„Du bist der große Treue, der unser nie vergisst… …im Leben und im Tod.
Wir bergen uns aufs Neue in dir, du unser Gott.“
(Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 135, Zitat aus Vers 1 u. 3, Text Arno Pötzsch, 1900 – 1956)
Hoher Besuch in der östlichsten Gemeinde des Kirchenbezirks an einem Mittwochabend. Zum Gottesdienst eingeladen waren auch Lehrkräfte und Amtsträger nebst ihren Partnern, aus dem gesamten Bezirk, soweit sie nicht in ihren eigenen Kirchengemeinden in den Wochengottesdiensten tätig sein mussten. So konnte sich G. Kaltschmitt über eine bunt gemischte Gottesdienstgemeinde freuen. Aus – fast- jeder der zwölf Tübinger Gemeinden war jemand in die am Schönbuchrand gekommen. Der Bischof freute sich, mal dort sein zu können, wie er nach dem Gottesdienst sagte. Schließlich sei er auch mal sieben Jahre lang in Pfrondorf tätig gewesen. „Und der Chor singt immer noch so schön wie vor fünfunddreißig Jahren“, hieß es, dessen musikalische Umrahmung des Gottesdienstes würdigend. Davor hatte ein ausschließlich weibliches Streichquintett gespielt.
G. Kaltschmitt ging zu Beginn auf das gerade verklungene, eingangs zitierte Lied des Chors ein: Schön, wie der Chor die Größe Gottes besungen hat. Die kann man sich nicht oft genug bewusst machen. Und auch, wenn wir alle unterschiedliche Wege im Leben haben, so, wie es heute Abend auch für die Gottesdienstbesucher ganz real der nach Pfrondorf gewesen war, wir wollen unsere Wege dem Herrn anbefehlen. So, wie er führt, ist es recht, hieß es, auf das zu Beginn gemeinsam gesungene Lied anspielend (Neuap. Gb. Nr. 146a, Text Paul Gerhardt, 1607 – 1676, „Befiehl du deine Wege…“). Schwer für den Menschen, das immer sofort zu erkennen. Aber am Ende ist es der richtige Weg.
„sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ (Jes 55, 9).
Dieses Prophetenwort war zu Beginn des Gottesdienstes verlesen worden. Darauf eingehend hieß es vom Bischof: Unsere Wege sind nicht die des Herrn. Er hat eine völlig andere Perspektive. Von Jesaja verglichen mit dem Verhältnis der Höhe des Himmels im Vergleich zur Erde. Die Größe…Höhe des Himmels…die Weite des Weltalls…das Imponierende der stofflichen Schöpfung, vom Menschen, wenn überhaupt, nur ansatzweise zu erfassen. Noch viel weniger gibt es eine Augenhöhe zwischen Gottes Größe und der menschlichen Ebene. Erstere ist größer als jede menschliche Vorstellung. Der Mensch kann mit seinen Möglichkeiten Gott noch nicht einmal denken. Der aber weiß, was du fühlst, denkst, brauchst. Ach, wie sag ich meinem Kind, was ich meine, so, dass es das auch richtig versteht? Das ist sein Bemühen. Gott ist da, unbegreiflich nah. Und das, was wir denken, ist zwangsläufig höchst unvollkommen. Das Größte bei allem aber wird sein, wenn Jesus die Seinen zu seinem Vater führt und sie Gott sehen können, wie er ist.
Das Wort des Propheten soll dem Menschen nicht die eigene Schwäche aufzeigen. Vielmehr ihm sagen, vertrau mir. Ich kenne den Weg, der dich zu mir und meinem Sohn führt. Man kann den Eindruck haben, dass der Erdenbewohner, je mehr er sich die Schöpfung erschließen kann, sich desto mehr von Gott entfernt. Ohne dieses Wissen, so minimal es auch ist im Verhältnis zu dem, was der Mensch nicht weiß, war es ihm in früheren Zeiten eher möglich, mehr von Gottes Größe zu erahnen. Die Menschen neigen dazu, sich zu überschätzen und Gottes Größe nicht zu erkennen. Die dessen, der von Ewigkeit zu Ewigkeit war und ist. Ohne Anfang, ohne Ende. Für uns unbegreiflich. Für Gott ist alles Gegenwart. Aber er kennt die des Menschen wie auch dessen Vergangenheit. Und will seine Zukunft gestalten.
