„Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes…“ (Chorbuch Nr. 400, Text Röm 8, 35, 38, 39) hatte zu Beginn ein großer gemischter Chor gesungen.
Er bestand aus SängerInnen der 11 Gemeinden (alle des Kirchenbezirks mit Ausnahme Tübingen und Pfrondorf), deren Mitglieder zum Gottesdienst in Herrenberg eingeladen waren. Die Chorleitung hatte, sich abwechselnd, das bewährte weiblich/männliche Dirigenten-Duo aus Nufringen geteilt.
Und auch das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben – schon am frühen Sonntagmorgen erfreute ein Glaubensbruder aus einer der Gäugemeinden, lebhaft spielend und gelegentlich mit vollem Körpereinsatz den Eindruck vermittelnd, da können nicht nur zwei Hände und zwei Füße am Werk sein, die Gottesdienstbesucher mit Orgelmusik.
M. Schnaufer griff den Text des eingangs zitierten Chorlieds auf, der dem Brief des Apostels Paulus an die Römer entnommen ist: Die Liebe Gottes gibt uns Sicherheit und Stärke im Alltag. Wir sind nicht irgendwelchen Zufällen ausgeliefert, die über Leben und Tod entscheiden. Man könnte alle menschliche Kraft auch Zielen widmen, die in sich zusammenfallen. Aber von Gottes Liebe scheidet uns nichts, wenn wir es nicht wollen. Höhen im Leben sind gefährlich, weil sie dazu verleiten könnten, Gottes Liebe nicht nötig zu haben. Tiefen könnten an ihr zweifeln lassen. Zwar hat jeder sein Päckchen zu tragen. Aber jeder soll für sich verinnerlichen, dass uns niemand von Gottes Liebe scheiden kann und das in den Alltag mitnehmen. Nach einem besonderen Dank an Chor und Dirigenten für dieses Lied ging M. Schnaufer auf das zu Beginn verlesene Bibelwort ein:
Jesus aber sprach zu ihm: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lk 9,62)
Dieser Text aus dem Evangelium ist dem Kapitel entnommen, das überschrieben ist: Vom Ernst der Nachfolge. Wer zurücksieht, setzt seine Energie an der falschen Stelle ein. Wem es mit der Nachfolge ernst ist, der lässt sich nicht durch Dieses und Jenes, was ihm bisher wichtig erschien, aufhalten. Vielmehr macht Jesus klar, wo die Prioritäten liegen: Beim Aufbrechen in eine andere Zukunft. Um beim Bild des Pflügens zu bleiben – wer dabei zurückschaut, kann keine gerade Furche ziehen. Gott hat den Pflug, die Gestaltung des eigenen Lebens, in unsere Hand gegeben. Verbunden mit der Zusage, uns mit seinem Segen beizustehen. Aber er nimmt uns unsere Aufgabe, die Verantwortung für unser Glaubensleben, nicht ab. Es gilt, die in richtiger Art und Weise wahrzunehmen, damit Jesus` Opfertod bewirken kann, wofür er bestimmt ist: Dass sich in uns eine neue Kreatur entwickelt und wir in einem Augenblick verwandelt werden.
Wenn man auf die eigene „Furche“ zurückblickt, eigene Fehler sieht, dann heißt es, daraus zu lernen und auch im Vergangenen Gottes Hilfe zu sehen. Mit dem Bild der Furche zeigt Jesus auf, dass es keinen Sinn macht, sich von dem Gewesenen vereinnahmen zu lassen. Erlittenes Unrecht und andere negative Erfahrungen keine Oberhand gewinnen lassen, denn das könnte sonst auf Dauer die Freude nehmen. Andererseits, glorifiziert man das Vergangene, besteht die Gefahr, die Chancen in der Gegenwart nicht wahrzunehmen. Unsere „Furche“ haben wir nicht zufällig bekommen. Unser Leben heute ist maßgeblich für das morgen. Niemand ist „zufällig“ in seiner Gemeinde. Als Team dort die Aufgabe angehen, so, dass jede/r sich in ihr wohlfühlen kann. Diese Arbeit nimmt Gott uns nicht ab. Es gilt, nach vorn zu schauen und dabei mit Mut und Zuversicht an die Zukunft zu denken. Auf Gottes Liebe setzen, der enge Gemeinschaft mit uns haben will. Jesus als unser Seelenbräutigam ist unser A und O, das darf nicht aus den Augen verloren werden. Sicher sieht man auch nach rechts und links. Der Psalmist sagt, fast wäre er gestrauchelt, als er sah, wie gut es den Gottlosen ging. Man könnte bei Vergleichen mit anderen oft denken, meine Spur ist die langsamste. Lassen wir uns nicht verunsichern und entmutigen, nur weil andere es scheinbar leichter haben. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick aussehen mag. Wir können den Kampf des anderen nicht kennen. Lassen wir uns durch das Rechts und Links nicht vom Ziel der ewigen Gemeinschaft ablenken, was nur dem Teufel gefiele. Stammapostel Jean-Luc Schneider hat darauf hingewiesen, dass Amtsträger wunderbare Werkzeuge Gottes sein können. Darüber könnte man außer Acht lassen, dass auch sie ihren persönlichen „Pflug“ haben und ihre „Furche“ ziehen müssen.
