Wer ist der? (aus Mt 21, 10) Zum Gottesdienst in die große Kirche im Gäu waren - fast - alle Mitglieder des Kirchenbezirks eingeladen, bis auf die der beiden Tübinger Gemeinden.
Apostel Bansbach, Bereich Karlsruhe, begann mit einem „Herzlich willkommen am Altar des Herrn.“ Jede/r werde von Gott erwartet, denn der habe etwas zu sagen. Etwas, das jedem etwas mitgibt. „Was mich weiterführt, mich sicherer macht und die Freude auf das Wiederkommen des Sohnes Gottes belebt.“
Nach der Lesung (Mk 11, 1 – 11) war vom gemischten Chor, der zusammen mit Kinderchor, Gemeindegesang und dem sehr dynamischen Orgelspieler aus einer der Gäugemeinden fürs Musikalische im Gottesdienst sorgte, zu hören: „Ich glaub` an Jesus Christus, der auf die Erde kam…“ (aus dem neuap. Chorbuch, Nr. 181, Text u. Musik Markus Pytlick, geb. 1966) Jesus Christus - Wer ist der? Das war die Frage, um die es im Gottesdienst ging. Aufgeworfen im zu Beginn verlesenen Bibelwort (Mt 21, 10): „Und als er zu Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der?“
Der Apostel schilderte das Geschehen damals am Palmsonntag : Lange Zeit zuvor hatte man einen strahlenden Einzug in Jerusalem prophezeit. Und damit Hoffnungen, Erwartungen, ein großes Hosianna verbunden…letztlich ein großes Missverständnis.
Wer ist der ?
Seinerzeit erregte sich bei dieser Frage eine ganze Stadt. Eine zentrale Frage, die auch heute jeder beantworten muss. „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben“, so der Gottessohn. Nur der Glaube kann erkennen und erfassen, dass Jesus der von Gott gesandte Heiland und Erlöser ist. Wer glaubt, kann mit ihm den Weg zu Gott gehen und Befreiung von Sünde bekommen. Damals an Palmsonntag war sein Einzug ein Großereignis voller freudiger Erwartung. Weil man nicht erkannte, wer er war. Obgleich Jesus` öffentliches Leben von Anfang an das des Gottessohns gewesen war. Bei der Taufe im Jordan – Dies ist mein Sohn…, hieß es von Gott. „Wer mich sieht, der sieht den Vater, ich bin der Sohn…Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen…Ich komme in Liebe zu euch, niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben gibt für seine Freunde“, alles Jesus` Worte. Das Missverständnis war, dass, obgleich er immer vom Reich des Vaters sprach, Zielpunkt aller Projektionen der Juden damals ihre Befreiung von der römischen Herrschaft war. Jesus dagegen wollte ein anderes Reich errichten. Das „Hosianna“ galt dem, der vermeintlich das Reich Davids wiederaufrichten sollte. Man würde wieder frei und mächtig sein, die Gegner dagegen würden am Boden liegen. Enttäuschte Erwartungshaltungen – das Hosianna schlug um ins „Kreuzige ihn!“ Konsequent ging es Jesus nur um das Reich des Vaters im Himmel. Er wollte kein weltlicher Herrscher sein. Der Esel, den er brauchte, um in Jerusalem einzuziehen, sollte nur zweckgebunden geliehen, nicht „enteignet“ werden. Anders als ein weltlicher Herrscher damit umgegangen wäre.
Wer ist der?
Der Prophet hatte es vorhergesagt: Der König werde auf einem Esel seinen Einzug halten (Mt 21, 4,5). Den Schriftgelehrten war das vertraut. Es wurde vor ihren Augen erfüllt. Aber man hatte eigene Vorstellungen. Projizierte eigene Wünsche. Eine große Tragik. Obwohl alles klar auf der Hand lag, hat man die Frage, wer ist der, falsch beantwortet. Eine bittere Enttäuschung, denn die eigenen Wünsche wurden nicht erfüllt. Das viel Größere für alle Menschen, das mit Jesus verbunden war, die Freiheit von Sünde und Tod, vermochte man nicht zu erkennen. Man war fixiert auf das Irdische, die irdische Freiheit.
Wer ist der?
