaltschmitt ging auf das vom gemischten Chor, Leitung Rainer Gottschalk, zu Beginn gesungene Lied ein. „Jesus erfülle mein Herze mit Freuden…“ (Chorbuch Nr. 112, Text nach Hermann Engelhardt, 1872 – 1938). Worüber kann ich mich freuen? Auf die Frage „Wie geht`s?“ sprudeln oft die Antworten. Aber nur, um zu begründen, weshalb es nur zum Klagen reicht…die Gesundheit, aller möglicher Ärger…Und über was kannst du dich freuen? Da bedarf es oft längerer Überlegung, um antworten zu können. Für den Bischof war es daher ein Herzensbedürfnis, dass jeder den Gottesdienst so erleben möge, dass „uns das anspringt, was uns zur Freude gereicht“. Weltweit gibt es die unterschiedlichsten Verhältnisse. Gerade mal in Deutschland mag es so sein, dass sich an einem Mittwochabend ungefähr zur selben Zeit im ganzen Land neuapostolische Christen zum Gottesdienst versammeln. Und sonst – weltweit völlig verschiedene Gegebenheiten. Und doch führt der Weg des Glaubens alle zu dem selben Ziel. Krieg, Vertreibung, Angst vor Massakern bestimmen in anderen Ländern auch das Glaubensleben neuapostolischer Christen. Bei uns werden aufgrund des demografischen Faktors Gemeinden zusammengelegt. In anderen Ländern verschwinden sie einfach, bedingt durch die äußeren Umstände, und niemand weiß, wohin. Bei uns in Wohlstand und Sicherheit, in anderen Ländern in Not und Elend, wird überall die Braut Christi auf ein und dasselbe Ziel vorbereitet. Zu meinen, dieses nicht erreichen zu können wegen der äußeren Lebensumstände ist – eine Ausrede.
„Herr, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; Du verstehst meine Gedanken von ferne… …Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Ps 139, 1,2 und 9,10)
Um diesen Text aus dem Alten Testament ging es im Gottesdienst. (Wobei es sich lohnt, auch die Verse dazwischen zu lesen, die der Bischof im weiteren Verlauf der Predigt noch zitierte.) Gott, der Allwissende und Allgegenwärtige, der alles kann und überall ist, vor dem niemand ausweichen kann. „Gott ist da“, erinnerte G. Kaltschmitt an das Lied des Internationalen Kirchentags 2014 der Neuapostolischen Kirche. Er ist da, dir nah, auch wenn du dich allein gelassen fühlst. Dazu biblische Beispiele: Die Drei Männer im Feuerofen – ein Vierter war bei ihnen, der Herr. Ob sie das wahrgenommen haben? Unerheblich: Sie wurden bewahrt. Jonas, der keine Mühe scheute, um Gott zu entkommen. Vergeblich. Am Ende war er da, wo der Herr ihn haben wollte. Saulus, der ganz weit weg von Gott wollte. Letzterer begegnete ihm und er wurde Paulus, der Apostel. Lazarus, der schon vier Tage lang tot war. Und der Herr rief ihn wieder zu den Lebenden. In diesen Beispielen göttlicher Allwissenheit und Allgegenwart liegt ein großer Trost für den Menschen.
Dem Urteil des Allwissenden kann niemand entrinnen. Da hilft kein „Theater“. Adam und Eva nach dem Sündenfall, sie wollten sich vor Gott verstecken – unmöglich. Ausreden – Jesus` Beispiel vom König, der einladen lässt und alle haben vorgeblich Wichtigeres zu tun. Keine dieser „Verhinderungen“ hatten Bestand vor Gott. Lieber Gott, in meiner Situation, gerade jetzt, nein, beim besten Willen nicht…Wir lieben die Ausnahme, wenn es um unsere Person geht. Gott aber erwartet, dass du in der Lebenslage, in der du dich gerade befindest, das Deine tust. Ihm können wir nichts vormachen. Datenschutz – Fehlanzeige.
