Von menschlicher Schwäche und göttlicher Gnade… Am dritten Adventssonntag gab es ein weiteres Highlight im Jubiläumsjahr der Gemeinde Rottenburg (sie kann im Jahr 2013 auf 60 Jahre seit ihrer Gründung zurückblicken): Bischof Georg Kaltschmitt leitete den Gottesdienst.
Nach Rottenburg eingeladen waren auch die Glaubensgeschwister aus den Gemeinden Ammerbuch-Pfäffingen und Bondorf. Weihnachtliche Lieder, gespielt von einer großen Instrumentalgruppe, sorgten schon vor dem Gottesdienst dafür, Herz und Seele einzustimmen auf die frohe Erwartung des Fests von Christi Geburt. Und dabei Alltagsstress und -trubel der Vorweihnachtszeit in den Hintergrund treten zu lassen. Das war auch ein Anliegen des Bischofs, der im Eingangsgebet wünschte, dass in Gottes Haus an diesem Morgen jeder das Empfinden für dessen Zuwendung haben möge: „Sei in unserer Mitte!“, so G. Kaltschmitt.
„Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Kor 12,9)
Das war der Text aus dem Neuen Testament, um den es im Gottesdienst ging. Aber zunächst sprach G. Kaltschmitt die Adventszeit an. Eine Zeit, in der nicht nur daran erinnert wird, dass damals vor 2000 Jahren Jesus geboren wurde, sondern auch darum, dass er wiederkommen wird. Daher gilt es aufzupassen, damit im hektischen Getriebe der Vorweihnachtszeit nicht aus der Besinnung Besinnungslosigkeit wird. Vielmehr sich auch mal eine stille Stunde nehmen. Sich fragen, warum beschenken wir uns gegenseitig an Weihnachten. Doch weil das Fest in Erinnerung daran gefeiert wird, dass Gott den Menschen ein Geschenk gemacht hat, er in seinem Sohn selbst zum Menschen geworden ist. Das ist etwas, das nur mit dem Glauben zu erfassen ist. Es ist göttliche Gnade, derer gläubige Christen an Weihnachten gedenken.
Damit hatte G. Kaltschmitt zum Brief des Paulus an die Korinther übergeleitet. Dort wird auch die Gnade in den Mittelpunkt gestellt. Der Bischof schilderte den Hintergrund der Textstelle: Paulus hatte ein körperliches Leiden, Genaueres ist nicht bekannt, und trotz aller Bitten darum, Gott schuf keine Abhilfe. Er verwies auf seine Gnade, in dem Schwachen wolle er mächtig sein. Schon im Alten Testament hat Gott die menschliche Schwäche nicht beseitigt, aber er konnte machen, dass sich trotzdem alles zum Guten wendete: Die Posaunen von Jericho, die Mauern einstürzen ließen. Die Menschen selbst bekamen keine übernatürlichen Kräfte von Gott gegeben, um Wände zu Fall bringen zu können. Lass dir an meiner Gnade genügen: Dass wir menschliches Leben haben dürfen, Gott kennen gelernt haben, glauben können, Vergebung der Sünde erleben, alles Gnade, mit der er uns die Möglichkeit eröffnet, auf ewig bei ihm sein zu können. Dass wir eine Familie und Arbeit haben – Gnade. Vielen anderen Menschen, die oft bessere sind als wir, geht es schlechter als uns.
Die andere Seite ist, die eigene Schwachheit zu erkennen. Wie oft misslingt etwas. Und doch sagt Gottes Gnade, komm zu mir. Ärger, Neid, Streit entstehen, wenn Anspruchsdenken dazu verleitet, zu meinen, man habe eigentlich etwas Besseres verdient. Davor bewahrt einen das Bewusstsein, dass alles auf Gottes Gnade beruht. Dann gibt es weder Streit noch Unzufriedenheit, vielmehr Dankbarkeit. Dann kommt das Bedürfnis auf, Verbindung zu Gott zu haben. Der Mensch hat noch nicht einmal Gewissheit darüber, was in den nächsten fünf Minuten geschehen wird. Schon der Psalmist wusste, dass Gottes Gedanken viel höher sind als die der Menschen. Die sind gut beraten, sich unter des Herrn Schutz zu begeben. Kirchenpräsident Neuapostolische Kirche International und Stammapostel Jean-Luc Schneider bezieht die Schwäche darüber hinaus sogar auf seine Kirche, die auch in vielen Dingen schwach sein kann: Gemeinden werden zusammengelegt, es mangelt hier und dort an Amtsträgern, aber das hindert Gott nicht daran, seine Vollendungsarbeit zu machen. Auf das sehen, was da ist: Es finden Gottesdienste mit Sündenvergebung statt. Man ist nicht allein, denn es gibt Glaubensbrüder und -schwestern. Und ich bin dabei, nicht wegen meiner tollen Leistungen, sondern aus Gnade. J.