Ein grauer Novembermorgen südlich von Stuttgart, als es mit der S-Bahn von Herrenberg aus in die Landeshauptstadt ging.
Unterwegs stieg noch der eine oder andere zu, und auch aus dem Tübinger Teil des Kirchenbezirks war man gekommen. Nicht zu vergessen, „Stammteilnehmer“, die nicht im Bezirk Tübingen wohnen. Im Stuttgarter Kessel wagte sich dann doch ganz bescheiden die Sonne durchs Novembergrau. Von der S-Bahn in den Bus und man war zwei Stationen später beim Linden-Museum angekommen, in dem „Das Goldene Land“, Myanmar, ganz schnell die Novembertristesse vergessen ließ. Während der Führung fühlte man sich in völlig fremden Welten. Kein Wunder, denn Myanmar, vielleicht kennt man es eher unter den Namen Burma oder Birma, öffnet sich nach langen Zeiten der Isolation erst seit ein paar Jahren ganz langsam der restlichen Welt. Eine kompetente Führung gab es, wie auch alles andere, z. B. die Bahnfahrt hin und zurück für den Hauptteil der Teilnehmer, nun schon im siebten Jahr der Kulturtage im Bezirk Tübingen, von Gerlinde Kleemann organisiert. Sie hatte auch ein wachsames Auge darauf, dass bei dem Kulturtag mit rund 25 Teilnehmern nichts dem Zufall überlassen blieb.
Myanmar, ein – 7.000 km entferntes – Land, doppelt so groß wie Deutschland, mit rund 55 Millionen Bewohnern, vom Buddhismus bestimmt, der dort seit etwa 1000 Jahren Staatsreligion ist. Vergessen wir erst einmal alles, was die Religion in unseren Breiten, dem christlichen Abendland mit seiner 2000 Jahre alten Geschichte ausmacht und tauchen wir für neunzig Minuten in eine völlig andere Welt ein…der Anforderung sahen sich die Besucher gegenüber. Der Buddhismus in Myanmar ist eine von vielen sich unterscheidenden Ausprägungen dieser Religion. In deren Zentrum im ehemaligen Birma/Burma allein Buddha steht. Ein Land, das seit Beendigung der britischen Kolonialherrschaft zunächst eine Militärregierung hatte und seit etwa 2011 vorsichtige Schritte in Richtung Demokratie unternimmt, die 2015 mit den ersten Wahlen Gestalt annehmen soll. Wobei, eben weil die Konstante seit 1000 Jahren der Buddhismus ist, sowohl das Militär als auch die demokratischen Kräfte, die sich durchsetzen wollen, jeweils für sich das Ideal des wirklich gerechten Herrschers Buddha in Anspruch nehmen. Sie bekämen sonst in diesem Land keinen Fuß auf die Erde (bzw. keine Wählerstimme).
Die Besucher tauchten in eine Welt der Götter und Geister ein, wobei die Lichtgestalt in Myanmar Buddha, der „gute Herrscher“, ist und ihm nachzustreben das hehre Ziel. Bedeutet, Verzicht auf alles, bis auf das zum Überleben Notwendige. Das sind Robe, Nähzeug, Rasiermesser, Schirm oder Fächer, Schuhe und eine Schale zum Betteln. Nicht von Reichtümern, sondern für Essen und Trinken. Und weil das im 21. Jh., wenn ein Land den Anschluss an die restliche Welt sucht, nicht mehr so einfach für jedermann zu praktizieren ist, wird ein Junge im Alter von ca. 10 Jahren während der Schulferien zum „Buddha“. Ausgestattet mit einem prächtigen goldenen Gewand und anderem kostbaren Beiwerk lebt er, stellvertretend für seine Familie, für kurze Zeit in der Art und Weise Buddhas, um so das Ideal des „guten Herrschers“ zu verkörpern. Verzicht, immer wieder geboren werden und zu sterben, bis endlich einmal die Stufe der Vollkommenheit erreicht und die Niederungen irdischen Lebens nicht mehr erfahren werden müssen. Mit dem Glauben daran lebte Buddha, so leben zwar heute noch fünfhunderttausend Mönche in Myanmar. Der Neuzeit ist aber geschuldet, dass, s. o., meist nur noch ausnahmsweise in den Ferien von einem Einzigen in der Familie, sie stellvertretend, als Mönch für kurze Zeit gelebt werden kann. Wobei dessen Gewänder und sonstige Utensilien, die in der Ausstellung zu sehen sind, schon das Jahreseinkommen der Familie verschlingen. Buddha ist allgegenwärtig in Myanmar: Jahrhunderte alte Tempel, goldene Pagoden, fast in jedem Haus im Eingangsbereich ein Schrein zur täglichen Buddha-Verehrung, auch alles in Gold, was es an Figuren und Beiwerk gibt. Sei es in Bildern oder an Ausgestelltem findet sich das im Museum. Nur das Beste ist gut genug und da kann schon im heiligen Schrein mal etwas farbig leuchten, was irgendwie an unsere Weihnachtsdekoration erinnert, Hauptsache, schön anzusehen.
Eine Stufe niedriger als Buddha gibt es Geister, die verehrt werden. Geister sind nicht so abgehoben und haben zum Teil sehr menschliche Eigenschaften, brauchen auch Nahrung , sind geistigen Getränken gelegentlich nicht abgeneigt…auch ihnen baut man Altäre, einer ist im Museum aufgebaut. Von den Geistern verspricht man sich Verständnis für eigene Schwächen und dass sie vielleicht ein gutes Wort bei den höheren Instanzen einlegen werden. Prächtige handwerkliche Meisterwerke der Webkunst waren zu sehen, farbenfroh und aufwändig herzustellen. Ohne Webstuhl, ein Stock, an einen Baum gehängt, um die Längsfäden zu befestigen, tut es auch…
Nach so viel fremder Welt ging es auch gern wieder in die hiesige und in die Neuzeit. Ein gemeinsames Mittagessen in einem Stuttgarter Restaurant, ein Bummel über den Weihnachtsmarkt folgten…
Herzlichen Dank an alle, die zu einem gelungenen zweiten Kulturtag 2014 im Kirchenbezirk Tübingen beigetragen haben.