„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft…“ An diesem reichlich kühlen Junisonntagmorgen bot sich dem aufmerksamen Betrachter ein etwas anderes Bild als sonst im Umfeld der Herrenberger Kirche vor einem Gottesdienst.
Autos mit „fremdländischen“ Kennzeichen außer den vertrauten BB und TÜ, Gottesdienstbesucher mit Torten- und Kuchencontainern…Die Erklärung ist schnell gefunden. Es wurden Jugendliche aus drei weiteren Bezirken erwartet. Die kamen auch und sollten Tübinger/Herrenberger Gastfreundschaft genießen dürfen.
Friederike Huber, Leiterin des Bezirksjugendchors Tübingen, versuchte erfolgreich, den „kleinsten gemeinsamen Musiknenner“ der SängerInnen aus den vier Bezirken herauszufinden und probte vor dem Gottesdienst schnell noch das eine oder andere Lied. Das eingangs zitierte erklang von jungen Stimmen beeindruckend ernsthaft vorgetragen vor Beginn des Gottesdienstes (Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 213, Text nach Ps 62). Vor Gottesdienstbeginn kehrten damit Ruhe und andächtige Stille im Kirchenschiff ein.
„…ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (aus Mk 28, 20) Diesen altvertrauten Text, der am Ende des Evangeliums nach Markus steht, hatte der Bezirksvorsteher zu Beginn vorgelesen. Ihm war die Freude darüber anzumerken, dass so viele Jugendliche in Herrenberg zusammengekommen waren. Von tief im Süden des Ländles – Bodensee – hatte man den weitesten Weg gehabt und ihn nicht gescheut. Von Bank zitierte den lange in die Ewigkeit gegangenen Apostel Herbert Volz (1924 – 1997, u. a. Apostel im damaligen Bezirk Württemberg). Der hatte bei solchen Anlässen gewünscht: „Freut euch miteinander und freut euch aneinander.“ Genau das war auch der Wunsch des Bezirksvorstehers für die Jugendlichen. Die, so von Bank, befinden sich in der Regel in einer Lebensphase, in der so gut wie alle zwei Jahre etwas Neues kommt. Schule, Beruf, gehe ich dahin, gehe ich dorthin…Eine Zeit mit den vermutlich größten Herausforderungen, die das Leben mit sich bringen kann. In der man sich auch (immer wieder) für den Herrn entscheiden muss. Um erleben zu können, dass Gott diese Entscheidung zu segnen weiß.
Auf den Text aus dem Evangelium eingehend, hieß es weiter, es sei die tröstliche Zusage des Gottessohns an die Apostel, die ihren Missionsauftrag ausführen sollten und wollten. Sie würden in allen Dingen nicht allein sein. Welche Gefahren, Risiken lagen in der Ausführung ihres Auftrags…ein Wort, das auch wir heute bei allen Unwägbarkeiten, die das Leben in sich hat, in Anspruch nehmen dürfen. Sich wie von einem Lebenspartner im guten Sinne begleitet wissen. Was doch jeder sucht und hoffentlich erleben kann.
Und sonst? Will der Mensch das heute überhaupt noch, dass jemand ihn so begleitet, wie es im Evangelium steht? O doch. Von Bank erinnerte sich an einen Versicherer, der den anzuwerbenden zukünftigen Versicherungsnehmer mit einem „Schutzengelangebot“ durch entsprechende Werbung im Fernsehen zu umgarnen suchte. Die Werbestrategen dürften sich ganz genau überlegt haben, weshalb es Sinn macht, so vorzugehen.
Jesus bot den Menschen an, bei ihnen zu sein. Als ihr Partner. Suchen wir seine Nähe, damit seine Zusage, bei uns zu sein, Wirklichkeit wird. Der Bezirksvorsteher führte Beispiele an, die verdeutlichen, dass Jesus` Zusage kein leeres Versprechen ist:
Die Frau, die krank war und geheilt werden wollte. Im Menschenauflauf sich gar nicht bis zu Jesus durchkämpfen konnte. Aber im Glauben sein Gewand berührte. Geheilt wurde. Und der Gottessohn konnte spüren, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war. Ohne dass er etwas getan hätte. Ein Wunder. „Dein Glaube hat dir geholfen.“, das waren Jesus` Worte. Was lehrt uns das? Auch wenn totale Hoffnungslosigkeit aufkommen könnte, nicht aufgeben. Gott und Jesus sind da. Hätte sich die Frau gesagt, hat eh alles keinen Zweck, ich kann den Gottessohn gar nicht erreichen bei dem Getümmel, sie hätte keine Hilfe bekommen. Wenn ich an einem solchen Punkt bin, dann erst recht sagen, ja, ich will trotzdem zum Gottesdienst gehen. Danach Verlangen haben und es wird keine Enttäuschung geben.
