„Auf dich, o Herr, vertrauet meine Seele.
Dein Erbarmen ist unermesslich, ewig deine Gnad und Güte.“
(Chorbuch für den neuapostolischen Gottesdienst Nr. 154, Text nach Worten der Heiligen Schrift)
Das Zitat ist dem letzten vom gemischten Chor an diesem Abend gesungenen Lied entnommen. Im Gottesdienst hatten zuvor zwei Erwachsene vom Apostel das Sakrament der Heiligen Versiegelung gespendet bekommen. Ihnen und allen Gottesdienstbesuchern wurden mit dem Schlusslied des Chors Zuversicht und Trost, die im Glauben an und Vertrauen auf Gott liegen, mit in die kommenden Tage gegeben. Es war schon vorher und auch im Gottesdienst zu spüren – M. Schnaufer sprach es aus – dass in der Gemeinde an diesem Abend eine besondere Atmosphäre herrschte. Ausgelöst von der Freude über die beiden „neuen“ Glaubensgeschwister und getragen vom gemeinsam gewünschten „Herzlich willkommen“ bei uns.
Ein volles Gotteshaus am Abend: Die Vorsteher der zwölf Gemeinden des Bezirks Tübingen, dessen Leiter und sein Stellvertreter sowie viele andere waren außer den Ammerbuch-Pfäffingern zum Gottesdienst gekommen. Zu dessen Beginn ging der Apostel auf das gerade verklungene Lied des gemischten Chors ein: „Ich glaube an den Vater,…Ich glaube an den Geist,…der überall zugegen…und treibt uns weiter an, in Gottes Sinn zu handeln. …“ (aus Vers 1. u. 3, Chorbuch Nr. 181, Text und Musik Markus Pytlik, geb. 1966). Gottes Geist gibt Zeugnis unserem Geist: Dass wir Gottes Kinder sind. Eine grenzenlose Kraftquelle. Die Apostel vor rund zweitausend Jahren, denen an Pfingsten damals der Heilige Geist gespendet wurde, hatten „keine Erfahrungswerte“, wie damit umzugehen sei. Eine Liturgie gab es nicht. Was würde werden, welche Entscheidungen würden zu treffen sein – alles offene Fragen. Zumal Jesus, der Vieles mit seinen Jüngern besprochen hatte, nicht mehr physisch bei ihnen war. Aber die Kraftquelle des Heiligen Geistes bewegte sie und ließ sie auch in Bewegung bleiben. Um vorwärts zu kommen. So ist es auch heute. Die Kirche der Neuzeit hat zwar eine Liturgie, aber die allein ist nicht alles. Die Apostel heute brauchen wie die damals Herz, Seele und Verstand, um die Kirche voranzubringen und dafür die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es kann und muss nicht immer alles so bleiben wie es gerade ist. Damals wie heute gibt es nur eins – Gebete darum, den Heiligen Geist, seine Führung zu erleben. Für seine Impulse offen sein, dann kann und wird er helfen.
„Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben und er wurde rein.“ (2. Kön 5, 14)
Dieser Text aus dem Alten Testament lag dem Gottesdienst zugrunde. Kapitel 5 Kön ist überschrieben: „Elisa heilt den aramäischen Feldhauptmann Naaman…“ . Die letztlich erfolgte Heilung des Kranken, nach diversen „Umwegen“ des Hauptmanns, wird in Vers 14 wiedergegeben. M. Schnaufer befasste sich ausführlich „mit der ganzen“ Geschichte, die nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden kann, wie er anmerkte. An dieser Stelle geschieht das etwas knapper, um den Bericht nicht zu lang werden zu lassen. Wem das damalige Geschehen nicht so bekannt ist, nun, das lässt sich alles nachlesen.
Naaman, ein Hauptmann in syrischen Diensten, ist sicherlich erfolgsverwöhnt. Und dennoch wegen seiner Aussätzigkeit schwer angeschlagen und verzweifelt. Er greift nach einem Strohhalm – der jüdische Prophet Elisa könne ihm helfen. So hatte ein namentlich nicht bekanntes jüdischen Mädchen, das in syrische Gefangenschaft geraten war, es gesagt. Naaman begibt sich zum Propheten. Der lässt ausrichten, der Kranke solle sich sieben Mal in den (dreckigen) Jordan tauchen. Rational gesehen mehr als fragwürdig. Naaman tat es dennoch und er war geheilt.
