Ein Spätsommertag im Gäu im Herbst, in Herrenberg wuselte es nur so von Spaziergängern, offen fahrenden Cabrios, Fahrradfahrern, Eis-Essern auf den Gehwegen… da konnte man sich schon fragen, wen es da am späten Nachmittag in geschlossene Räume ziehen sollte.
Alle Befürchtungen waren unbegründet. Kirchenschiff und Empore waren gut gefüllt, als sich das Orchester platziert hatte und die Akteure durch den Mittelgang nach vorn zur „Bühne“ gekommen waren. Die zeigte den Weg von Jerusalem nach Jericho, damals vor rund 2000 Jahren. Links, etwas versteckt, eine Räuberhöhle, der Weg nach Jericho in der Mitte und rechts eine Wirtsstube. Das Gemurmel im Publikum war pünktlich um 17 Uhr spannungsgeladener Stille gewichen. Bezirksvorsteher Klaus von Bank sprach einleitende Worte. Ein „Räuber“ hatte schon am Sonntagvormittag nach dem Gottesdienst in seiner Heimatgemeinde aus dem Nähkästchen geplaudert: „Und am meisten hat es den Ältesten gestern bei der Generalprobe gefreut, dass am Ende sogar die Räuber in den Schlussgesang mit einstimmen: Die Liebe bleibt!“ Das bestätigte K. von Bank bei seiner Begrüßung am Nachmittag und war noch immer sichtlich beeindruckt von solchen Ganoven. Nach einem kurzen Gebet und dem Dank vorab, eine Verabschiedung nach der Aufführung war nicht vorgesehen, wünschte der Bezirksälteste viel, viel Freude und es konnte losgehen.
Die Handlung des Stücks, das Gleichnis, das Jesus zum Thema Toleranz und Nächstenliebe mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter gab, wird nachfolgend als bekannt vorausgesetzt. Der Räuberchor, wahrhaft Furcht erweckende Gestalten, mit Dolchen bewaffnet und mit Augenklappen versehen – entweder zur Tarnung oder weil sie im Kampf schwer verletzt worden waren - stimmte ein Klagelied an: Harte Zeiten, die Geschäfte gehen schlecht, das ist wirklich ungerecht. Weit und breit kein reicher Mann, ohne Beute wird man von der eigenen Frau hinausgeworfen, damit ist Ende mit der Karriere, es ist einfach ungerecht! Da, endlich, ein wohlhabender Reisender, ein Händler, Tücher und Stoffe in Mengen bei sich habend: Holt ihn euch – und acht Räuber überfallen ihn. Verletzt und ausgeraubt bleibt er am Wegesrand liegen. Priester und Levit gehen vorbei, keiner hilft. Anspruch und Wirklichkeit bei den beiden klaffen weit auseinander. Im Duett gesungen, war zu hören, man sei schließlich nur ein schwacher Mann, nein, mit so was wolle man nichts zu tun haben, sich nicht die Hände schmutzig machen… „Dann mach ich zu, lass mich in Ruh!“ Beeindruckend vorgetragen und es gab verdienten Szenenapplaus.
Da kommt der gemeinhin von Juden verachtete Samariter bei dem verletzt am Boden liegenden Opfer vorbei. Nicht allein. Ein vierbeiniges, langohriges Wesen, Esel oder Maultier, ist bei ihm. Der Verwundete wird versorgt. Das Lasttier nimmt ihn auf den Rücken und es geht zum Wirtshaus. Dessen Chef ist erst nicht so begeistert, es sei doch hier kein Krankenhaus. Der Samariter übernimmt die Kosten für Pflege, Beköstigung und Herberge, für jemanden, den er überhaupt nicht kennt. Denn: Schwarz oder weiß, kalt oder heiß, vertraut oder anders gebaut – Gott hat das alles gemacht und auch alles bedacht. Landsmann oder Ausländer, egal. Es ging und geht um den Menschen, wurde nach- und eindrücklich in Text und Musik vermittelt. Der Samariter half dem Armen, der Außenseiter hat Erbarmen, das ist wirklich sehr sozial, unglaublich, phänomenal. Fazit: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Handle wie der Samariter!
Es folgte der Schlusschor, schwungvoll und Rhythmus betont. Wie schon erwähnt, mit den finsteren Gestalten gemeinsam wird gesungen: Alles wird vergehen, die Liebe bleibt bestehen. Für alle Zeit. In Ewigkeit. Sieh den Menschen an mit Gottes Augen.
Das Lied wurde auch, nachdem es reichlich Applaus und Standing Ovations gegeben hatte, als Zugabe noch einmal gesungen. Dazwischen hatte Chorleiterin Stefanie Stegmeyer die Solisten, andere Protagonisten und, ganz wichtig, BetreuerInnen im Hintergrund, insbesondere auch bei der Wochenendfreizeit auf dem Kapf (siehe vorhergehender Bericht.) vorgestellt und sich bei allen bedankt, die mitgeholfen haben, damit ein wunderschöner musikalischer Spätsommersonntagnachmittag im Herbst gelang und so schnell nicht vergessen wird. Alle, vor und hinter den Kulissen Schaffenden, bekamen den verdienten Dank und ihre Anerkennung.
Gern wurde die Einladung zum anschließenden Umtrunk im geselligen Miteinander angenommen.