…dem dreimal-einen Gott, als der ursprünglich war und ist und bleiben wird jetz-und und immerdar! (aus dem letzten Vers des zu Beginn gesungenen Lieds, neuap.
Gb Nr. 256, Text Martin Rinckart, 1586 – 1649)
Dem Motto neuapostolischer Christen für das Jahr 2014 entsprechend waren die Glaubensgeschwister „mit (viel) Liebe ans Werk“ gegangen, um ihr Kirchengebäude für den letzten Gottesdienst dort, Leitung Apostel Martin Schnaufer, herzurichten. Es musste umgeräumt und zusätzlich aufgestuhlt werden, damit die vielen Besucher Platz finden konnten: Fast alle Gemeindevorsteher des Bezirks Tübingen, dessen Vorsteher und seine Stellvertreter, Amtsträger im Ruhestand, darunter frühere Gemeindevorsteher von Kuppingen sowie Apostel Wolfgang Bott und Bezirksevangelist Manfred Bayer. Bunte Rosengestecke auf dem Altar und mit viel Grün herausgeputzte einzelne rote Rosen auf jeder Fensterbank zeigten die Wertschätzung der Glaubensgeschwister für ihr seitheriges kirchliches Zuhause und den Dank für das Gewesene wie auch die Dankbarkeit für die von Gott bereitete Zukunft, wovon M. Schnaufer im Eingangsgebet sprach.
Der würdigte zu Beginn den Gottesdienst als einen besonderen, in dem auch besondere Gedanken an einem solchen Wendepunkt für eine Gemeinde aufkommen. Die sollen auch wach werden. Sich Zeit nehmen dafür und auch dafür, Abschied zu nehmen. Das ist schön und normal. Schlimm wäre ein erleichtertes „Gott sei Dank, dass es vorbei ist.“ Vielmehr sich erinnern können, Gott war da und ist es auch gegenwärtig. Es gab eine Gemeinschaft, die mir gut getan hat. Es gab Gebetserhörungen. Die Gemeinde ist der Ort, an dem wir Gottes Heilsangebot empfangen. Wie oft und viel ist das gewesen. Es wurden mit ganzem Herzen Opfer für die Gemeinde gebracht. War das vergeblich? Jedes Opfer zu jeder Zeit war wichtig und wirkt bis heute fort. Wer weiß, wie viele Veränderungen noch notwendig sein werden. Aber sich dadurch nicht die Freude darüber nehmen lassen, dass Gottes Werk auch noch morgen dasselbe sein wird. Mit gleicher Freude wie bisher weitergehen. Das ist unsere Aufgabe. Mit Zuversicht in die Zukunft blicken: Es ist das Werk des Herrn und bleibt es, egal, wo wir uns zum Gottesdienst zusammenfinden.
„Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“ (Apg 2,39)
Der Text aus dem Neuen Testament war zu Beginn des Gottesdienstes verlesen worden. Der Apostel ging auf das damalige Geschehen ein, die Pfingstrede Petrus`, der damit seine erste große Predigt hielt. Die alle beeindruckte, so dass sie fragten, was sollen wir tun? Sich taufen lassen, um die Gabe des Heiligen Geistes zu empfangen, war damals die Antwort des Apostels. Daran knüpft das im Textwort enthaltene, den Zukunftsaspekt ausdrückende Versprechen an: „Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung…“ Strukturen mögen sich ändern, aber deshalb nicht an die Wiederkunft Christi glauben? Das Werk Gottes ist das Werk Gottes und nicht menschlichen Organisationsformen unterworfen. Es wird vollendet werden und dazu wird jeder an dem Platz gebraucht, an den Gott ihn gestellt hat.
„…euch und euren Kindern…“ , da denkt man auch schnell an die eigene Verantwortung dafür, Grundlagen zu schaffen, damit es weitergeht. Gott gibt dazu Impulse durch den Heiligen Geist. Wir sind seine Werkzeuge, die diese Verantwortung mittragen. Was geben wir weiter an unsere Nachkommen? Da sind wir als Eltern angesprochen. Es ist in der Gesellschaft eine Tendenz zu verzeichnen, den Erziehungsauftrag an andere, z. B. Kindergärten, Schulen abzugeben. Aber es ist doch ein schönes Vertrauen, das Gott in ein Elternpaar setzt, dass es die Kinder zu einem eigenverantwortliches Leben hinführen, es dafür stärken kann. Sie im Glauben erziehen wird. Die Lehrkräfte in der Kirche leisten Hilfestellung. Aber den Kindern beistehen, sie im Glauben begleiten, ihnen ein Vorbild sein, sie ermutigen und sie überzeugen, ist Sache der Eltern. Da gibt es keine Erfolgsgarantie. Aber man kann beten um die Weisheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Signale und Impulse geben und ein Vorbild sein.