Ein Bild: Naaman, der für den Hilfe suchenden Sünder steht. Elisa, der im Bild mit Gott gleichzusetzen ist. Selbstverständlich hatte Naaman zuerst den jüdischen König als die richtige Adresse angesehen – wen auch sonst? Aber der konnte nicht helfen. Auch ein Bild – wer ist „König“ in dieser Welt? Macht, Geld? Aber das sind nicht die Dinge, die Hilfe und Erfüllung geben können. Das muss jeder erst einmal begreifen. Selbstverständlich kam Naaman mit reichen Gaben angereist, aber weder König noch Prophet wollten sie haben. Bei Gott geht es nicht um unsere Vorleistung, unsere Ideen, unseren Einsatz. Rettung und Hilfe lassen sich nicht erkaufen. Gott lässt sich nicht in Zugzwang bringen. Er schenkt. Aus dem, was der Mensch opfert, leitet sich kein Anspruch für ihn her. Dankbarkeit und Freude sollen ihn dazu bewegen, sein Opfer zu bringen. Es wäre „brandgefährlich“, daraus eine Erwartungshaltung abzuleiten. Aber es gilt, dass Gott immer zu unserem Heil handelt, auch wenn sich das dem Menschen nicht jedes Mal sofort erschließt.
Ein Bild: Elisa kam noch nicht einmal aus seinem Haus heraus. Dem „hohen Besuch“ wurde kein roter Teppich ausgerollt. Der Prophet schickte einen Boten zu ihm. Der wird namentlich gar nicht genannt. Er erfüllte nur seinen Auftrag. Gott schickt seine Boten, die als Menschen nicht relevant sind. Das wissen Bote wie Empfänger. Es geht um das dahinter, den Willen Gottes. So schickt Gott das Apostelamt, damit es in seinem Namen handelt. Dem Menschen obliegt, das anzunehmen. Naaman musste sich selbst zurücknehmen, sein Selbst verleugnen und das Wort des Boten befolgen. Sieben Mal sollte er ganz untertauchen. Diese Zahl ist im biblischen Gebrauch auch ein Bild: das der Ganzheit. Es gilt, die alte Kreatur aufzugeben, sie zu „ertränken“. Entscheidend ist dabei, unsere Position zu Gott richtig zu werten. Unser ganz persönliches Verhältnis zu ihm. Ist meine Erwartung die richtige? Wie weit unterliege ich da gesellschaftlichen Strömungen? Wie ist mein Verhältnis zu seiner Gnade? Gott will mein ewiges Leben, aber er erfüllt nicht jede Bitte und nimmt nicht jede Sorge. Auch seine Boten können nicht jede Frage beantworten. Aber sie können für dich beten. Und wir dürfen erleben, dass Gott gnädig ist.
Und noch ein Bild, das dem Geschehen um die Heilung des Hauptmanns zu entnehmen ist: Das Mädchen in der Gefangenschaft, ein Kriegsopfer, hatte trotz seines nicht einfachen Schicksals den Glauben „nicht an den Nagel gehängt.“ Sie blieb dabei und konnte ihn gegenüber anderen bezeugen. Können wir noch das Evangelium Christi leben, anderen helfen, wenn es scheint, als habe der liebe Gott einen selbst vergessen? Auch wenn es mal schwierige, scheinbar unlösbare Probleme gibt, nicht verzweifeln. Hilfe auch bei dem Nächsten suchen, nicht aufgeben, sich von ihm in der Not tragen lassen und sich gegenseitig ein Segen sein. Um so erleben zu können, was man geglaubt hat: Tod und Hölle werden nicht die Oberhand behalten.
Bezirksvorsteher Klaus von Bank vertiefte, dass es gewiss nicht einfach sei, am Boden liegend noch den Knecht Gottes zu erkennen und Vertrauen aufzubringen. Der Glaube des Mädchens damals war unendlich groß. Trotz der Gefangenschaft vertraute sie ihrem Gott. Wenn man am Glauben festhält, wie auch immer die Umstände sind, dann können sich Dinge auftun, die einem selbst nie eingefallen wären. Und auch der Bezirksvorsteher empfand die besondere Freude und Dankbarkeit der Gemeinde an diesem besonderen Abend und wusste das noch einmal deutlich auszudrücken.
Sie erwies sich nicht als leeres Versprechen – die vor dem Gottesdienst von einem der einheimischen Amtsträger ausgesprochene Einladung zu einem kleinen Sektempfang später. Von Gastfreundschaft verstand man auch an diesem Abend etwas in der Gemeinde südlich vom Schönbuch.