„…Herr, bleib bei uns…“ (aus Nr. 98, neuap.
Chorbuch; Musik Carl Stein, 1824 – 1902) hatte, u.a., vor dem Gottesdienst eine Instrumentalgruppe gespielt und damit den Wunsch gläubiger Christen zum Jahresbeginn musikalisch ausgedrückt. Warum – bleib bei uns? Darauf lässt sich Vieles erwidern. Eine Antwort folgt aus dem zu Beginn des Gottesdienstes, unter der Leitung von Apostel Martin Schnaufer, verlesenen Worts des Propheten Habakuk: „Aber ich will mich freuen des HERRN und fröhlich sein in Gott, meinem Heil.“ (Hab 3,18).
Zum Gottesdienst eingeladen waren auch die Mitglieder der Gemeinden Pfrondorf, Ammerbuch-Pfäffingen und Rottenburg. Das ist die Gemeinde im Bezirk Tübingen, die bedingt durch die geografische Lage so ein wenig „das Weltkind in der Mitten“ ist (frei nach J. W. Goethe). Mal sind die Rottenburger mit in den Gäugemeinden, mal in den Tübinger Gemeinden, mal ganz für sich, und überall auswärts sind sie gern gesehen…Neben der Instrumentalgruppe und auch zusammen mit ihr sorgte, abgesehen vom Gemeindegesang, ein gemischter Chor unter der Leitung von Klausjürgen Zahn sowie Andreas Ostheimer, Orgel, für das Musikalische im ersten Gottesdienst in Tübingen im noch ganz neuen Jahr 2015. Wer von etwas weiter entfernt dorthin durch den Schönbuch gefahren war, wurde am Neujahrsmorgen, nicht nur, aber auch schon durch den Anblick einer wunderbaren weißen, wie verzaubert wirkenden Winterlandschaft voller raubereifter und beschneiter Bäume rechts und links der Straße belohnt.
M. Schnaufer war es wichtig, im Eingangsgebet um Kraft und Glaubensgelassenheit für das zu bitten, was im neuen Jahr zu bewältigen sein wird. Zu dessen Beginn am Altar Gottes zusammenzukommen, ist nicht nur eine Tradition, sondern auch ein Bedürfnis. Und damit die Sicherheit haben dürfen, bei allem, was kommen wird, bei dem, was trotz aller Planungen niemand im Vorhinein wissen kann, nicht allein zu sein. Denn es gibt keine Sekunde, die Gott nicht kennt. Der persönliche Kalender – Beruf, Privates, Sorgen, Arzttermine…wir wissen, da wechselt es zwischen freudigen Erfahrungen und Belastendem. Aber, es ist so, dass wir auch 2015 jeden Tag auf Gott schauen können und letztlich alles in seiner Hand liegt. „Glaube, vertraue und dann wirst du sehen!“
Der Apostel griff noch einmal das Motto des vergangenen Jahrs für neuapostolische Christen auf: Mit Liebe ans Werk. Und vertiefte das mit einem Hinweis des Kirchenpräsidenten Neuapostolische Kirche International und Stammapostels, Jean-Luc Schneider, aus einem Gottesdienst im Dezember 2014: Du kannst Gott nicht mehr lieben als deinen Nächsten. Es ist nicht angängig, zu sagen, ich liebe Gott, und ansonsten die Dinge so laufen zu lassen, wie es gerade kommt. Vielmehr gehört es dazu, dass die Liebe Teil des eigenen Wesens wird, um Jesus Christus ähnlich zu werden, der das vorgelebt hat.
Und im neuen Jahr – gilt das fort. Hinzukommen soll die Freude in Christus . Der Prophet seinerzeit beginnt mit einem „Aber“ – und setzt dagegen: Ich will mich freuen. Trotz persönlicher Belastungen. Sich festklammern am Selbstmitleid führt nicht weiter. Gott misst uns dabei nicht am Ergebnis. Er legt seinen Segen schon auf ein ernsthaftes: Ich will! Und weiß dabei genau, inwieweit dem Einzelnen ein solches „ich will“ möglich ist. Da mag es persönliche, insbesondere auch krankheitsbedingte Verhinderungen geben, um ein solches Statement abgeben zu können. Der himmlische Vater weiß das alles richtig zu werten.
Manchmal vermag der Mensch keine Freude zu empfinden. Aber es bleibt das Wort aus dem Psalm, dass die, die auf den Herrn schauen, vor Freude strahlen werden. Da gilt es vielleicht, die Blickrichtung zu ändern. Wohin schaust du? Auf den Herrn sehen. Das Heil der Seele im Blick haben, über den Tellerrand hinaus, und nicht das Irdische. Ich will mich freuen, die Chance sehen, die Gott mir gibt.