An der Stelle sind nicht nur die Eltern gefragt. Die Amtsträger in einer Gemeinde haben eine spezielle Vorbildfunktion. Aber nicht nur die. Vielmehr haben die Jugendliche für die Kinder, Erwachsene für die Jugend und letztlich auch, nicht zu vergessen, die Senioren mit ihrer Erfahrung für alle jüngeren Altersgruppen. Schön, wenn man sich da wechselseitig in allen Lebenslagen Hilfestellung geben kann. Das überzeugt mehr als ein Zehn-Minuten-Vortrag.
Wenn sich wie jetzt für die Kuppinger Glaubensgeschwister der Versammlungsort ändert und sie zusammen mit den Herrenbergern eine neue Gemeinde bilden, dann gilt es auch, sich wechselseitig zu informieren, zu überzeugen, sich zu ermutigen. Sprechen wir untereinander über Jesus Christus, leben wir sein Evangelium. Grenzen wir uns auch ab, wenn es notwendig ist: Ich, als Christ, tue Manches nicht, was andere tun mögen. Es ermutigt, miteinander in Jesus` Liebe zu leben. Haben wir Augen für das Überzeugende: So macht das mein Bruder, meine Schwester, daran kann ich mich orientieren. Das ist gelebtes Evangelium.
Sich mit der kirchlichen Lehre in heutiger Zeit befassen. Wie oft tun wir das? Seit etwa einem Jahr gibt es erstmals für neuapostolische Christen einen Katechismus. Ich muss doch wissen, was sich weiterentwickelt hat. Inhalte kennen und dann auch überzeugen können: Ich glaube, dass Jesus seine Kirche lenkt und dazu seine Apostel geschickt hat.
Was nützt Selbstmitleid, weil man selbst vielleicht früher auf Dinge verzichten musste, die der Jugend heute offen sind. Es ist ermutigender, das Schöne im Heute zu sehen. Jetzt so leben, dass die Kirche Christi für die Kinder eine Zukunft bietet. Nicht bei dem stehen bleiben, was war. Es ändert sich nichts daran, dass Gott sein Werk vollenden will. Was für Signale setzen wir, damit der Glaube lebendig wird? Man kann auf einem großen weißen Blatt Papier nur den einen winzigen schwarzen Punkt sehen, nicht aber das große Weiße drum herum. Amtsträger machen Fehler? Nichts Sensationelles, es sind Menschen. Was geben wir an andere, unsere Kinder, Nachbarn u. a. weiter? Wenn uns „etwas aufstößt“, dann das direkt ansprechen, es aufklären und nicht etwa eine (falsche) Botschaft daraus herleiten. Wir haben die Aufgabe, sicherzustellen, dass wir die Botschaft Christi in uns tragen. Wie und was reden wir, welche Stimmung wird verbreitet, wenn wir nur das Negative sehen? Was nicht heißt, dass es keine Probleme gibt. Aber sich gegenseitig tragen, füreinander da sein in einer Gemeinde. Gemeinsam ans Ziel wollen in Freude und Sicherheit: Der Herr ist mit uns.
Der (Noch-)Gemeindevorsteher von Kuppingen, Priester Volker Reutter, wies darauf hin, dass das eigene Interesse auch die Wahrnehmung steuert. Man kann heute via Internet jede Sekunde mit neuen Nachrichten bedient werden. Sich trotzdem ein paar Minuten nehmen, um sich mit geistigen Dingen zu befassen. Als Amtsträger habe es ihm nie geschadet, sich an seinen Vorangängern auszurichten. Wenn wir das beachten, was die, die uns zum Segen dienen, uns ins Herz legen, gehen wir nicht fehl. Dabei ist die Bibel das Buch, das Bedeutung für die Zukunft hat, für die, die einmal in der Ewigkeit sein wird. An der wollen wir teilhaben.