Auch ein großer Trost ist sie, Gottes Allwissenheit: Er kennt den verborgenen Schmerz, die geheimen Sorgen. Er vermag dein Bemühen zu werten und nicht dein Können. Er sieht den persönlichen Kampf. Gott kennt uns besser als wir uns selbst. Seine Stimme warnt uns im Gottesdienst: Pass auf, überschätze dich nicht. So, wie Kain gewarnt wurde. „Die Sünde lauert vor deiner Tür.“ Jesus wusste trotz aller gegenteiligen Beteuerungen Petrus`, dass dieser ihn verraten würde. Nicht den Fehler machen und, wie es im Brief an die Gemeinde in Laodizea heißt, sagen, ich bin reich und habe genug und brauche nichts! Und nicht weißt, dass du arm bist. (nach Text Offb 3, 17).
Gott ist auch in zeitlicher Hinsicht überall. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Bevor wir im Leben in eine Situation kommen, hat sie so oder ähnlich der Gottessohn schon vor dir durchlebt. Alles hat er durchlitten. Verfolgung, Verschmähung, Missachtung bis hin zum übelsten Tod. Deshalb will er uns helfen. Uns nahe sein. Wir haben Vorbilder in unseren Glaubensvätern. Wenn man in alten Gemeindechroniken liest, welche Opfer gebracht wurden, muss man beschämt sein. Aber auch heute gibt es Vorbilder in Glaubensgeschwistern, die man nur bewundern kann, wie sie ihren Weg durchs Leben gehen. Jesus hat uns alles vorgelebt. Als Erster ist er auferstanden von den Toten. Wir dürfen ihm nachfolgen. Im Alltag soll fest verankert sein: Gott ist da. Der Allmächtige. In jeder Lebenslage. Er, der Allmächtige, der alles kann.
Carsten Dehner, Evangelist in der Gemeinde Tübingen, brachte als Beispiel für Gottes Allwissenheit, dass der himmlische Vater jeden Menschen kennt. Derzeit weltweit ca. sieben Millionen. Weiß, wie es um jeden Einzelnen von ihnen steht. Gottes Allgegenwärtigkeit. Der nichts vergisst, für den alles, auch das Gewesene, gegenwärtig ist. Und der ebenso die Zukunft kennt und die Dinge so leiten kann, dass es gut für den Menschen ist. Das gibt Sicherheit und Stärke.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls würdigte der Bischof die Bedeutung des Hohen Priesterlichen Gebets, das in jedem Gottesdienst gesprochen wird. Jesus hat es gelehrt: Ihr sollt so beten! Obwohl Gott ohnehin schon alles weiß und von daher nichts formuliert werden müsste. Darum geht es nicht. Vielmehr um die Herzensstellung des Menschen beim Sprechen des Vaterunser. Sich dabei der Größe jedes Teilsatzes dieses Gebets bewusst sein oder werden, denn, haben wir wirklich schon alles davon begriffen und erfasst?
„Gottes Allwissenheit und Allgegenwart sollen uns in tiefer Ehrfurcht und mit großem Vertrauen zum himmlischen Vater erfüllen.“
Im Zusammenhang mit Gottes Allwissenheit hatte der Evangelist ein Gegenbeispiel genannt: Sich selbst, der, obwohl jetzt ca. drei Jahre zur Gemeinde Tübingen zählend, immer noch nicht alle rund 380 Glaubensgeschwister dort namentlich kennt. Eine für den Bischof beruhigende Erkenntnis, wie er später outete. Ein paar Lebensjahre mehr als der Evangelist zählend hatte er diesen auch bei ihm auftretenden Mangel, sich nicht alle Namen merken zu können, bislang auf das eigene schon ein wenig höhere Lebensalter und eine möglicherweise damit zusammenhängende nachlassende Merkfähigkeit geschoben. Zu erfahren, dass auch Jüngere derartige Probleme haben können, war doch ein rechter Trost. Nicht nur für den Bischof.