„Mit Liebe ans Werk“ So lautete das Motto neuapostolischer Christen im Jahr 2014. Und endete nicht mit dem Jahresablauf.
Ganz viel, ganz große Liebe musste da im Spiel gewesen sein, um an einem strahlenden Maisonntagmorgen innen, außen und drum herum ein bis in die letzte Ecke geputztes und geschmücktes Kirchengebäude und –grundstück präsentieren zu können. Die beiden jüngsten Mitglieder der Nebringer Schmückgruppe hatten die Altar- und die Tischdekoration in Grün und Rot gehalten, die Farben der Hoffnung und der Liebe. Ohne letztere gäbe es die Kirchengemeinde und damit auch das Jubiläum nicht und ohne erstere keine Zukunft. Alle, die sich so eingebracht hatten, hatten schon mal ihre Freude an einem vollen Gotteshaus. Unter den Besuchern viele Freunde und Gäste, die mit der Kirchengemeinde verbunden sind. Bürgermeister Johannes Buchter, Bischof i. R. Hermann Kaupp (Bereich Tübingen) und Bezirksevangelist i. R. Manfred Baier (Bezirk Tübingen) mit ihren Ehefrauen und eine Vertreterin der lokalen Presse waren ebenfalls gekommen. Schon vor dem Gottesdienst hatten Organistin und Instrumentalgruppe für die musikalische Einstimmung gesorgt. Der Gemeindegesang zu Beginn des Gottesdienstes setzte dies fort: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren!“ (Neuap. Gb. Nr. 261, Text Joachim Neander, 1650 – 1680). Ein Text, verfasst von einem Dichter, geboren kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg, als dessen Verwüstungen und schreckliche Folgen mit Sicherheit noch nicht bewältigt waren, und dennoch, zu Beginn jeder Strophe des Lieds ein: „Lobe den Herren!“
Während des Gemeindegesangs hatte Klaus von Bank, Leiter des Kirchenbezirks Tübingen, den Altar betreten. „Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohlgehen denen, die dich lieben! Es möge Frieden sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!“ (Ps 122, 6,7) Schon im Eingangsgebet hatte der Bezirksvorsteher die Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht – die gegenüber Gott, dem Schöpfer aller Dinge und die denen gegenüber, die viele Opfer bringen mussten, damit die Kirchengemeinde an diesem Tag ihr Jubiläumsfest feiern kann. Sorgen, Krieg und Not hatten das Leben der Meisten bestimmt, die damals (Ende 1964) zu den Mitbegründern gehörten. Wir heute dürfen glauben, sie einmal wiedersehen zu dürfen.
So ein Kirchenjubiläum ist ähnlich wie ein Jahreswechsel. Man kann sich dabei das bewusst machen, was in der Vergangenheit liegt und wofür man allen Grund hat, dankbar zu sein. Fünfzig Jahre sind eigentlich nicht lang. Aber die Gründung einer neuen selbstständigen Kirchengemeinde ist immer etwas Besonderes. Wobei Letzteres nur ein formeller Akt ist, denn schon vorher gab es in Nebringen neuapostolisches Glaubensleben. Die dort wohnenden neuapostolischen Christen gingen lange Zeit in Öschelbronn zum Gottesdienst – zu Fuß.
Bezogen auf die Tage vor Pfingsten, die wir jetzt durchleben, erinnerte von Bank an das Geschehen damals vor rund 2000 Jahren. Jesus war es, der das Leben in einer Gemeinschaft vorgab: Seine Jünger sollten in Jerusalem bleiben und auf den Tröster, den Heiligen Geist, warten. Bis dahin war der Gottessohn derjenige, der ihnen voranging. Jetzt sollten sie dies für andere tun. Das Evangelium hinaus in die Welt zu den Heiden tragen, kein Leben mehr, das sich auf Jerusalem konzentrierte.
