„Mit dem Herrn fang alles an!“ Dieses Lied (Neuap. Chorliederbuch Nr. 336, Text C.C. Hohlfeld, 1776 – 1877) - der gemischte Chor sang es vor dem Gottedienst - gibt das Leitmotiv der Bikergruppe wieder, das seit nunmehr 12 Jahren dazu führt, dass sie sich zu Beginn der Freiluftsaison zu einem gemeinsamen Gottesdienst, jedes Mal in einer anderen Kirchengemeinde, zusammenfinden. Im Jahr 2013 im Gäu, in Jettingen (Bezirk Tübingen). Drei Familien dort gehören mit zu der Bikergruppe.
Und, um es vorwegzunehmen, die Jettinger hatten keine Mühe gescheut, ihre Kirche zu schmücken und ihren Gästen einen herzlichen Empfang und gelungenen „seligen Sonntag“, wie es in einem Kirchenlied heißt, zu bereiten. Das Wetter, nun ja, der Chronist freute sich, auf vier Reifen und mit einem Dach über dem Kopf nach Jettingen fahren zu können. Eine Bikerin, die das auch vorgezogen hatte, drückte es volksnah und für jeden gut verständlich aus: “So weit kommt das noch, ich friere mir den… (Es folgte die Bezeichnung eines bestimmten Körperteils auf gut Schwäbisch) ab und mein Mann fährt im Auto hinterher!“
„Sie kennen sich am leuchtenden Gesicht…“ (Zitiert aus dem Eingangslied Nr. 343, Neuap. Gesangbuch, Text F. von Bethmann-Hollweg, 1842 – 1916) drückt aus, was die BikerInnen ausstrahlten, als sie sich nach und nach in der Jettinger Kirche einfanden und erst einmal zu einer kleinen Stärkung mit Kaffee, Brezeln u. a. eingeladen waren. Rund 50 waren es. Zwei aus Rheinland-Pfalz waren auch dabei, mit einem Schmuckstück, einer Harley-Davidson angereist, die den Parkplatz, der für die Zweiräder reserviert worden war, besonders zierte. HN, LB, BB, WN, PF, CW, TR (s.o.), sicher nicht vollzählig, diese Aufzählung der Kennzeichen der Herkunftsorte.
„Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des Herrn behält den Sieg!“ (Ps 118, 15), lautete am ersten Sonntag nach Ostern das Bibelwort, das den Inhalt des Gottesdienstes bestimmte. „Ich heiße euch alle herzlich willkommen.“, begrüßte Gemeindevorsteher Gotthilf Kohfink eine bunt gemischte „Gottesdienstgemeinde“, bestehend aus den „normalen“ Jettingern und dazwischen, völlig unsortiert, die Biker in ihrem Motorradoutfit. Die Kirche war einfach voll. „Es ist mir eine große Freude, dass Sie es sich zum Inhalt gemacht haben, mit unserem himmlischen Vater anzufangen.“, so G. Kohfink zu Beginn. Und zum Wort des Psalmisten: „Er spricht vom Sieg. Natürliche Siege, so schön sie sein können - wie es z. B. auch sein mag, beim Motorradrennen Erster zu sein - sind von kurzer Dauer. Jesus` Sieg damals lag nicht darin, besser und stärker zu sein als andere. Zwar hätte er sich Legionen von Engeln holen können, aber er errang als einzelner schwacher Mensch den Sieg über den Tod. Ohne den wir in unseren Sünden sterben müssten.“ Das ist anders, als wenn etwas nur einfach vorbei ist. Wie z. B. das Arbeitsleben. Man wird als Rentner immer fremder in seinem eigenen Betrieb wenn man dort noch einmal vorbeischaut. Eben nur etwas Gewesenes. Nichts, was Zukunft hätte. Wir aber profitieren vom Sieg Christus`. Was erwartet Gott dafür – das ist für jeden Einzelnen eine Herausforderung: Wir sind auf der Erde, um die Zeit zu nutzen, die Gott uns gegeben hat. Wozu? Um die Freude, dass Jesus für uns gestorben ist, wovon wir den Nutzen haben, weiterzugeben. Dann kann man schon einen persönlichen Sieg erringen. Jesus mit seiner Liebe konnte Menschen „weich“ machen, etwas bei ihnen verändern. Uns umgeben Dinge, die uns die Freude über seinen und damit unseren Sieg nehmen könnten. Lassen wir das nicht zu. Irdische Siege bewirken nicht unbedingt dauerhafte Freude. Aber was Gott erreicht hat, ist zum endgültigen Siegen verurteilt: Der Tod hat seine Macht verloren.
