„Froh die Stunde, froh der Tag, an dem Gott uns seinen Segen schenkt…“, hatte der Kinderchor zu Beginn des Gottesdienstes gesungen, der von Werner Lampprecht, stellvertretender Bezirksvorsteher, geleitet wurde.
In wunderschöner Schwarzwaldlandschaft gelegen befindet sich auf einer Hochfläche das Freizeitgelände mit Haus, in dessen großem Saal der Gottesdienst stattfand. Etwa 20 Kinder des Chors, zumeist aus Herrenberg und den Gemeinden des Oberen Gäu, eine fast ebenso viele Mitglieder zählende Instrumentalgruppe und einige erwachsene Betreuer hatten sich am Nachmittag zum Gottesdienst eingefunden. Ein improvisierter, mit Sommerblumen geschmückter Altar ließ vergessen, dass man eigentlich nicht in einer Kirche war.
W. Lampprecht knüpfte an das eingangs zitierte Lied an. „Ist das wahr, das mit dem Segen Gottes? Wie bemerkt man den?“ Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten: An Glaubenserlebnissen, daran, dass für einen gesorgt wird…Fazit: Gottes Segen fängt mit dem Frühstück schon an, denn – selbstverständlich ist gar nichts.
„Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.“ (Lk 10, 33,34)
Um diesen Text aus dem Lukasevangelium ging es im Gottesdienst. Die Kinder kannten sich super aus, denn Anlass der Wochenend“freizeit“ auf dem Kapf, in deren Rahmen der Gottesdienst stattfand, war die Einstudierung eines Musicals, in dem es um die Geschichte vom Barmherzigen Samariter geht, zu der der verlesene Bibeltext gehört. An dieser Stelle besteht daher keine Notwendigkeit, auf das Geschehen im Einzelnen einzugehen, von dem Jesus einem Schriftgelehrten erzählt, um deutlich zu machen, wer einem Menschen der Nächste ist, den er lieben soll wie sich selbst. Wer die Geschichte nicht kennt, dem sei dringend der Besuch des Musicals angeraten, das Chor und Instrumentalgruppe aufführen werden.
Was ein Schriftgelehrter ist? Die Amtsträger in der Kirche nicht. Werner Lampprecht weigerte sich, einer zu sein. Man einigte sich dahin gehend, dass es jemand ist, der die Bibel in- und auswendig kennt. Und wer der Nächste ist? Auf den ersten Blick gesehen ist der Helfer damals dem Juden alles andere als dessen Nächster. Der war ein Händler, der von Jerusalem zu Fuß durch die Wüste nach Jericho ging. Samariter damals hingegen wurden von den Juden gemieden, ja, sogar verachtet. Ein wenig Erdkundeunterricht gab es an dieser Stelle: Die Entfernung zwischen den Orten beträgt 27 km und ein Höhenunterschied von rund 1.000 m ist zu überwinden und das, obwohl Jerusalem etwa 700m ü. NN liegt? Kein Rechenfehler, Jericho liegt etwa 300m u. NN. Und ist überhaupt die tiefstgelegene Stadt. W. Lampprecht hatte sich vorab informiert über die örtlichen Gegebenheiten.
Der eine dem anderen ein „Nächster“ – wie das, Juden und Samariter waren sich damals spinnefeind. Gerade dann trotzdem helfen, das wollte Jesus mit seiner Geschichte verdeutlichen: So sollst du handeln! Theorie und Praxis…Woran merkt man Barmherzigkeit? Wie der Samariter das Elend des anderen sehen, kein Egoist sein, dem andere völlig egal sind. Mitleid haben. Liebe empfinden, vergeben können, Hass und böse Rachegedanken nicht aufkommen lassen. Darauf achten, wie man über andere redet, also nicht schlecht und sie auch nicht beschimpft. Alles sonnenklar. Dass das mit dem entsprechenden Handeln, an dem allein sich die Barmherzigkeit zeigen kann, nicht ganz so einfach ist, da hatte wohl jeder schon seine eigenen Erfahrungen gemacht.