Auf das zu Beginn verlesene Wort des Psalmisten eingehend hieß es weiter: „Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohlgehen, die dich lieben.“ – David nahm die Stadt als ein Bild für die Gemeinde. Wohlgehen, die dich lieben, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass der, dem es nicht so gut geht, an der Liebe fehlen lässt. Vielmehr sind die Worte des Psalmisten ein Segenswunsch. Glauben, lieben, das kann der Mensch selbst. Segnen hingegen nur Gott. Friede in den Mauern der Stadt soll nicht die Abwesenheit von Krieg ausdrücken. Wie das jüdische „Shalom“ ist darin vielmehr etwas Ganzes, Vollkommenes enthalten, nicht nur ein bloßer Waffenstillstand. Ein rundum glücklicher Seelenzustand, wie nur die Freude in Christi ihn schaffen kann. Der den Menschen ihren Frieden lässt und den seinen gern dazugibt. Wir wollen Frieden schaffen, unermüdlich, nicht aufgebend. Dazu Jesus` Seelenfrieden annehmen, der uns Sicherheit im Glauben und die Zuversicht auf die Wiederkunft des Gottessohns gibt. Damit kann es nicht nur in Nebringen, sondern überall gelingen, trotz verschiedenster Herkunft, unterschiedlichster persönlicher Prägung im Frieden Jesus` zu einer Einheit zu kommen.
Glück in den Palästen – gemeint ist nicht der „Glückstreffer“. Vielmehr sich wohl- und sicher fühlen können im Bewusstsein der Nähe zu Gott, dem himmlischen Vater. Wie das geht? Man kann es in drei Punkten zusammenfassen: Das Ziel nicht vergessen, den Weg nicht verlassen und den Mut nicht verlieren. Jeder Mensch verfolgt im Lauf seines Lebens Ziele. Das muss auch so sein. Aber es gilt, den Endpunkt immer im Auge zu haben, und das ist die Wiederkunft Christi. Dabei durchaus im Leben stehend und keineswegs weltfremd und abgehoben zu sein. Der Weg – damit man ihn nicht verlässt, bedarf es eines Fixpunktes zur Orientierung. Das ist Jesus` Zusage, eine Stätte zu bereiten, damit die Seinen dort sein können, wo er ist. Daran das eigene Tun festmachen, so kann man, unbeirrt von Lob und Tadel, bei allem möglichen äußeren Trubel ruhig und gelassen bleiben. Den Mut behalten, trotz möglicher Zweifel, auch dann, wenn der Glaube schwach wird. An David denken, der dem Riesen zu trotzen vermochte. An Petrus, der vor dem Hohen Rat in schwierigster Lage bekennen konnte, dass er sich so und nicht anders verhalten konnte: Aus innerer Überzeugung heraus Gott mehr gehorchen als den Menschen. (Apg 4, 1 – 31)
Der Bezirksvorsteher wünschte der Gemeinde für die Zukunft, dass auch sie diese drei Fixpunkte vor Augen haben möge: Das Ziel, den Weg dahin und den Mut, der nötig ist, um beides immer im Blick haben zu können. Das in einer Gemeinschaft, einer Gemeinde, zusammen schaffen zu wollen, verleiht eine besondere Kraft, die es zu nutzen gilt.
Gemeindevorsteher Hilmar Stockinger freute sich: „Danke, dass ihr da seid! Was wäre eine leere Kirche…“ Im Zusammenhang mit den Worten des Psalmisten stellte Stockinger die Frage: Was will der Mensch? Glücklich sein, oder? Freude haben, oder? Und Liebe braucht es noch. Wie ist es doch in fast jedem Poesiealbum zu lesen: Um glücklich sein zu können, zu anderer Glück beitragen. Frieden in der gelebten Gemeinschaft finden können. Liebe – dazu möge jeder selbst im Neuen Testament lesen (1. Kor 13). Jesus wollte die Menschheit vom Bösen erlösen. Können wir erfassen, was er wirklich will? Der Apostel damals hatte Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt erlebt, ehe er sein Bekenntnis vor dem Hohen Rat ablegte, nicht anders zu können, als Gott über alles zu setzen. Der Vorsteher wünschte sich, dass auch die heute Lebenden diese göttliche Weisheit erkennen und verinnerlichen mögen: In der Gemeinschaft lebend dem Glaubensziel entgegenzugehen, auf ewig bei Gott sein zu können.
