…von Theorie und Praxis… Die Stadt im Gäu zeigte sich zwar kühl, aber doch im goldenen Oktoberglanz an diesem Sonntagmorgen.
Die Herrenberger Kirche war gut voll mit den Jugendlichen aus Albstadt, Freudenstadt, Nagold und Tübingen sowie Amtsträgern aus allen vier Bezirken. Ein großer Jugendchor, geleitet von Arndt Bayer, füllte das Kirchenschiff.
„Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ (Joh 11,40). Diese Worte Jesus`, gerichtet an Marta im Geschehen um „Die Auferweckung des Lazarus“, waren Thema des Gottesdienstes. Der Glaube – zunächst etwas Abstraktes, das in den Gottesdiensten konkret wird, damit es in den Alltag mitgenommen werden kann, so zu Beginn der Apostel. Was da so alles aus dem Leben jedes Einzelnen mitgebracht wird, Schönes und Unschönes…wir öffnen unsere Herzen und Gott wendet sich uns zu. Heftiger Liebeskummer, Erfolg oder Misserfolg in der Schule oder im Beruf. Vielleicht manchmal der Gedanke, Gott scheint allen zu helfen, nur mir nicht. Und trotzdem - wohin sollte ich denn sonst damit gehen wenn nicht zu dem, der als einziges Wesen mit allem umgehen kann. In jungen Jahren muss alles Mögliche zum ersten Mal entschieden werden und man weiß nicht, wo es enden wird. Jeder verfolgt dabei sein eigenes Ziel und geht gern missionarisch damit um. Und trotzdem heißt es, dabei das entscheidende Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Im biblischen Geschehen damals wandte sich Jesus ganz frontal an Marta: Glaubst Du das? Ihre Reaktion war, im Prinzip ja, aber was bedeutete das konkret ? Der Stein vor dem Grab sollte auf Jesus` Geheiß weggerollt werden und schon kam der Einwand, entsprechend der Erfahrung, mit einem Hinweis auf die natürlichen Gesetzmäßigkeiten. Immerhin war der verstorbene Bruder schon vier Tage lang tot. Da kommt Jesus: „Habe ich dir nicht gesagt…“ Nun ist der Schritt zu machen vom Hier und Jetzt zu Gott. Ganz konkret – wenn Montag früh oder an welchem Tag auch immer der Wecker um 7 Uhr klingelt, die Mathearbeit ansteht, halt alles, was den Alltag ausmacht, wo bleibt dann das „Habe ich dir nicht gesagt…“, wie geht der Weg vom Gottesdienst in den Alltag, der von der Theorie in die Praxis? Man hat viel gelernt, Sonntagsschule, Religions- und Konfirmandenunterricht sind da zu nennen. Theoretisch weiß man alles und dann gibt es die „Marta-Problematik“, das praktische Leben. Es kommt anders, als man es sich je hat vorstellen können und jetzt heißt es, dem Herrn trauen. Wer das kann, der erkennt, Gott steht dahinter, unmöglich Scheinendes wird möglich. Der Apostel erinnerte an die Drei Männer im Feuerofen, die bedingungslos glauben konnten, egal, ob Gott nun helfen würde oder nicht.
„Sich entscheiden, nicht zu allem `ja` zu sagen in der Schule, am Arbeitsplatz. Nachfolgen, das Evangelium im Alltag leben. Wenn du glaubst, wirst du sehen und hast die Zusage Jesus´, dass, wer ihn bekennt vor den Menschen, den wird er auch bekennen vor seinem himmlischen Vater. Wenn du nicht glaubst, dass der, der da am Altar steht, ein Werkzeug Gottes ist, dass es im Gottesdienst nicht um die Worte als solche, deren logischen Inhalt geht, sondern um das Gespür, Jesus darin zu sehen, dann tut man sich schwer damit. Man degradiert so einen Gottesdienst zu einer menschlichen Konsumveranstaltung, ein göttliches Handeln zu einer Zufälligkeit. Aber das Erleben, Wahrnehmen ist dann da, wenn du glaubst. Wenn wir Jesus sehen, wie er ist. Dann erlebe ich heute schon eine Vorstufe dessen, was mal sein wird. Ich sehe, wie für mich gesorgt wird. Ich kann mit allem zu Gott kommen. Wir legen letztlich alles in seine Hand. Es kann durchaus anders ausgehen, als wir uns das vorgestellt haben. Aber es bleibt trotz allem immer Jesus` Aussage: `Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast;..` (Joh 17,24).“
