Zum Gottesdienst waren die Mitglieder der Gemeinden Nebringen und Kuppingen eingeladen.
Fast alle Gemeindevorsteher des Bezirks Tübingen sowie dessen Leiter und seine beiden Stellvertreter waren auch in die Gäugemeinde gekommen. Eine „Muttergemeinde“, wie einer der dort tätigen Amtsträger sie nach dem Gottesdienst beschrieb: Von dort aus waren viele Glaubensgeschwister in andere Gemeinden des Bezirks verzogen, nicht zum Nachteil für das Wachstum der Kirchengemeinden dort. In beeindruckender Weise wurde der Gottesdienst musikalisch umrahmt - ein Instrumentalensemble, ein dynamisch, ausdrucksstark singender gemischter Chor mit einem Dirigenten, der Lieder auszuwählen wusste, die das gehörte Wort noch einmal musikalisch auf den Punkt brachten, und ein Instrumental-Duo, Orgel und Geige, dessen Musik andächtige Stille im Kirchenschiff aufkommen ließ. Zu spüren war, dass alle sich nicht nur gut vorbereitet hatten, sondern auch mit der Seele dabei waren.
Es war der letzte Wochengottesdienst vor dem Pfingstsonntag, an dem in der Neuapostolischen Kirche International der Wechsel im höchsten Kirchenamt stattfinden soll. Dem Apostel war es daher auch ein herzliches Anliegen, das an die Glaubensgeschwister weiterzugeben, was man als eine Art Vermächtnis des Noch-Amtsinhabers ansehen kann:
Der Mensch wird nie Jesus` Vollkommenheit erreichen können. Aber, er kann versuchen, in dessen Wesenszügen zu wachsen.
Dem entsprach auch der dem Gottesdienst zugrunde liegende Text aus Paulus` Brief an die Epheser (4, 15): „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus,…“
Zu Beginn ging W. Eckhardt ein auf das vom gemischten Chor gesungene Lied (Himmlischer Friede, Neuap. Choliederbuch I, Nr. 70, Text u. a. Oskar Jensen) , dessen zweite Strophe mit den Worten ausklingt: „…schenk deinen Frieden, der mich erfreut.“ . Friede, nein, es ist nicht überall Friede. Man muss ihn sich etwas kosten lassen. Das eigene Ich hintenanstellen. Den Frieden aus dem Opfer Jesus`, der Feier des heiligen Abendmahls, verspüren. Maßgeblich ist, wenn es heißt: „Dir sind deine Sünden vergeben. Der Friede aus Jesus Christi sei mit Dir!“ Der Apostel erinnerte sich an einen früheren Kirchenpräsidenten, der einmal, noch beeindruckt von einer Missionsreise ins Amazonasgebiet, wo man von einem Ufer des Flusses dessen anderes nicht hatte sehen können, bei einem Gottesdienst am Weihnachtsmorgen im Südbadischen „einen Weihnachtsfrieden so `breit` wünschte, dass man kein Ende sieht“.
Liebe und Wachstum, griff der Apostel die Kernaussage des Bibeltextes auf. Wenn der Glaube gelebt wird, er sich erfüllt, dann bleibt die Liebe. Im Werk Gottes wächst jede Seele hin zu Jesus. Dabei ist das Evangelium ein Fixum. Es ist die Wahrheit, die immer in Liebe verkündet werden sollte, dann wird sie auch angenommen. Der aus dem Amt scheidende Kirchenpräsident hatte in einem seiner letzten Gottesdienste einen Blick auf die Glaubensgeschwister weltweit geworfen, die unterschiedlichen Lebensverhältnisse, die er durch die Reisen während seiner Amtszeit kennen gelernt hatte. Es kann nicht sein, dass alle zum Zeitpunkt der Wiederkunft Christi ein und denselben Grad der Würdigkeit erreicht haben. Aber Gott hat jeden Einzelnen erwählt, mit dessen jeweils unterschiedlichen Möglichkeiten, je nachdem, wo er lebt. Da kann es kein absolut gültiges Maß geben. Aber Wachstum muss sein. Wer kann als Mensch schon beurteilen, was vor Gott mehr wiegt. Der Pharisäer war deutlich besser im Halten der Gebote, der Zöllner konnte um Gnade bitten. Wichtig ist, Jesus als Maß zu nehmen und in seiner Größe und Güte zu wachsen. Und nicht für andere eine „Messlatte“ definieren. Der Reiche Jüngling konnte alle Gebote halten, aber sich von seinen Reichtümern trennen? Die Frau am Jakobsbrunnen wuchs dagegen im Gespräch mit Jesus über das Natürliche, das Anknüpfungspunkt war, hinaus zum Glauben.