Freude in der Gemeinschaft haben. Der alte Spruch aus den Poesiealben früherer Zeiten, Provenienz unbekannt, aber vielen noch im Gedächtnis: „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ Wie trage ich Freude in meine Gemeinde? Das geht nur durch die Liebe. Dann bekomme ich ein ganz anderes Verhältnis zu meinem Nächsten. Wie sehen wir die Gemeinde – ein Zufallsprodukt? Sie ist mehr als eine bloße Interessengemeinschaft. Alle Mitglieder haben dasselbe Ziel: Auf ewig bei dem Herrn. Das trägt eine Gemeinde. Da spielen Unvollkommenheiten Einzelner keine Rolle. Sie können der Freude nicht im Weg stehen. Gehen wir davon aus, Gott hat jede Gemeinde genau so zusammengefügt wie sie es ist. Was macht meinen Glaubensgeschwistern Freude? Mit der Einstellung in der Gemeinde sie mitgestalten. Eigene Interessen zurückstellen im Interesse aller. Es geht nicht um die Selbstverwirklichung des Einzelnen, sondern um die Vollendung des Werkes Gottes.
Mit Liebe ans Werk, mit Freude über das Heil, in der Gemeinschaft und am Dienen, so kann es Wachstum geben. Und Freude im Alltag wird dazukommen. „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. Das lasst uns gemeinsam angehen, damit die Wiederkunft Christi, um auf ewig bei ihm sein zu können, bald geschieht und unser Glaubensziel erreicht werden kann.“ Das wurde vom Apostel vor der Feier des heiligen Abendmahls noch einmal vertieft: „Wenn du es richtig siehst und die richtigen Prioritäten setzt, dann wird es auf jedem Weg immer einen Grund geben, sich freuen zu können“.
Zuvor hatte Bischof Georg Kaltschmitt noch beigetragen, was ihn bewegt hatte. Das Glaubensziel erreichen, das geht nur „Punkt für Punkt“. Zu einer „Brautseele“ gehören: Freude, Friede und Hoffnung. Das alles steckt in uns. Aber es muss geweckt werden. Schnell gibt es Erwartungen, die sich nicht erfüllen. Ein Kind wünscht sich etwas zu Weihnachten und bekommt es nicht. Große Enttäuschung. Aber es bekommt stattdessen ein Geschenk, das sich später als etwas viel Wertvolleres erweist als das Gewünschte. So verhält es sich auch mit Gottes Zuwendungen. Deshalb gibt es keinen Grund, an seiner Liebe zu zweifeln. Der Heilige Geist lehrt uns, richtig zu leben. Sich fragen, was hätte Jesus an meiner Stelle getan? Der machte Petrus, der, gar nicht in christlichem Sinn, gewalttätig geworden war, keinen Vorwurf. Der Gottessohn wusste, dieser Jünger würde der Fels sein, auf den er bauen konnte. Freuen dürfen wir uns, dass Gott uns Gnade schenkt, was er nicht tun muss. Wenn du es richtig siehst, die richtigen Prioritäten setzt, dann gibt es auf jedem Weg einen Grund, sich zu freuen.
Ein noch ganz kleiner Junge, gerade mal fast vier Monate alt, auf dem Arm seiner Mutter, empfing das Sakrament der Heiligen Versiegelung. Eng daneben stand der Vater, der Tübinger Gemeindevorsteher. „Ein strahlendes Kind mit einem Charme, den andere üben müssen“, freute sich M. Schnaufer. Und eine Gabe, die sich entwickeln muss. Dazu braucht es eine Umgebung, in der der Heilige Geist, der mit der Versiegelung durch den Apostel gespendet wird, auch wirken kann. Diese Entwicklung schafft Freude. Gott schenkt die Kraft und die Stabilität, als Eltern für das Kind da sein zu können.
Ein Diakon aus dem Bezirk Sindelfingen, Gemeinde Ehningen, war nach seinem Studium in der Universitätsstadt dort „hängen“ geblieben. Des einen Leid, des anderen Freud. In dem Fall letztere die der Gemeinde Tübingen, die nun einen weiteren Diakon hat, nachdem dieser in seinem Amt vom Apostel für seine „neue“ Gemeinde bestätigt wurde.
Nach dem Gottesdienst wünschte M. Schnaufer „uns allen ein Jahr 2015, in dem wir Gott erleben, uns gegenseitig Freude geben und uns wechselseitig helfen. Und so bei der Wiederkunft Christi würdig dazu sind, auf ewig beim Herrn sein zu können.“
Damit das gelingen kann, sei eine Gewissheit fürs neue Jahr, nicht nur dem Kind, vom gemischten Chor mitgegeben. Der hatte, als die Eltern vor der Spendung des Heiligen Geistes mit dem Kleinen am Altar standen, die wohl schon von jedem oft gehörte und von vielen auch selbst besungene, ebenso schlichte als auch ergreifende Zuversicht vermittelt:
„Der Herr ist mein Hirte, mir mangelt nichts mehr. Er heget und pfleget, er liebet mich sehr.“
(neuap. Chorliederbuch Nr. 161, Dichter und Komponist unbekannt)