„Näher noch näher, fest an dein Herz…“ Der Jugendgottesdienst im März 2014 im Bezirk Tübingen, der in der Kirche der schwäbischen Universitätsstadt stattfand, war ein besonderer.
Dem aufmerksamen Kirchenbesucher fielen auf dem Weg dorthin die vielen Autos mit „fremdländischen“ Kennzeichen auf: BB, nicht ganz ungewöhnlich, die Gäugemeinden gehören zum Bezirk Tübingen, aber CW, VS und RW? Es gab eine einfache Erklärung: Bischof Georg Kaltschmitt freute sich zu Beginn des Gottesdienstes, nicht nur „seine“ Tübinger, sondern auch die Nagolder und Villingen-Schwenninger Jugendlichen begrüßen zu können. Letztere aus dem Bischofsbereich Freiburg kommend und zum Teil Badener, die sich nach Schwaben gewagt hatten. Jetzt alle vereint im noch relativ neuen Apostelbereich Freiburg/Tübingen. Zur Freude des Bischofs, wie er es zu Beginn aussprach. Eine neue Freundschaft könne beginnen. Und etwas Neues ist immer schön, so ein bisschen „Schmetterlinge-im-Bauch-Gefühl“, wie G. Kaltschmitt formulierte. Er griff das zu Beginn von einem großen Chor gesungene, eingangs zitierte Lied auf. (Chorbuch Nr. 117, Text und Melodie nach Leila Morris, 1862 – 1929). „Gott ein Stück näher kommen. Zu spüren, er ist da. Er hat mich lieb. Und das Gefühl aus dem Gottesdienst mitnehmen in den Alltag.“, ermunterte der Bischof. „Er will mit uns reden. Und er ist keineswegs `ein alter Mann`. Wie alt? Noch nicht einmal 14 Jahre.“ Das ließ die Zuhörer kurz stutzen, aber der Bischof wusste das vermeintliche Rätsel zu lösen: „Für Gott gibt es keine Zeit. Er war schon immer und bleibt es. Er ist sich immer gleich.“
„So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.“ (Eph 5,15 u.16)
So lautete der zu Beginn des Gottes verlesene Auszug aus dem Brief des Paulus an die Epheser. „Irgendwie altmodisch, `weise`, assoziiert man mit alten Leuten und klingt nicht gerade progressiv. `Böse Zeit` - ist doch keine Zeit besser als die heutige? Und weise, verständig sein, da sieht man doch gleich den erhobenen Zeigefinger?“ hinterfragte der Bischof den Bibeltext – um gleich danach die Antwort zu geben: Nein, so ist das nicht zu bewerten. Vielmehr: Achte auf deinen Lebensstil. Sei klug und pass auf. Es gibt gerade heutzutage eine besondere Gefahr für deine Seele. Daher versuche immer wieder zu verstehen, was der allmächtige Gott dir sagen will. Sorgfältig darauf achten, wie man sein Leben führt. Klar, der Mensch möchte unbeschwert sein. Aber, sei nicht leichtsinnig. Nutze das Heute. Carpe diem. Du weißt nicht, wie lange du Zeit hast. Klar, in der Jugend ist der Tod weit weg. Aber – Jesus könnte heute noch kommen.
Weise sein, als Jugendlicher? Der Bischof wusste biblische Beispiele: Abraham, der sich mit seinem Neffen nicht um Materielles stritt. Willst du zur Rechten, geh ich zur Linken und umgekehrt. Gab er ein schwaches Bild ab? Nein, er bewahrte so ein höherwertiges Gut, den Frieden. Das Gegenbeispiel: Esau, der schlicht Hunger hatte und dem Vorrang gab, sehr praktisch gedacht. Und für ein Linsengericht Größeres, sein Erstgeburtsrecht verspielte. Der reiche Kornbauer im Neuen Testament, der meinte, mit menschlich Wertvollem alles erreicht zu haben und nichts hatte, was von ewigem Wert ist. „Weise handeln, heißt, genau das zu tun, was sich am Ende als das Richtige herausstellt.“
Mag gelegentlich von außen betrachtet „schön blöd aussehen“ – morgens am (freien) Sonntag aufstehen und in die Kirche gehen oder sogar fahren, wie z. B. sogar von ziemlich weither die Villingen-Schwenninger zum Gottesdienst heute. Wir tun das für die Zukunft und haben in der Gegenwart schon die Freude und den Spaß in der Gemeinschaft, so G. Kaltschmitt.