Stammapostel Dr. Leber hatte in dem bereits erwähnten Gottesdienst für die Gegenwart bedeutsame Punkte herausgestellt:
Das im Gottesdienst Gehörte auch umsetzen. Da kann es nicht sein, dass einen die Glaubensschwester/der Glaubensbruder nicht interessieren. Dass man nicht für den Nächsten betet, nicht Anteil nimmt an seiner persönlichen Situation. Ihn nicht tröstet, wenn man merkt, es geht ihm nicht so gut.
Sich darauf zurückziehen, dass es ja ganz passabel läuft in der eigenen Gemeinde. Muss man sich nicht selbst auch einbringen? Woher soll bei der Haltung Wachstum kommen?
Das muss es auch bei der Bereitschaft, vergeben zu können, geben. Wie schnell lässt man sich „auf 180“ bringen und wird dem anderen gegenüber mehr als kleinlich.
Richtig beten, ringen um eine Sache. „Herr, segne mich!“. Jesus hat, als es um Wesentliches ging, gebetet, „dass der Schweiß zu Blutstropfen wurde“.
Wachstum bedeutet, mit den Pfunden zu wuchern, seine persönlichen Gaben auch einzusetzen. In schwierigen Situationen nicht zu verzweifeln, sondern daran wachsen. Gott lässt zu diesem Zweck auch mal etwas nicht so Schönes zu.
Petrus – er hatte geglaubt und erkannt, dass Jesus Gottes Sohn ist und ihn dennoch kurz darauf verleugnet. Im entscheidenden Moment mangelte es ihm an der Liebe zum Herrn. Aber er blieb nicht so.
„Lasst uns einfach mal mit einem dieser Punkte anfangen und so alle noch ein Stückchen wachsen. Darauf liegen Gottes Segen und Wohlgefallen.“
Bezirksvorsteher Klaus von Bank erinnerte sich in seinem Beitrag zum Gottesdienst daran, wie er den noch amtierenden Stammapostel seinerzeit bei Missionsreisen in die Ukraine erlebt hatte. In den verschiedensten Situationen hatte der Zeichen der Liebe und der Demut gesetzt. „Mit unseren Möglichkeiten wollen auch wir so leben, um als Gemeinschaft der Gotteskinder miteinander in die Herrlichkeit gehen zu können.“
Im Gottesdienst in Öschelbronn empfingen zwei Erwachsene und ein Kleinkind, von den Eltern zum Altar getragen, durch den Apostel das Sakrament der Heiligen Versiegelung, die Taufe mit dem Heiligen Geist. „Ihr sollt erleben, dass ihr nie vergeblich betet, auch wenn Gott nicht jede Bitte erfüllt.“ wünschte der Apostel den vor ihm am Altar Stehenden.
Er hatte zum Thema Wachstum zuvor im Gottesdienst noch etwas von seinen Erlebnissen im Südbadischen berichtet: Ein bodenständiger, grobschlächtiger Markgräfler hatte sich entschieden, neuapostolischer Christ zu werden. Wie in dessen Heimat nicht unüblich, entsprach es zuvor seinem Sprachgebrauch, dass jeder Halbsatz ein Fluch war. Danach, von Stund an, passierte ihm das nicht mehr. Konnten auch die Schwaben nachvollziehen. In Tübingen gab/gibt es die Googen, die Wengeter, die Manches ziemlich raubeinig formulieren, wenn sie „es im Guten“ sagen. Vielleicht hat auch mal einer von ihnen aus gegebenem Anlass sein Vokabular überdacht, wer weiß…