Das wird heute noch gefragt. Christliche Zeitgenossen haben viele Antworten auf diese Frage. Auch wir müssen uns damit auseinandersetzen, denn noch sind wir in der Welt. Da ist Gottes Allmacht. Aus Angst vor Strafe seine Gebote befolgen? Weil er unberechenbar ist? Ist das auch unser Beweggrund? Wir glauben, Gott ist der Allmächtige. Der aus Liebe seinen Sohn geschickt hat, um die Menschen von Tod und Sünde zu befreien. Der die Menschen weder strafen noch disziplinieren will, sondern sie befreien. Andere mögen glauben, Gott ist unbegreiflich. So weit weg. Ein verborgenes Wesen. Ein Deus absconditus. Nicht an ihn ranzukommen. Man verrennt sich in Studien…untaugliche Versuche. Gott ist kein ferner Gott. Wir erleben ihn als einen, der ganz nah ist. Beim Sünder, beim Schwachen. In der Liebe. Bei Kindern, bei Sterbenden. Der Frieden schenkt, wenn man ihn nur lässt und ihn nicht zergrübelt. Das hilft und tröstet. Gott, eine nur kosmische Macht, nicht greifbar? Mit der kann ich nicht reden, nichts damit anfangen. Gott ist kein abstraktes Wesen. Der wahre Gott ist auch wahrer Mensch. Er kann mitfühlen. Hilft weiter. Man kann mit ihm kommunizieren. Er hat versprochen, ich komme wieder und hole dich heim. Damals die falsche Projektion auf den Sohn Gottes. Die Gefahr besteht auch heute: durch eigene Meinung und Vorstellung sich ein falsches Bild zu machen. Nein, Gott erspart mir nicht alle Leiden. Es muss mir nicht besser gehen als den anderen um mich herum. Paulus hatte „seinen Pfahl im Fleische“. Ohne könne er Gott besser dienen, dachte er. Gott schaffte aber keine Abhilfe. Und Paulus erkannte letztlich das wirklich Wichtige – Gottes Gnade, die über das irdische Leben hinausgeht. Nein, Christsein ist kein Spaziergang. Wir haben viele Fragen an Gott. Er bleibt stumm, lässt uns damit allein. Man könnte argwöhnen, gibt es den, Gott, überhaupt? Jesus selbst fühlte sich in schlimmer Lage von ihm verlassen. Keine Antwort. Aber was hilft mehr – eine Antwort oder Hilfe und Beistand? Jesus kam nicht, um menschliche Wünsche zu erfüllen. Sein Weg war vorgezeichnet: gefangen, getötet, auferstanden. Danach seine Kirche den Aposteln anvertrauen und zu seinem Vater zurückgehen. Und er wird wiederkommen, um die Seinen zu sich zu holen.
Bezirksevangelist Werner Lampprecht vertiefte: Bestimmte eigene Erwartungen, die sich nicht erfüllen, lassen den Menschen verzweifeln. Gemeindemitglieder stellen sich etwas vor – der Vorsteher und die Amtsträger verhalten sich nicht entsprechend. Grund zum Zweifeln? Es geht immer um den Kern der Botschaft, die Vergebung der Sünden, das ewige Leben. Sich daran orientieren, dann kann es keine Enttäuschungen geben.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank zeigte sich erfreut darüber, dass das Palmsonntagsgeschehen vor rund 2000 Jahren am Sonntag vor Ostern im Jahr 2015 in den Fokus gerückt wurde. In früheren Jahren, wenn an diesem Tag die Konfirmationen gefeiert wurden, konnte das nicht so der Fall sein. Wer ist der? Unsere Interessen steuern unsere Wahrnehmung. Aufgrund eines Telefonats macht man sich selbst schnell ein Bild vom anderen, den man noch nie gesehen hat und denkt, es sei das richtige. Jesus sagte, kommt her zu mir, hört mir zu, lasst euch von niemandem etwas erzählen. Er ist da, ganz nah, ein großes Glück, das auch im heiligen Abendmahl zu verspüren ist. Zu viel Wissen ist nicht unbedingt hilfreich. Gott gibt uns das an Kenntnis, was wir brauchen.
Wie das so sein kann mit den eigenen Vorstellungen – Apostel Bansbach hatte dazu im Gottesdienst leicht schmunzelnd von eigenen Erfahrungen berichtet. Einige Jahre her, er hatte das Bischofsamt übernommen und wurde gern befragt, was sein voriger Beruf gewesen sei: Lehrer. Hm. Anhand so mancher Reaktion ließ sich feststellen, dass er mit dieser „Vorbelastung“ auf Akzeptanzprobleme stieß. Ist eben so ein Beruf, mit dem zwangsläufig jede/r höchst persönliche Erfahrungen gemacht hat, gute und andere. Im Bezirk Tübingen gab es keine Vorbehalte. Der Apostel aus dem Badischen bedankte sich nach dem Gottesdienst für die „gute Mitarbeit“ der Gemeinde.
„Bis zum Wiedersehen. Gott weiß jetzt schon, wann das sein wird.“