W. Lampprecht wollte auch noch die anwesenden jungen Diakone zu Wort kommen lassen. Er glaubte, zu wissen, dass Kinder und Jugendliche ganz gern mal jemanden ohne graue Haare am Altar sehen und hatte vor, den Wunsch zu erfüllen. Der Ausgewählte aus der Diakonenschar bestritt, dass das „ohne Grau“ bei ihm der Fall sei. Half ihm aber nichts…Er erinnerte sich an die Zeit, als er in Konstanz wohnte und in den engen Gassen der Altstadt auf dem Weg zum Bankautomaten immer wieder an ein und derselben Bettlerin vorbeigehen musste, von deren lautem „Geblöke“ er jedes Mal unangenehm berührt war. Aber einmal saß die Frau da und – es war still. Ein junges Mädchen hatte sich zu ihr heruntergebeugt und sprach mit ihr. Ein Denkanstoß, wie die Geschichte vom Barmherzigen Samariter. Nicht dem ersten Gefühl nachgeben, mit dem anderen nichts zu tun haben zu wollen, ihn gar als Feind ansehen. Ganz lebens- und zeitnah, an dem Nachmittag fanden einige Spiele der Fußballbundesliga statt, über die man sich unterhalten hatte: Ein VfB-Fan kann auch nett zu einem Bayern-München-Anhänger sein…Ja, Barmherzigkeit ist eine große Herausforderung. Die Erwachsenen haben Kollegen, die einfach schrecklich sind und nerven. Sowohl der Diakon als auch später W. Lampprecht nahmen sich fest vor, insoweit zukünftig über den eigenen Schatten springen zu wollen.
Entgegen dem nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag des Bezirksevangelisten wollten die Kinder nicht noch drei weitere Diakone hören. Vielmehr wussten sie, dass es jetzt mit der Feier des heiligen Abendmahls weitergehe. Warum? „Weil es schon spät ist und der Kelch da steht!“ Das Bußlied mussten dann dieses Mal die Erwachsenen allein singen. Wie Kinderchorleiterin Stefanie Stegmeyer pragmatisch vorschlug, etwas lauter als sonst, denn die Kinder hatten keine Gesangbücher dabei…Nach dem Gottesdienst erwies sich W. Lampprecht als „barmherziger Samariter.“ Bei der Verabschiedung durfte sich jedes Kind (die Erwachsenen auch) etwas Süßes mitnehmen.
Schön war es gewesen oben auf dem Kapf beim etwas anderen Gottesdienst. Besonders für den, der wie der Chronist auf dem Weg dahin durch Herrenberg hindurch von sintflutartigem Regen begleitet worden war. Am späten Nachmittag schien überall die Sonne und sicher war es abends im Schwarzwald auch noch trocken, denn den Kindern war ein Lagerfeuer versprochen worden.
Einer der Höhepunkte dieses Probenwochenendes, zu dem man am Freitag angereist war. Die erste Nacht ist dann immer recht kurz, was das Schlafen anbetrifft, lehrt die Erfahrung, denn es war schon das fünfte Mal, dass der Kinderchor auf dem Kapf vor einer Aufführung probte. Am Samstag wird fleißig einstudiert und geübt wie auch am Sonntagmorgen, ehe dann alle reichlich müde, aber hoffentlich glücklich wieder heimfahren. Ein herzliches Dankeschön gilt all denen, die auch dieses Mal wieder zu einem gelungenen Probenwochenende beigetragen haben. Und an dieser Stelle auch eine herzliche Einladung zum Musical am Sonntag, 18.09.2014, 17.00 Uhr, neuapostolische Kirche Herrenberg, Gültsteiner Str. 5. Dann wird sich hoffentlich endlich das Rätsel mit dem „Schwarzwaldlied“ lösen, von dem einer der Jungen immer wieder sprach und von dem im Neuen Testament nichts zu finden ist…
Nachtrag: Ein Hörfehler, denn es geht um schwarz und weiß, als Hautfarbe, und die Toleranz im Umgang miteinander. Danke der aufmerksamen Leserin, aber die Spannung auf die Aufführung bleibt...