„Kommet her…“ Bischof Georg Kaltschmitt knüpfte an das zu Beginn des Gottesdienstes gesungene Lied des gemischten Chors an (Neuap. Chorliederbuch Nr. 4, Text Mt. 11, 28 – 30): Hinter dieser Aussage, kommet her, stehen Jesu Worte.
Wir können – physisch – da sein und sind es doch nicht wirklich. Ein Hinweis auf den kommenden Sonntag, an dem zum letzten Mal in diesem Jahr neuapostolische Christen im Gottesdienst fürbittend derer besonders gedenken, die schon in die Ewigkeit gegangen sind: Den inneren Widerstand, eine mögliche Distanz aufgeben und Jesus` Nähe wahrnehmen wollen, das gilt für die Lebenden wie auch für die Seelen im Jenseits. „Das aber geht nicht, wenn man nicht frei ist.“ Damit leitete der Bischof zum eingangs verlesenen Bibelwort über:
„Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ (Joh 8,36)
Freiheit – das höchste Gut, so wird sie durch die Jahrhunderte hindurch gepriesen. Eben deshalb, weil es sie während langer Zeiten für den „gemeinen“ Menschen nicht gab. Es musste sich Vieles ändern, bis auch der sie nicht nur im Geist – die Gedanken sind frei – erleben durfte, sondern sie als ein garantiertes Recht für jeden tatsächlich hatte. Was wurde nicht riskiert, um frei zu sein, diese Sehnsucht befriedigen zu können. An ein Chanson anknüpfend, in dem von der grenzenlosen Freiheit über den Wolken die Rede ist, sagte der Bischof, im übertragenen Sinne sei das sicher zutreffend: Wenn wir uns in der Freiheit des Geistes über die Wolken des Irdischen erheben können. Die Schlange damals im Paradies versprach grenzenlose Freiheit: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Das Gegenteil bewirkte der Sündenfall. Von der dadurch entstandenen Unfreiheit kann nur Jesus befreien durch seine Gnade, die Vergebung der Sünden. Sie bringt das Vergangene in Ordnung. Das aber reicht nicht für die ewige Freiheit. Ein notorischer Lügner wird durch Gnade nicht frei von seinem Zwang, die Unwahrheit zu sagen. Ein Kleptomane kann so nicht von seinem Hang, fremdes Eigentum nicht zu respektieren, befreit werden. Es gibt auch Beispiele in der Bibel: Kain, von Gott gewarnt, die Sünde liege vor seiner Tür, war trotzdem gebunden in Neid, Wut und Zorn auf den Bruder und tötete ihn. Der Reiche Jüngling, der sich nicht vom Erfolg, von irdischem Eigentum trennen konnte. Im Gleichnis Jesus` der Pharisäer, der in Selbstgefälligkeit gefangen war. Wir heute – der Beruf, die Ausbildung, sie fordern viel und sollen uns trotzdem nicht gänzlich vereinnahmen. Nur sich selbst sehen können, nichts als die eigene Meinung hochhalten – nein, vielmehr sich durch Jesus den Blick öffnen lassen: „Pass mal auf!“. Jesus´ Gnade allein reicht aber nicht, wenn der Mensch noch gebunden ist. Gott kann durch sein Wort deutlich machen, was nicht in Ordnung ist und geändert werden muss. „…und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh 8,32) zitierte der Bischof.
Und dazu kommt das heilige Abendmahl, das die Kraft gibt für die Freiheit der Seele. Die Hostie als der Leib und das Blut Jesus`. Da ist göttliches Leben enthalten, das uns überwinden lässt. Und im Hinblick auf den kommenden Sonntag gilt: Auch denen, die schon in der Ewigkeit sind, sollen als Stufen zur Freiheit das Wort und die Spende der Sakramente dienen. Das macht wirklich frei, der Aufruf möge in die jenseitige Welt gehen. „Unsere Gebete in den kommenden Tagen sollen darum gehen, dass erkannt werden kann, nur in Jesus ist die wahre Freiheit zu finden. Irdisches Leben und Tod spielen keine Rolle: Die Seele ist unsterblich und der gelten alle Bemühungen unseres Gottes.
Walter Huber, Gemeindevorsteher von Pfrondorf, knüpfte an das vom gemischten Chor gesungene Lied an: „Das ist die höchste Freiheit mir, gebunden sein in deinem Sinn.“ (Neuap. Chorliederbuch Nr. 53, Text W. T. Madson). Das scheint sich gegenseitig auszuschließen. Aber Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Drücken wir uns nicht davor. Unsere Aufgabe ist, Lösungen zu finden und nicht uns in Schuldzuweisungen zu ergehen. Wir sind aufgerufen zur Freiheit in Jesus.
Arndt Bayer, Priester in der Gemeinde Rottenburg, waren die scheinbaren Widersprüche aufgefallen, die Textdichter in den vom Chor gesungenen Liedern formuliert hatten: Das sanfte Joch, Feinde lieben, Freiheit im Gebundensein: Darüber nachdenken. Wir Menschen haben es verlernt, unsere Augen auf etwas ruhen zu lassen. Wie schnell wird vorverurteilt. Auch den Blick auf sich selbst werfen, nicht selbstgefällig und selbstgerecht andere bewerten. „Nimm dir die Zeit, dich mit Gott zu beschäftigen, dann wirst du viel mehr erkennen.“
Bezirksvorsteher Klaus von Bank ging auf die in unseren Breiten selbstverständlichen gesetzlich garantierten Freiheitsrechte ein. Äußerlich ist das so. Das verhindert aber keine innere Unfreiheit. Die „bescheren“ wir uns selbst durch Neid, Hass, Selbstgerechtigkeit, indem wir das Herz an etwas hängen, das es nicht wert ist. Freiheit ist nicht gleichzusetzen mit grenzenlosem Reichtum und völliger Unabhängigkeit. Wer so denkt, wird einsam und das will niemand. Man sucht die Bindung an andere, einen Ehepartner, weil sie einem gut tut. Wünschen wir den Seelen in der jenseitigen Welt, dass sie die wirkliche Freiheit erkennen.
Bischof Kaltschmitt griff das noch einmal auf. Liebe und Freiheit haben viel miteinander zu tun. Liebe und Fürbitte sind der Schlüssel zur Freiheit. G. Kaltschmitt wünschte, dass sich durch des Wortes Wahrheit im Gottesdienst in der Seele etwas eingestellt haben möge, was Freiheit empfinden lässt. Der Wille Gottes ist es, allen Menschen zu helfen, das soll bleiben von diesem Sonntagmorgen und jeder für sich mitnehmen können.
Am Gottesdienst, der vom gemischten Chor und von einer (rein weiblichen) Instrumentalgruppe musikalisch umrahmt wurde, nahmen in einer liebevoll innen und außen in bunten Herbstfarben dekorierten Kirche viele Gemeindevorsteher des Kirchenbezirks Tübingen und auch die Mitglieder der Gemeinde Mötzingen teil. Und wer das Glück gehabt hatte, aus östlicher Richtung nach Jettingen anzureisen, der durfte bei der Heimfahrt im strahlenden Sonnenglanz des letzten goldenen Oktobersonntags des Jahrs 2013 einen wunderschönen Blick auf die Silhouette der Alb und einen noch mit Herbstlaub geschmückten Schönbuch im Vordergrund genießen.