Verständig sein – der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das abschätzen kann, wie sich sein heutiges Tun in der Zukunft auswirken kann. Aber da gibt es auch noch Übermut und Leichtsinn. Die verleiten, wegen kurzfristiger Genugtuung Dinge zu tun, die ad hoc ein Hochgefühl auslösen, aber schädlich sind für die Zukunft. Ganz profan – als Schüler die Freizeitvergnügen pflegen, aber irgendwann kommen das Zeugnis, die Prüfung und dann? Und im Geistigen – verständig sein heißt, darauf zu achten, was Gottes Wille ist. Es gibt keine andere Möglichkeit. Bedeutet, im Gottesdienst in der Predigt Gottes spezielle Botschaft für mich zu erkennen.
„Es ist die Stärke der Jugend, unbeschwert sein zu können. Sorgen als nicht so furchtbar tragisch anzusehen. Aber klug genug zu sein, das Größte und Wichtigste nicht zu übersehen. Stichwort: Ich bin doch nicht blöd! Der Herr Jesus kommt doch. Weiß ich doch. Amen.“
Bezirksevangelist Hartmut Knecht, Bezirk Nagold, wurde vom Bischof „als noch recht Jugendlicher“ vorgestellt. Für diese aus seiner Sicht schmeichelhafte Anmerkung bedankte er sich erst einmal. Bei dem Bibelwort fühlte er sich in frühere Zeiten zurückversetzt, in denen seine Mutter aus der Mahnung von Paulus abgeleitet hätte, ihr Sohn solle mal sein Zimmer aufräumen, sich rasieren und überhaupt, so wie er könne man nicht herumlaufen…Eine gewagte These – weise zu sein als Jugendlicher. Man kann sich aber in jeder Lebenslage dem Herrn zuwenden. Das ist Weisheit. Was man in der Jugend so gemacht hat, war nicht immer so ganz toll. Hat aber Spaß gemacht. Über die Erfahrung kann man trotz allem froh sein, denn Manches geht in späteren Jahren nicht mehr so einfach. Andererseits – Alter schützt vor Torheit nicht. Entscheidend ist es, sich in jedem Alter dem Herrn zuzuwenden. Und dass dabei etwas Ordentliches herauskommt, das sieht man oft erst im Nachhinein. Bei Salomon heißt es: Der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn. Das bedeutet, Jesus zu erkennen, sich ihm zuzuwenden und so den Lebensweg mit Freude und zunehmender Weisheit gehen!
Den Bezirk Tübingen vertrat anschließend Priester Arndt Bayer aus der Gemeinde Rottenburg. Er mahnte: Der Lebensstil ist das Thema, achte darauf. Da fällt einem der Lifestyle ein, brennend aktuell. Bin ich cool, individuell? Jesus mit in sein Leben zu nehmen heißt nicht, ein Langweiler, eine graue Maus zu sein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Natürlich sollst du Spaß haben und dein Leben gestalten. Aber – geh strategisch vor. Beispiel – Fußball. Da wird erst mal alles Mögliche trainiert, bevor es überhaupt um einen Ball geht, bis der wirklich ins Spiel kommt. Und, was A. Bayer als Cellospieler ganz vertraut ist – ein Instrument zu spielen lernen. Was für ein Weg. Mit großer Musik hat der wenig zu tun. Griffe üben, Tonleitern…Letzteres war A. Bayer besonders im Gedächtnis haften verblieben, denn um das Elend des Übens zu veranschaulichen, gab es zwischen seinem Textbeitrag auch immer wieder mal eine Tonleiter vor- und zurückgesungen. Sein Metier, denn er ist auch Leiter des Bezirksjugendchors. Der Priester hatte vor dem Gottesdienst noch rasch eine – verkürzte – Übungsstunde mit den Jugendlichen gehabt. Sie anfeuernd, das Gesungene eben seien so fast 100 % dessen gewesen, was man von einem Gemeindechor erwarten könne. Für einen Jugendchor dagegen…Dem späteren Gesang der Jugendlichen im Gottesdienst war die Wirkung der Worte ihres Dirigenten sehr wohl anzumerken.