Die Jünger, erfahrene Fischer und Seefahrer, mit ihrem Herrn auf dem tobenden Meer. Der schlief. Sie waren Profis, was hätte der Laie ihnen helfen können? Und dennoch, sie weckten ihn: „Meister, wir verderben.“ Sie konnten in Jesus anderes sehen als das, was man vordergründig erkannte. Bringt es etwas, mit meinem Jugendleiter über mein Problem zu sprechen? Soll ich zu Gott beten? Menschliche Überlegungen. Vielmehr Gott und Jesus bei allem, wie auch immer das Drumherum sein mag, mit ins Boot nehmen, das ist wichtig.
Nähe untereinander erleben wollen. Wir beten füreinander. Als Petrus im Gefängnis war, betete die gesamte Gemeinde für ihn. Ein schönes Bild, sich vorzustellen, dass weltweit alle Gotteskinder jeden Tag wieder auch füreinander beten. Sich so bei ihrem himmlischen Vater treffen. Das Bewusstsein haben zu können, meine Glaubensgeschwister beten für mich. Und vom Allmächtigen kommt etwas zurück. Er ist uns in den Glaubensgeschwistern nahe, die seine Werkzeuge sind.
Diakon Stephanus wurde um seines Glaubens willen gesteinigt. Gott stärkte ihn, indem er seinen Knecht den Himmel offen sehen ließ. Was auch immer sich ihm auftat – es war mehr, als je ein menschliches Auge gesehen hatte. Wenn wir in Situationen kommen, die schlimm sind und weh tun, dann das Gefühl haben können: Er, Gott, ist da. Was wir dann erleben, kann uns niemand mehr nehmen. Es war zu spüren, dass das jemand formulierte, der aus eigenem Erleben schöpfen konnte.
Da gibt es die Aussage, am Wissen trägt man nicht schwer. Gilt auch für Glaubenserlebnisse. Sie sind ein Element, das uns den Glauben an die Wiederkunft Christi lebendig hält, damit wir uns darauf vorbereiten. In Schritten, die man wie in einer Skala aufzeigen kann: Kleinigkeiten…große Erlebnisse…Wunder…das ganz große Wunder der Wiederkunft Christi. Für uns heute weder sichtbar noch fassbar. Aber eine logische Folge. „Ich wünsche euch, dass ihr das erlebt. Setzt voraus, sich durchzuringen, sich auf diese `Erlebnisleiter` einzulassen. Im sicheren Wissen: `Ich bin bei euch`. Lasst uns das miteinander so angehen. Im Bewusstsein von Sicherheit und Geborgenheit. Das heute schon anpacken, diese Chance, nutzt sie!“
Kurt Fuchs, Vorsteher des Bezirks Tuttlingen, meinte, gewiss nicht ernsthaft, sich „beschweren“ zu müssen. Da seien so viel Junge, die dafür in Frage kämen, an den Altar zu treten. Und nun er, als einer der Ältesten…vorbildhaft nahm er sein schweres Schicksal auf sich. Ist halt so, hieß es. „Alle Tage ist Christus bei uns?“ In Krankheit, bei Schwierigkeiten, da kommt schon mal die Frage auf, lieber Gott, hast du mich vergessen? Gott suchen in allen Lebensumständen. Er liebt dich mehr als du es mit deinem Verstand erfassen kannst. Aber, wie es im Brief an die Hebräer heißt, ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen. Glauben, dass Gott denen, die ihn suchen , seinen Lohn geben wird. So seine Zusage? Wie auch die, dass man aus den Gottesdiensten Freude und Kraft schöpfen kann? Nur schöne Theorie und die Praxis ist anders? Wie erklärt sich die vermeintliche Diskrepanz besonders in schwierigen Situationen? Wir müssen um das Erleben ernsthaft bemüht sein. Mit Gott ringen: Du hast es zugesagt…jetzt will ich es auch erleben. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Das Beharrungsvermögen der Witwe zeigen, die einen ungerechten Richter „zwingen“ konnte, für Recht zu sorgen. Sollte Gott nicht die erretten, die ihn suchen? Er wird es tun in aller Kürze.