-L. Schneider dazu: „Ich wünsche mir eine Gemeinde, in der alle sagen, ich bin hier aus Gottes Gnaden wie meine Glaubensgeschwister auch.“ Dann haben wir Freude, dann ist in der Schwachheit die Kraft Gottes mächtig. Es mag der Gedanke kommen, die Kirche sollte im gesellschaftlichen Leben stärker in Erscheinung treten. Aber das ist nicht ihre Aufgabe. Es geht nicht um Einflussnahme im Irdischen, sondern um Vollendungsarbeit, auch in und trotz Schwachheit, auch der ihrer Amtsträger. Was nicht heißt, jede/r kann so bleiben wie er ist. Gott will schon unser Bemühen sehen, vollkommener zu werden. Der Apostel Paulus seinerzeit behielt seine Schwäche, aber er konnte am Ende sagen, er habe den guten Kampf des Glaubens gekämpft. Und Gott wird am Ende durch seine Macht die, die sich wie der Apostel damals ausgerichtet haben, auch in die enge Gemeinschaft mit dem Herrn führen. „Lasst uns alles daran setzen, dass Gott uns am Ende seine Gnade geben kann!“
Lothar Dopf, Gemeindevorsteher in Rottenburg, erinnerte an David und Goliath. Alle „Prachtkerle“, die Davids Vater als Söhne hatte, wurden vor dem Propheten, der einen davon zum König salben sollte, aufgestellt. David, der Kleinste, zunächst nicht. Er musste erst vom Feld draußen geholt werden. Aber er war ausersehen, weil er die richtige Herzenseinstellung hatte. So konnte er auch dem Riesen gegenübertreten, der mit Schild und Schwert kam, aber gegen den „Kleinen“, der im Namen des Herrn kam, wie David formulierte, nichts ausrichten konnte. G. Kaltschmitt ging darauf ein: „Gott hätte David physisch zum Superman machen können, ihn äußerlich aufpeppen. So hatte David vor dem Kampf auch versucht, sich mit Schwert und Rüstung kampfstark zu machen, aber damit konnte er sich nicht bewegen. Also blieb er der, der er war und vertraute auf Gott. Und siegte mit etwas total Lächerlichen, Kieselstein und Schleuder. Auch wenn wir uns verletzt fühlen, denken, wie soll ich da noch selig werden – daran glauben, Gott ist in dir mächtig.
Ulrich Güttler, stellvertretender Leiter des Bezirks Tübingen, erinnerte an die Begebenheit im Tempel: Pharisäer und Zöllner treffen aufeinander. Der eine überheblich, der andere einsichtig: „Herr, sei mir armen Sünder gnädig!“ U. Güttler zitierte weiter aus dem Brief des Paulus (2. Kor 12, 9): „Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.“ Gnade ist die Kraft, die uns überhaupt existieren lässt. Die bewirkt, dass wir uns überhaupt gegen das Böse wehren können. Sicher ist es schön, wenn Gott in seiner Güte auf unsere Wünsche eingeht. Aber wir müssen es auch akzeptieren können, wenn er es nicht tut.
Zur Vorbereitung der Feier des heiligen Abendmahls griff G. Kaltschmitt einen Gedanken des im Jahr 2013 verstorbenen früheren Kirchenpräsidenten und Stammapostels Richard Fehr auf. „Gnade ist alles und ohne Gnade ist alles nichts.“ Gnade ist nicht nur Vergebung der Sünden, sondern alles. Und ohne, dass der Mensch je einen Anspruch darauf haben könnte. Aber bitten kann er, dass Gott ihm gnädig sein möge. Dem Schöpfer dafür dankbar sein. Und es sich an Gottes Gnade genügen lassen.
Der gemischte Chor kam unter der gewohnt souveränen Leitung von Arndt Bayer, der immer ein passendes Lied zur musikalischen Umrahmung des Gottesdienstes auszuwählen wusste, zum Schluss noch einmal auf die Advents- und Weihnachtszeit zurück. „Tochter Zion, freue dich“…erklang es jauchzend und frohlockend nicht nur zur Freude des Bischofs, der, wie er sagte, u. a. dieses Lied auf seinem persönlichen „Wunschzettel“ für den Gesang im Gottesdienst gehabt hatte.
Auch hier sei kurz hier angesprochen, was G. Kaltschmitt nach dem Gottesdienst ein Anliegen war: Im Jahr 2014 findet der Internationale Kirchentag in München statt. Die Vorbereitungen zu diesem Highlight laufen seit Langem und auf Hochtouren. Im Olympiastadion, in dem der Schlussgottesdienst am Pfingstsonntag stattfinden wird, haben 60.000 Besucher Platz. Schade, wenn auch nur einer leer bliebe. Noch sind Karten zu haben und als Weihnachtsgeschenk sind sie auch gut geeignet…