„Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.
“
So lautet der Refrain von vier Strophen des zu Beginn des Gottesdienstes gemeinsam gesungenen Lieds (Neuap. Gb Nr. 259, Text Paul Gerhardt). Bezirksvorsteher Klaus von Bank leitete den Gottesdienst und freute sich über die, die hatten kommen können. Eine nach seiner Schätzung mindestens so große „Gemeinde“ der Altersstufe 65 + , die der Hochbetagten und Kranken, kann leider nicht mehr an den Gottesdiensten teilnehmen. „Die Zeit eilt dahin. Und `plötzlich` liegen mehr Lebensjahre hinter als vor einem. Das ist einfach so. Auch wenn der medizinische Fortschritt die Beschwerlichkeiten des Alters erleichtert und die Lebenserwartung gestiegen ist.“
„…ich will heben, und tragen und erretten.“ (aus Jes 46,1) Diese Zusage Gottes bestimmte den Inhalt des Gottesdienstes für die nicht mehr ganz so jungen Glaubensgeschwister. Der Bezirksälteste knüpfte an die beiden Sonntage vorher an. Da war es in den Konfirmationsgottesdiensten um junge Menschen gegangen, die noch eine bewegte Zeit mit vielen Weichenstellungen vor sich haben. Senioren dagegen haben eigene Erfahrungen gemacht, auf die sie, wenn es darauf ankommt, zurückgreifen können. Auch die, Gott erlebt zu haben. Und das Prophetenwort gilt für jedes Alter: Der liebe Gott ist bei mir, er hebt und trägt mich.
Heben, etwas aufheben, das braucht Kraft und ist im natürlichen Leben oft nicht ohne Hilfsmittel möglich. Auch im Seelischen kann man einen Tiefpunkt haben. Damit das nicht so bleibt, ist es nötig, in solchen Situationen gehoben zu werden. Wieder Freude empfinden zu können, ohne die es beschwerlich ist. Geduld ist dabei unerlässlich. Insbesondere bei Krankheiten, langen Therapien. Verliert man sie, verliert man auch die Hoffnung. Ärger nicht aufkommen lassen. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die sie auslösen. Dann besser nach Hilfe schauen, als durch Verdrossenheit eine falsche Richtung einzuschlagen.
Wie „hebt“ uns Gott – durch sein Wort in den Gottesdiensten. Sie bringen uns heraus aus den eigenen Problemen, versetzen uns in die Lage, danach weitergehen zu können. Vorbilder sehen, die derjenigen, die eine schwere Last zu schultern haben. An deren Beispiel, wie sie mit ihrem Schicksal umgehen, kann man sich aufrichten. Die Begegnungen in der Gemeinschaft vermitteln Trost, Beistand und Zuspruch. Der Rat des Bezirksvorstehers: “Nehmt das bewusst wahr!“
Wie trägt uns Gott? Auch, wenn wir mit beiden Füßen auf der Erde stehen, er trägt uns auf ein Niveau des Gotterlebens und gibt uns damit einen Weitblick. Er hebt uns ab vom Natürlichen und Vergänglichen durch seine Gnade, ohne unser persönliches Verdienst. Nicht bei Belastungen sich hängen lassen. Auch dann das Unsere tun und Gott wird die Kraft dazu geben. Und erfahren können: Durch das Tragen von Lasten wird man letztlich stärker. Manches wird der Mensch erst im Rückblicken richtig erkennen können. Und so, wie Gott in der Vergangenheit geholfen hat, wird er es auch in der Zukunft tun. Dabei nicht zu weit vorausblicken, das könnte erdrücken. Vielmehr einen Tag um den anderen nehmen. Getragen von Gott und einem Netzwerk an Verbindungen, denn jeden Tag wieder wird von vielen für die Kranken und die, denen es nicht so gut geht, gebetet. „Das ist die Richtung und ein Segen, bis wir unser Lebens- und Glaubensziel erreicht haben!“
Ulrich Güttler, stellvertretender Leiter des Bezirks Tübingen, erinnerte sich an einen jungen Mann, der sich an das Wort des Propheten, gehoben und getragen zu werden, geklammert hat. Bis zu seinen letzten Lebenstagen wollte er bei Gott sein. Der junge Mann wurde nicht alt. „Ihr dürft, anders als ein junger Mensch, der noch nicht so viel erlebt hat, sagen, ja, es war so, ich bin gehoben und getragen worden. Ihr habt Schicksalsschläge erlitten und erfahren, Gott hat geholfen. Ihr habt euch an ihn gehalten und dabei wollen wir bleiben.“
Werner Lampprecht, ebenfalls stellvertretender Leiter des Bezirks Tübingen, versuchte, sich in die Situation der Älteren hineinzuversetzen. Ein wenig hatte er es bei seinem Vater miterlebt: Was diesem im Alter von 65 noch möglich gewesen war, das ging 20 Jahre später nicht mehr so gut und so schnell oder auch gar nicht mehr. „Heben, tragen, erretten – die Erfahrung kann man mit Gott machen. Er hilft, wenn der Mensch selbst fast nicht mehr weiterkann.“ Ein Schiff wird mit seiner Last in einer Schleuse durch das Wasser von unten auf ein anderes Niveau gehoben. So kann es auch mit dem Lebensschiff geschehen, das durch göttliche Gnade, die in den Gottesdiensten mit dem heiligen Abendmahl gewährt wird, „gehoben“ wird. Die Gnade ermöglicht dem, der treu bleibt, den Zugang zur ewigen Herrlichkeit.
K. von Bank ging auch noch einmal auf die Problematik des Älterwerdens ein. Es gelassen hinnehmen, dass niemand ewig jung bleibt. Sich nichts beweisen wollen, das kann gefährlich werden. Vielmehr darauf zu achten, dass man sich bei dem, was man tut, wohl fühlt. Die Anforderungen lassen nicht nach. Es gibt da kein „sich bequem zurücklegen“. Vielmehr heißt es immer noch, dem Nächsten großzügig vergeben zu können, darum bis zum letzten Tag zu kämpfen, um selbst volle Gnade und Vergebung erlangen zu können.
Der gemischte Chor hatte, wie der Bezirksvorsteher es nach dem Gottesdienst hervorhob, mit der Auswahl der Liedbeiträge dafür gesorgt, dass sie sich wie ein „Redebeitrag“ in den Gottesdienst einfügten. Sie zeigten die „ganze Bandbreite des neuapostolischen Glaubens“. Das wurde auch noch einmal im Schlusslied deutlich: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.“ (Neuap. Chorliederbuch I, Nr. 45, Text Ps 62,2 und 7).
Das Miteinander im Gottesdienst am Sonntagmorgen ließ auch die Gesichter der Gottesdienstbesucher strahlen. Was die Jugendlichen bei den Konfirmationsgottesdiensten im Jahr 2013 nicht bekommen hatten, das gab es am ersten Sonntag im Mai: Die etwas Älteren erlebten einen Gottesdienstbesuch an einem letztlich (am Morgen war es in Herrenberg noch neblig gewesen) wunderschönen, in allen Farben leuchtenden Frühlingstag. Er sei ihnen von Herzen gegönnt.