Arndt Bayer zum Schluss seines Beitrags zum Gottesdienst: „Vom Ziel her denken. Das lautet, auf ewig bei Gott sein zu können. Und der Weg dahin kann ein spannendes und mit göttlicher Weisheit geführtes Leben sein.“
Bezirksevangelist Hans-Dieter Zöpfel, Bezirk Villingen-Schwenningen, ging auf das Beispiel Sport ein. Der Wettkampf selbst ist noch das Wenigste an Zeitaufwand. Aber Genialität kommt durch Übung. Die größte Masse an Energie wird dort verbraucht. Das geht nur, weil es auch ein Ziel gibt, für das es sich lohnt, auch noch das Letzte einzusetzen. „Habe heute schon am Anfang das Ende im Sinn. Jesus Christus ist der Fixstern, die Sonne, die Energie, Wärme gibt.“ Das „Führungsinstrument“ tragen wir mit dem Heiligen Geist in uns. Sich fragen in manchen Situationen, wie würde sich jetzt Jesus, mein „großer Bruder“ verhalten. Welches Wesen hat er in seiner Erdenzeit an den Tag gelegt? So werden wir das Ziel der ewigen Gemeinschaft mit Gott erreichen können.
Der Bischof sah es auch noch mal „sportlich“: Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft, zur Olympiade gibt es viele Ausscheidungswettkämpfe, die Spaß machen. Man ist im Kader beisammen, es ist nicht alles nur Quälerei, sondern auch viel Erfüllung, Spannendes und Freude. Schöne Etappen, so wie für ihn, G. Kaltschmitt, der heutige Tag. Wenn wir uns für Gott entscheiden, erleben wir ihn auch in der Sündenvergebung mit Gnade und Heil. Wenn es heißt, dir sind deine Sünden vergeben, wäre es unklug, an anderes zu denken.
Vielmehr das Heil ergreifen. Dafür ist Jesus gestorben, das ist die göttliche Kraft in der Gegenwart für die Zukunft.
„Schirme und schütze mich, Heiland der Welt…“ heißt es weiter im eingangs zitierten Lied. Das griff der Bischof dem Sinn nach auf. „Alles Gute für die kommende Zeit. Geht mit dem Bewusstsein, dass, wenn ihr euch etwas wünscht, Ihr es auch bekommen sollt!“
Er brachte danach nicht nur seine Freude über das Zusammensein im Gottesdienst zum Ausdruck. Vielmehr auch die darüber, dass damit noch nicht alles sein Ende hatte. Geplant waren noch Speis und Trank im Tübinger „Gemeindehaus“, dem Gartengeschoss. Keiner müsse darben, es sei alles gerichtet und mitgebracht worden, das habe man beim Weg vorbei am Buffet fast mit allen Sinnen wahrnehmen können. „Habt Freude, auch mal Unbekannte anzuquatschen. Mit einem Gläsle in der Hand kann man viel besser miteinander reden, als wir es jetzt bei einer Verabschiedung am Altar könnten, die lassen wir heute weg.“ Und in Anbetracht der Tatsache, dass ein Hoch dem Südwesten Deutschlands allmählich näher rückte, dürfte sich der Wunsch des Bischofs erfüllt haben, auch noch Terrasse und Garten der Kirche nutzen zu können.