Der Gemeindevorsteher hatte sich im Vorfeld bemüht, etwas Biblisches, besonders für die Biker, zu finden. Nicht einfach, denn weder im Alten noch im Neuen Testament kommen sie vor…Trotzdem wurde er fündig: „Denn der Herr ist deine – eure – Zuversicht…Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ , zitierte G. Kohfink aus den Psalmen (Ps 91, 9 u. 11). „Wir wissen es oft nicht, wo der Engelschutz eingreift.“ Noch einmal auf das Textwort eingehend, in dem es heißt, dass die Rechte des Herrn den Sieg behalten wird: „Alles, was ansteht, kann man mit Gottes Hilfe bewältigen. Dabei zu sein, wenn Jesus wiederkommt, das ist der endgültige Sieg!“ Und zum besonderen Gottesdienst am Sonntagmorgen: „Ich habe mich gefreut, in Jettingen, so klein es ist, euch haben zu dürfen. Diese Freude von heute strahlen wir gern weiter aus in unsere dörfliche Umgebung.“ Diese Einstellung vermittelten auch zwei Priester aus der Gemeinde Jettingen, die zum Gottesdienst mit beitrugen: Der eine griff auf, dass die Rechte des Herrn den Sieg behält. „Jesus weiß genau, wie es uns ergeht, dass der Mensch schwach werden kann. Aber der Gottessohn kann uns die Kraft geben, es zukünftig besser zu machen. Miteinander, behütet und unbeschadet, wollen wir diesen Weg gehen.“ Der andere erinnerte sich an ein Gespräch mit seinem etwa 12 Jahre alten Neffen vom Tag zuvor. Da hatte eine Mannschaft der Ersten Fußball-Bundesliga zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Meisterschaft haushoch für sich entschieden. Der Junge, überzeugter Fan der Sieger, konnte sich riesig an deren Erfolg begeistern. So könnte und müsste es bei gläubigen Christen auch sein: Das Wissen um die Bedeutung des Siegs Jesus` soll in unseren Herzen immer präsent sein.
„Ich möchte mich ganz herzlich bedanken. So ein schönen Chor (die BikerInnen hatten sich auch unter die Sänger begeben) hat heute morgen hier gesungen. Ich wünsche euch einen ganz schönen Tag und für die Zukunft alles Gute. Die Sonne kam auch noch!“ lauteten die Abschiedsworte eines rundum zufriedenen Gemeindevorstehers. Das konnte er auch sein. Nicht zuletzt mit seiner Gemeinde, die auch ganze Arbeit geleistet hatte, was die Verpflegung und alles andere betraf. Nach dem Gottesdienst gab es Kartoffelsalat und Maultaschen und nach der Rückkehr von einer gemeinsamen Ausfahrt der Motorradfreunde wartete schon ein reich gedecktes Kuchenbuffet, von dessen vorzüglicher Qualität G. Kohfink aus eigener Erfahrung mit „seinen“ Jettingern bei der Verabschiedung nach dem Gottesdienst getrost im Vorhinein schwärmen konnte.
„Der Herr behüte dich vor allem Übel…“ (Neuap. Chorliederbuch I Nr. 55, Text Ps 121, 7 – 8) sang der gemischte Chor zum Schluss des Gottesdienstes, dieses Mal unter Leiterin einer Dirigentin, die auch zu den Bikern gehört. Beeindruckend vorgetragen und ein wahrhaft frommer Wunsch, nicht nur für Motorradfahrer.