Wie ging es nun weiter…tja, da war dem Tübinger Bezirksvorsteher der eine oder andere aus den anderen Bezirken genannt worden, der vielleicht auch…Es „traf“ Priester Stefan Schulik, Bezirk Villingen/Schwenningen. Der gemischt badisch/schwäbische Bezirk, wie man weiß. In dem Fall ging es mundartlich recht schwäbisch zu. (Für eventuelle Fehler in diesem Teil des Berichts kann der – zugereiste – Chronist keine Haftung übernehmen. Man kann nur Menschenmögliches verlangen.) Dynamisch ging es weiter im Jugendgottesdienst, bei der „Veranstaltung 50 +“, wie es zu Beginn hieß. Nein, so hoch kann das Durchschnittsalter im Jugendgottesdienst nicht gewesen sein, siehe Fotos. Es folgte die Drohung, wenn man den Priester schon an den Altar bitte, dann gehe es halt eine Stunde länger.
Und sehr eindrücklich, temperamentvoll und doch ernsthaft ging es weiter: Eine tolle Sache, dieses Bibelwort aus dem Neuen Testament. Aber, will ich das wirklich, dass Gott mir ständig nachgeht? Mir sagt, mach`s besser, anders als du es eigentlich von dir aus vorhast? Wenn man nur tut, was man tun sollte, ist das eine fade Angelegenheit. Nein, im Sinne des Wortes Gottes handeln, weil man es auch so möchte. Wenn Gott uns die Augen öffnet für das richtige Handeln, mach`s! Damit ist absolut großer Segen verbunden. Von Haus aus wird der Schwabe eher misstrauisch, wenn etwas an ihn herangetragen wird…und keiner ist dankbar für Kritik. Aber wenn es um Göttliches geht, dann heißt es, gelegentliche Kritik konstruktiv zu sehen: Ja, ich mache es zukünftig besser. „Suche den Herrn und du wirst selig!“ Womit dann die zu Beginn angedrohte „Stunde“ auch schon vorbei sei, hieß es zum Schluss.
Zu erwähnen bleibt, dass in puncto Partnersuche sowohl K. von Bank als auch der Besuch aus dem Süden aus dem Nähkästchen plauderten…In Zeiten fortgeschrittener Emanzipation ist das auch Männern gestattet.
Ersterer war in seinen Jugendjahren, damals gab es noch kein Internet, dem heute die Orte und Termine besonderer Gottesdienste zu entnehmen sind, mit einer Gruppe Gleichgesinnter und Gleichaltriger, das Cherchez la femme und nicht nur den Jugendgottesdienst im Kopf habend, in eine Kirche in Reutlingen zum Gottesdienst gefahren. Fehlgegangene Erwartungen. Ein Diakon sprach die Enttäuschten an – wieso seid ihr hier und nicht in Reutlingen-West beim Jugendgottesdienst? Den Priester hatte es aus gleichen Beweggründen vor vielen Jahren ausgerechnet zum Putzen besonders regelmäßig in die Kirche gezogen…Fazit: Seit nunmehr 28 Jahren sauge seine Ehefrau den Staub in der heimischen Wohnung. „Ich bin glücklich und mei Frau ist verheiratet!“ Das lassen wir an dieser Stelle mal so stehen…
Spannend wurde es ganz zum Schluss. Das Catering für die Verpflegung nach dem Gottesdienst lag in den bewährten Händen vom Cheforganisator des Bezirks Tübingen, Priester Erich Maier. Schließlich lebe der Mensch nicht von der Predigt allein, hieß es von ihm. Die Gefahr drohte aber doch, denn Wurst und Weckle ließen auf sich warten. Vielleicht könne man noch ein paar Lieder singen…bis dann doch ein erleichtertes: „Der Metzger kommt!“ zu hören war.
Da musste niemand zweimal zur Nahrungsaufnahme gebeten werden.