Markus Haist, Bezirksevangelist aus Freudenstadt, ging auf das zu Beginn gemeinsam gesungene Lied ein: „Wir möchten Jesum sehn…“ (Neuap. Gb. Nr. 137). Was will ich sehen? Bin ich auf Negatives „eingeschossen“, sehe ich auch nur das. Er spielte an auf seine Bürotasse mit dem Aufdruck: „Hast du heute schon gelächelt?“. Er werde darin zukünftig die Frage sehen: „Hast du heute schon geglaubt?“ Sich nicht zu Jesus bekennen, lieber Ehre bei den Menschen zu suchen, das sei ein Stolperstein auf dem Weg von der Theorie zur Praxis. Sich klar zu positionieren, bedeute nicht unbedingt, Beifall zu bekommen. Aber, so der Appell des stellvertretenden Bezirksleiters zum Schluss: „Ich möchte Jesus gesehen haben und wir sehen uns alle bei ihm wieder!“
Der Leiter des Bezirks Albstadt, Rainer Meyer, freute sich über den ersten Jugendgottesdienst mit dem „neuen“ Apostel. Er betonte noch einmal, dass, wer glaubt, auch sehen kann. Das zeigen auch die Erfolge, die man im Leben zu erzielen vermag. Da kommt schon jetzt der Glaube zum Schauen. Kein einfacher Weg, das lehren die Beispiele in der Heiligen Schrift. Das Vertrauen auf Gott sich nicht nehmen lassen, er wird immer in irgendeiner Weise helfen, machte er den Jugendlichen Mut.
Bischof Georg Kaltschmitt freute sich über „seine“ liebe Jugend, als er an den Altar getreten war. Und über den Gottesdienst mit „unserem“ Apostel, dem viele Jugendliche an diesem Sonntag zum ersten Mal persönlich begegneten. G. Kaltschmitt habe nicht vergessen, wie es in der jugendlichen Lebensphase so um einen bestellt ist. Wunderschön, aber oft auch schwer. Trotzdem – hätte er die Möglichkeit, würde er gleich noch einmal die Zeit erleben wollen. Auch wenn in dem Lebensabschnitt sich Dinge so schnell verändern wie in keiner späteren Phase des Lebens wieder. Zwar kann man oft damit überfordert sein, zu erkennen, was ist richtig, was ist falsch. Aber gerade in solchen Situationen ist Gott in besonderer Weise erlebbar. Faszinierend die Erkenntnis aus dem Geschehen damals um Lazarus: Wenn du glaubst, dann erlebst und schaust du göttliche Wunder. Ein praktisches Beispiel, leicht für alle nachzuvollziehen: Die Fahrerlaubnis erwirbt man durch Kenntnisse in Theorie und Praxis. Wenn der Glaube etwas sein soll, dann muss er auch in die Praxis umgesetzt werden. Jesus machte das Wunder am Glauben fest: Wenn du glaubst, dann erlebst du auch. Das gilt auch für das große Wunder, verwandelt zu werden und in die Herrlichkeit Gottes hineinzutreten.
Vor der Feier des heiligen Abendmahls machte M. Schnaufer den Jugendlichen bewusst, wie schön Gott das Leben in unseren Breiten gestaltet hat, quasi als eine Insel der Seligen, wenn man andere Teile der Erde betrachtet: Jedes Jahr sterben so viele Menschen wie in Baden-Württemberg leben an Hunger, eine Milliarde Erdenbewohner hat keinen Zugang zu sauberem Wasser, während der Zeit eines Gottesdienstes nehmen 120 Menschen sich das Leben…Es sei wichtig, im Gottesdienst einen anderen Blickwinkel zu bekommen und klarer sehen zu können. Und auf die Feier des heiligen Abendmahls eingehend zitierte der Apostel Jean-Luc Schneider, Stammapostel und Kirchenoberhaupt: „Jesus setzt sich dabei zum Sünder in die Bank.“. Es ist die innigste Gemeinschaft, die man haben könne. „Wir nehmen dabei das Fest vorweg, auf das wir warten.“ M. Schnaufer zitierte das Lied „Come share the Lord…“(Text und Melodie Bryan Jefferie Leech) und das tat der Apostel, wie er betonte, ohne vorher gewusst zu haben, dass der Chor genau dieses zur Vorbereitung der Feier des heiligen Abendmahls singen würde.
Bei der Verabschiedung zeigte sich M. Schnaufer glücklich über die besondere Atmosphäre bei einem Jugendgottesdienst, auf die er sich immer freue, auch dann, wenn…er ihn selbst halten müsse. Und, auch wenn es gelegentlich schwer fallen mag, sein Schlussappell war: „Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen…auch am Montagmorgen!“