„Vergessen wir nicht“, schloss M. Schnaufer, aus einem Gesangbuchvers (Nr. 397, Text Friedrich Hiller, 1699 – 1769) zitierend, der zu Beginn des Gottesdienstes gesungen worden war: ` Ich will streben, nach dem Leben, wo ich selig bin…`. Diese Sicherheit möge uns bis an das Ziel unseres Glaubens weiterbegleiten.“
Evangelist Lothar Dopf, Gemeindevorstehender in Rottenburg, ging in seinem lebhaften, gelegentlich auch mundartgeprägten – schließlich sind wir in Württemberg – Beitrag zum Gottesdienst noch einmal, wie M. Schnaufer es auch zuvor schon getan hatte, auf das Bild ein, in dem Gottes Liebe mit dem Fixstern am Himmel, der Sonne, gleichgesetzt wird. „Den Herrn noch mehr lieben, uns dabei nicht selbst im Weg stehen, denn, wenn wir uns von ihm abwenden, kann es nur finster um uns her werden.“, appellierte er eindrücklich, auf einen Gesangbuchvers (Nr. 242, Text J. A. Reitz, 1838 -1899) anspielend. Warum wird gepflügt? Es geht um die Zukunft, um Saat und Ernte. Und wenn letztere in einem Jahr mal nicht so gut ausfällt, aufs nächste schauen, nicht beim Misserfolg stehen bleiben. Auf der Alb gibt es sehr viele Äcker voller Steine. Darüber kann man sich aufregen oder – sie beiseite schaffen. Das als Beispiel für das Leben in einer Gemeinde nehmen, das bewirkt Freude und Seligkeit.
Frank Bitzer, Gemeindevorsteher in Öschelbronn, griff auf, dass es wichtig ist, selbst Hand anzulegen. Eigenverantwortung für den Glauben zu übernehmen. Das ist die von Gott gestellte Aufgabe. Es gehört nun einmal zum Menschen, dass er auch zurückschaut. Sich dabei fragt, was für Spuren hinterlasse ich eigentlich? Auch, was die Arbeit in der eigenen Gemeinde anbetrifft. Und dann, wo es notwendig ist, auch mal etwas korrigieren. Und dabei die eigene Hand in die Gottes legen, dann sind wir immer auf dem richtigen Weg.
Bezirksevangelist Ulrich Güttler hatte sich Gedanken über den Ackerbau gemacht. Er habe noch nie einen Pflug in der Hand gehabt und überlegt, welche Probleme sich bei dieser Landarbeit stellen würden. Da geht es um Orientierung – im Geistigen hat sie uns Jesus gegeben. Der Pflug wird von einem Pferd gezogen – was zieht mich? Im Geistigen die Liebe Gottes. Die kenne ich, die „zieht“ mich durch mein Leben. Da mag es den einen oder anderen Schlenker geben, aber wenn die Orientierung stimmt, dann kann uns nichts von Gottes Liebe scheiden. „Dazu wünsche ich viel Segen.“
„Jetzt kommt das strahlende Opfer Jesu,“ leitete M. Schnaufer zur Feier des heiligen Abendmahls über. Bleiben wir nicht in negativen Erfahrungen stecken. Seien wir versöhnungsbereit. In diesem Sakrament liegt so viel göttliche Zukunft, zitierte der Apostel einen der früheren Stammapostel, Richard Fehr. Mit der Vergangenheit aufräumen und Kraft für die Zukunft holen, darum geht es, so M. Schnaufer.
Es folgte noch die Verabschiedung von Priester Manfred Keck, Öschelbronn, in den Ruhestand. Dort war er die letzten Jahre als Amtsträger tätig gewesen. Begonnen hatte er 1974 als Unterdiakon und noch im Alter von 62 Jahren war er zum Priester ordiniert worden. Jederzeit gesprächsbereit, mit offenem Ohr und ebensolchem Herzen auf andere zugehend, so hatte ihn sein Gemeindevorsteher charakterisiert und geschätzt. Das, da war sich der Apostel ganz sicher, wird der Gemeinde auch erhalten bleiben, wenn der Priester im Ruhestand nicht mehr in der „ersten Reihe“ steht. Was lag da näher, als nicht nur den Dank fürs Vergangene, sondern auch den Wunsch eines aktiven Ruhestands auszusprechen.
U. Güttler hatte es in seinem Beitrag zum Gottesdienst schon erwähnt – Herrenberg ist die erste Gemeinde, in die der Apostel nun schon zum zweiten Mal gekommen ist. Und der sprach aus, was alle hofften: Er freue sich jetzt schon auf das dritte Mal…
Das letzte Wort hatte der Chor. Das nutzte er beeindruckend mit seinem Schlusslied:
„Ich glaube an den Vater, den Schöpfer dieser Welt, der uns mit seiner Liebe in seinen Händen hält…“
(Chorbuch Nr. 181, Text und Musik Markus Pytlik, geb. 1966)