Der Bezirksvorsteher wies vor der Feier des heiligen Abendmahls auf die Bedeutung des – äußeren – Friedens hin. In diesen Tagen im Frühjahr 2015 wird weltweit und besonders in Deutschland des Endes des Zweiten Weltkriegs vor nunmehr siebzig Jahren gedacht. Von Bank erinnerte an die in einem anderen Teilort Gäufeldens (Tailfingen) gelegene Gedenkstätte für die Opfer schlimmer Jahre. In der Zeit des Nationalsozialismus hatte man dort ein Lager für Zwangsarbeiter eingerichtet, die unter unsäglichen Bedingen Schwerstarbeit leisten mussten, was viele Menschenleben kostete. Nein, nicht die Augen vor der Vergangenheit verschließen. Vielmehr sich der Realität stellen, um daraus zu lernen, damit die Zukunft eine bessere sein kann. Auch eine Mahnung, sich für andere einzusetzen. Wofür es kein besseres Beispiel als Jesus gibt. Er ging zu denen, die ausgegrenzt waren oder am Rand der Gesellschaft lebten. Der am Kreuz sein Leben opferte zum Heil der Menschheit. Seien wir uns dieser Größe seines Tuns in jedem Gottesdienst bei der Feier des heiligen Abendmahls bewusst.
Bürgermeister Johannes Buchter nutzte gern die Gelegenheit, den Gemeindemitgliedern zu ihrem Jubiläum ganz herzlich zu gratulieren. Fünfzig Jahre kirchliches Leben im Teilort Nebringen in einer im Glauben verbundenen, seelsorgerisch betreuten brüderlichen und schwesterlichen Gemeinschaft, die auch eine soziale ist. Die gerade in heute insoweit schwieriger Zeit christliche Werte pflegt, sie vorlebt und durch Unterrichte vermittelt. Sich auch in die politische Gemeinde einbringt und sich offen für deren Anliegen zeigt. Dafür zu danken, sei er gekommen, so der Bürgermeister. Er erinnere gern daran, dass vor einiger Zeit neuapostolische Jugendliche die Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertags mit Texten und Musik gestaltet hatten, die das gern einmal wieder tun könnten. Dass neuapostolische Jugendliche später die KZ-Gedenkstätte in Hailfingen-Tailfingen und die Ausstellung dort, in der Exponate aus schlimmer Zeit zusammengetragen sind, besucht haben. Aber der Bürgermeister vergaß auch nicht den Blick in die Gegenwart. Die politische Gemeinde muss sich mit Unterstützung aller Gruppierungen - Kirchen, Vereine u. a. - des aktuellen Flüchtlingsproblems annehmen, im Sinn eines guten Miteinanders zwischen „neuen“ und „alten“ Gemeindemitgliedern. Da wird jede helfende Hand dringend gebraucht. Seelsorge, Diakonie, Nächstenliebe – unverzichtbare Güter für ein gedeihliches Zusammenleben aller. Und Buchter war froh, dass sich die Gemeinde – im Zusammenschluss mit dem Seniorenkreis Herrenberg/Gäu des Kirchenbezirks Tübingen, wie Stockinger ergänzte - am 21. Juni 2015 bei der Seniorenmesse im Teilort Öschelbronn beteiligen werde. „Alles Gute für die Kirchengemeinde“, schloss der Bürgermeister.
Mit dem Guten ging es gleich ganz konkret los nach der Einladung des Gemeindevorstehers an alle zu Sektempfang und Mittagessen sowie einer anschließenden musikalischen Einlage der Instrumentalgruppe, bevor es zum Abschluss bei Kaffee und Kuchen kommen sollte. „Lasst uns Freude haben“ – ermunterte Stockinger, nicht vergeblich, wie die Fotos zeigen.