(Wozu der Apostel später jemanden zitierte, der gesagt hatte, beim Lesen der Bibel schlafe er schneller ein als bei jedem anderen Buch…auch kein Problem, dann braucht es halt viele Tage und längere Zeit dazu.)
M. Schnaufer fasste noch einmal zusammen: Was vermitteln wir, welches Signal senden wir aus? Das gestaltet die Stimmung. Mut machen und haben, wenn es scheinbar keine Perspektive gibt. Jeder kann mal ziehen, jeder muss mal gezogen werden. Sich gegenseitig helfen, das macht es grandios im Kreis der Kinder Gottes.
Zur Feier des heiligen Abendmahls überleitend, appellierte der Apostel, das Vaterunser bewusst miteinander zu erleben. Wir machen Manches falsch, deshalb „Dein Wille geschehe!“. Wenn jeder den seinen auslebt, gibt es Chaos. Wir wissen, dass wir alle Sünder sind. „Vergib uns unsere Schuld.“ – Mir und meinem Bruder, was heißt, gemeinsam vor Gott zu treten. „Sich ermutigen lassen durch Jesus` Opfertod, dadurch `Rückenwind` bekommen, das können wir jetzt als Gemeinde gemeinsam erleben.“
Nach der Feier des heiligen Abendmahls zeigte sich die etwas andere Liturgie in diesem letzten Gottesdienst in einer Gemeinde. Priester Reutter wurde nach etwas mehr als drei Jahren Vorstehertätigkeit von dieser besonderen Aufgabe entlastet. „Das war nicht umsonst und wird seine Spuren hinterlassen,“ so der Apostel. Und, das Positive der Gemeindezusammenführung sehend: „Es wird in der `neuen` Gemeinde Herrenberg zwei Priester mehr geben.“
V. Reutter gab anschließend einen Einblick in die Chronik der Gemeinde Herrenberg-Kuppingen. Kleine Anfänge, eine aufblühende und aufgeblühte Gemeinde bis Ende der 1980er Jahre mit 80 Mitgliedern, davon 30 SängerInnen im gemischten Chor, 6 Priester, 5 Diakone. Danach verließen ausbildungsbedingt viele Jugendliche Kuppingen und fanden in anderen Gemeinden berufs- und familienbedingt eine neue Heimat, so dass in Kuppingen die Mitgliederzahl zurückging. Zuletzt verzogen aus solchen Gründen auch noch zwei Priester, einer nach China, der andere nach Meersburg.
M. Schnaufer, dessen erster und letzter Besuch in Kuppingen an diesem Abend stattfand, äußerte die Hoffnung, dass sich so etwas möglichst nicht in anderen Gemeinden wiederholen möge…Wieder ernsthaft würdigte er die 64 Jahre „Lebenslauf“ der Gemeinde Kuppingen. „Gott sieht alles, was war. Was geschehen ist, wirkt weiter. Macht gemeinsam etwas aus der neuen gemeinsamen Gemeinde in Herrenberg. Übernehmt miteinander dafür die Verantwortung. Ich wünsche dazu einen freudigen Start und dass ihr euch schnell gemeinsam wohlfühlt.“
„Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes entwidme ich dieses Kirchengebäude. Diese Stätte ist kein Gotteshaus mehr.“, erfüllte der Apostel seinen besonderen Auftrag an diesem Tag.
Noch einmal übernahm der jetzt ehemalige Gemeindevorsteher die Regie: Die neuen Mitglieder der Gemeinde Herrenberg hatten an ihrer alten Versammlungsstätte alles vorbereitet, damit im guten Miteinander all der Vielen, die zum letzten Gottesdienst nach Kuppingen gekommen waren, bei aller Besinnlichkeit ein fröhlicher, zuversichtlicher Ausklang stattfinden konnte. Generalstabsmäßiges Vorgehen wurde eingefordert. Es musste dazu umgeräumt und im Kirchenschiff Platz geschaffen werden. Und da in dem Fall alle gute Gabe nicht von oben kam, sondern aus dem Untergeschoss, sollte Vieles heraufgetragen werden, was vorbereitet worden war. „Aber, wir schaffen das!“, so zuversichtlich der ehemalige Gemeindevorsteher. Da lag man sicher nicht falsch, wenn man auch die Zuversicht bezüglich eines guten Beginnens und Gelingens des neuen Miteinanders im gar nicht so neuen Umfeld heraushörte (die Gemeinde Kuppingen ist aus der Gemeinde Herrenberg hervorgegangen).