Mit menschlichem Verstand nicht nachvollziehbar: Gottes Sohn wird im Kuhstall geboren. Er muss einen grausamen Tod sterben. So ist es, wenn Gott Mensch wird? Sich Zachäus, dem Sünder zuwenden, als Gottessohn? Saulus, den Feind, als Paulus zum „Mitarbeiter“ machen? Das Heil nicht nur den Juden bringen, sondern allen Menschen? Das sind Gottes Wege. Der Mensch sorgt sich. Er kann Gott nicht verstehen, nicht das, was er tut. Gottes Wege sind eben anders. Er hat ein anderes Ziel.
Jesus wusch den Jüngern die Füße. Unverständnis. Dem Gottessohn war das klar. Aber er wusste: Jetzt versteht ihr das nicht. Aber später werdet ihr es erfahren. Gott weiß, was richtig ist, damit wir am Ende ja dazu sagen können, denn sonst kämen wir nicht zu ihm in die Herrlichkeit. Unsere irdischen Aufgaben, die zu erfüllen sind, trüben den Blick für das wirklich Wichtige. Doch Gott kennt unsere Sorgen. Er weiß um die Probleme des Menschen. „Vertrau mir einfach. Ich will dich dahin führen, wo es für dich am besten ist.“ Der Vater im Himmel lässt uns das verstehen, was für uns nötig ist. Wir brauchen Gottvertrauen, und dazu wird uns sein Wort führen.
Bezirksevangelist Werner Lampprecht hätte eigentlich den Gottesdienst in Pfrondorf leiten soll. Obgleich er nicht unglücklich wirkte, weil der Bischof kurzfristig seinen Part übernommen hatte, meinte letzterer, um alle Eventualitäten auszuschließen, dass auch der stellvertretende Bezirksleiter wenigstens etwas zum Gottesdienst beitragen können solle…Der ging noch einmal auf das Vertrauen ein. Als Zwölfjähriger belehrte Jesus die Schriftgelehrten. Am Kreuz konnte er an andere denken, einem „bösen Menschen“ dessen Sünden vergeben. Gott ist unberechenbar. Er hilft, wenn es nötig ist. Wobei, wann – niemand kann es wissen. Genauso wenig kann man seine Wiederkunft „berechnen“. In der Rückschau lässt sich - manchmal - erkennen, wozu etwas gut war. Es gilt, Gottes Größe anzuerkennen, dagegen die eigenen Gedanken hintenanzustellen, dann kann das Glaubensziel erreicht werden.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls war es dem Bischof ein spürbares Anliegen, allen ganz bewusst zu machen: Wieso tun wir das? Als Gedächtnismahl. Daran, dass Jesus dafür gestorben, seinen Leib und sein Blut geopfert hat. Als Bekenntnismahl – zum Gottessohn und zu seinem Opfer. Das zu feiern bis zu seiner Wiederkunft. Als Gemeinschaftsmahl – damals Jesus mit den Jüngern und späteren Aposteln. Heute die Apostel mit der Gemeinde. Das würdig miteinander genießen. Im Bewusstsein, ich brauche Gottes Gnade und die Kraft aus dem Opfer seines Sohnes, um mich gegen das Böse stemmen zu können. „Es ist mein Leib und mein Blut. Das bedeutet, Jesus ist gegenwärtig. Gehen wir immer in diesem Bewusstsein zum heiligen Abendmahl.“
Zum Thema des Gottesdienstes wunderbar passend hatte die Instrumentalgruppe u. a. gespielt (neuap. Chorliedersammlung II, Nr. 38, Text Rudolf Kainz, geb. 1947): „Gott hab vor Augen und im Herzen!“
Das mag in manchem Gottesdienstbesucher auch die kommenden Tage nachgeklungen sein.